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Hallo! Ich wurde anlässlich unserer Nominierung für den Skoutz-Award interviewt. Das Interview erscheint hier bei Augenschelm.de, es wurde zuerst bei Skoutz.de veröffentlicht. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen – ich hatte viel Spaß beim Fragen beantworten und ich finde, das merkt man dem Interview auch an. Vielen Dank an dieser Stelle auch an Kay Noa.


Heute bin ich mit unserem Skoutz-Kauz bei Bruno E. Thyke zu Besuch. Der sympathische Schreiber aus dem Ruhrgebiet, frönt der hohen Kunst des geschriebenen Wortes nach eigenem Bekunden in den frühen Morgenstunden, irgendwo zwischen dem Vollzeitjob, dem Pendeln im Zug und der Zeit mit seiner Familie Zuhause.

Ich möchte ihn als Herausgeber der Anthologie “Erntenacht – Dunkle Folklore” interviewen, denn diese ungewöhnliche Anthologie hat es auf die Midlist des Skoutz-Awards 2020 geschafft, und das ist doch ein wunderbarer Anlass …

Zu Besuch bei Bruno E. Thyke, der selbst Chaos organisieren kann

So, lieber Bruno, vielen Dank, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Du klingst ja wirklich mega-beschäftigt zwischen Job, Autorendasein und Familienleben. Also fangen wir am besten gleich mal an.

Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

Glücksritter

Eine schöne Antwort. Die meisten Autoren arbeiten mit Adjektiven. Aber Glücksritter ist auch gleich ein Bild. Ich bin gespannt.

Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß?

Kreativ zu sein ohne Grenzen.

Wie meinst du das? 

Was immer mir durch den Kopf geht, ich kann es zu Papier bringen und damit etwas entstehen lassen, was zuvor nicht da war.

Das beschreibt ja den Beruf des Autoren, sofern er nicht nur Berichte schreibt. Oder ist das für dich mehr Berufung?

Mein Beruf ist es nicht, aber nur von einem Hobby zu sprechen, ist auch zu wenig. Damit bin ich einer dieser Hybride, die irgendwo zwischen Vollzeitjob, Elterndasein und dem normalen Alltag ihre Passion ausleben.

Ich finde es sehr inspirierend, eben neben dem Autorendasein noch ein anderes Leben zu haben, das sich nicht nur um Geschichten dreht. Unabhängig davon, dass das in meinem Fall zumindest auch die Bank und den Vermieter beruhigt, glaube ich auch, dass es meinen Geschichten gut tut. Das, was einem durch den Kopf geht, wird ja meist von außen angestoßen. 

Das stimmt, wobei das in meinem Fall vor allem die Interaktion von Menschen untereinander ausmacht. Ich bin Bänker und auch wenn ich für eine nachhaltige Bank arbeite, bietet der Job bislang nicht viel, was mich beim Schreiben inspiriert.

Bleiben wir bei den Büchern…

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht?

Ich habe noch gar kein Buch veröffentlicht, anders als viele Kollegen, die in der Anthologie „Erntenacht“ mitgearbeitet haben.

Und das sagt der Herausgeber? Wie ungewöhnlich. 

Tatsächlich ist der Herausgeber hier der unerfahrenste. Bislang steht eine weitere Kurzgeschichte zu Buche, die ich bei einem kleinen Wettbewerb eingereicht habe und die ebenfalls unter die besten 5 Geschichten gewählt wurde.

Das zeugt zumindest davon, dass da draußen Menschen sind, die an deine Geschichten glauben. Und wie sieht es auf deinem SUM aus? Dem berüchtigten Stapel ungeschriebener/unveröffentlichter Mansuskripte?

Ich habe insgesamt etwa drei Manuskripte fertig geschrieben, die allesamt unveröffentlicht sind.

Und wie lang brauchst du so für deine Bücher?

Weil ich als Vater von zwei Kindern und mit Vollzeitjob nur bedingt Zeit fürs Schreiben habe, brauche ich für ein Manuskript mit etwa 100.000 Wörtern ein bis eineinhalb Jahre.

Da passt ja die nächste Frage sehr gut. 

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab? 

Jahrelang habe ich beim Pendeln im Zug geschrieben, was eine sehr gute Routine war, wenn man erstmal das Drumherum ausschalten konnte. Etwas Musik aufs Ohr und loslegen. Bei knappen 3 Stunden pendeln pro Tag habe ich wirklich viel zu Papier bekommen.

Das kann ich bestätigen. Ich bin eine Weile zwischen Frankfurt und München gependelt (also wochenweise, nicht täglich), aber die etwas über 3h Fahrt waren in der Tat außerordentlich produktiv.  Aber du sagst das, als würdest du das jetzt nicht mehr machen?

2018 sind wir umgezogen und meine zweite Tochter kam zu Welt.

Ah und was ist nun anders? 

Seitdem ist es eher improvisieren, wobei mein Ziel immer ist, als erstes Morgens ein wenig zu schreiben, und wenn es nur zehn Minuten sind. Aber es gibt Tage, da klappt es besser und an manchen weniger.

Ja, das kennen wir alle.  Gerade in diesen Tagen. 

Das Jahr 2020 stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag?

Zunächst einmal muss ich sagen, dass die Coronakrise bei mir keine Existenzängste auslöst, da mein berufliches Umfeld bislang sehr ruhig durch dieses Fahrwasser gleitet. Das nimmt mir natürlich viele Sorgen.

Verstehe ich gut, aber das ist – zumindest bei mir – nur ein Teil der Medaille. Das Leben bietet ja noch mehr.

Ja, es beeinflusst mich deshalb schon, weil ich seitdem zu 100% im Homeoffice arbeite und daher gar keine Pendelzeit mehr habe. Schreiben im Zug ist also gar nicht mehr.

Verstehe. Und wie läuft das dann bei Thykens ab? 

Hinzu kommt bei uns das Thema Kinderbetreuung und zwei Personen in „relevanten“ Berufen, so dass wir ohne Kinderbetreuung beide arbeiten mussten.

In nicht relevanten Berufen, meinst du, vermutlich. Sonst hätte es ja Kinderbetreuung gegeben. Ein Schicksal, das die Skoutz-Redaktion auch getroffen hat und nicht zuletzt für die Verschiebung des Skoutz-Awards um gut ein Monat nach hinten verantwortlich ist. Und wie habt ihr das dann gemanagt? 

Nein, tatsächlich in relevanten Berufen. Aber unsere Kleinste war, als es los ging, erst 14 Monate. Da gab es einfach noch keine Betreuung, sie war noch nie woanders als bei den Eltern und Großeltern. Oma und Opa war tabu und dann blieben nur noch Mama und Papa. Die Große war in einer Notgruppe der KiTa, aber die Betreuungszeit wurde auch gekürzt, so dass wir uns unterm Strich trotzdem strecken mussten.

Das gebe ich mal an mein Team weiter, die waren so neidisch. Offenbar ganz unnötig. Und wie habt ihr es dann gewuppt?

Das hat bei mir vor allem alle Routinen in Luft aufgelöst und ich bin jemand, der gerne bestimmte Gewohnheiten aufbaut. Durch das Schreiben im Zug, in einem gleichbleibenden Umfeld ohne Internetzugang und mit festem Zeitrahmen hatte ich zum Beispiel nie so etwas wie eine Schreibblockade. Das hat sich geändert, weil der Tagesablauf jeden Tag anders aussieht. Zudem habe ich im Moment alle meine Social Media Tätigkeiten auf Eis gelegt, weil mir das zu viel Kraft für Kreativität geraubt hat.

Das ist eine drastische Maßnahme, aber ich kann mir vorstellen, dass sie hilft. Wieso hast du dich zu diesem Schritt entschlossen?

Die Stimmung auf Twitter hat mich ziemlich runtergezogen zuletzt. Zudem blieb wenig Zeit fürs Schreiben. Umso stolzer bin ich, dass ich trotzdem eine Kurzgeschichte für den Nachfolger der „Erntenacht“ fertig geschrieben habe.

Dieses Mal werde ich nicht Herausgeber sein, sondern nur Autor, weil die Idee diesmal von Nina Hasse kam, die auch bei der Erntenacht dabei ist, und weil meine Zeit es nicht zulässt.

Aber Zeit für einen kleinen Ausblick hast du schon, ja? Schau, wie lieb der Skoutz-Kauz schaut! 

Es sind viele Autoren dabei, die auch bei der Erntenacht mitgemacht haben – Arbeitstitel ist „Seemannsgarn“.

Danke! Wir sind gespannt. Aber weiter, wenn wir schon vom Schreiben sprechen … 

Kreativ oder doch eher regeltreu?

Ich habe als sehr strikter Plotter angefangen und bin inzwischen, mit wachsender Erfahrung und Selbstsicherheit, dazu übergegangen, nur noch Grobgerüste zu Plotten und dann loszuschreiben.

Wir haben in der Skoutz-Schreibschule kürzlich erst eine mehrteilige Reihe zum Plotten und den verschiedenen Methoden gebracht. Erzähl bitte noch etwas mehr von der Thyken-Methode! 

Ich kenne quasi Anfang und Ende der Reise und ein paar Kneipen auf dem Weg dorthin. Den Rest lasse ich einfach entstehen.

Und wie hältst du es mit den Regeln?

Regeltreu versuche ich bei „Show don´t tell“ zu sein, weil mir dadurch meine eigenen Geschichten einfach besser gefallen.

Ja, das ist so eine der Handwerks-Regeln, die wir auch allen Autoren ans Herz legen. Es gibt noch ein paar, die wirklich mit einfachen Mitteln einen Text verbessern. Man sollte sie sich bewusst machen, aber nicht sklavisch befolgen, von daher finde ich “versuchen” tatsächlich auch den besten Weg. 

Aber mal weg vom Schreiben zum Lesen … 

Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? Und hast du es heute noch?

Ich habe schon immer gelesen, angefangen mit Bilderbüchern. Wo der genaue Übergang zu „echten“ Lesen war, weiß ich heute nicht mehr.

Gibt es den? Weil für Skoutz nur die Geschichte zählt, wollen wir weder Batman noch die Raupe Nimmersatt ausschließen. Aber fragen wir anders – wer sind die Helden deiner Kindheit? 

Eines der ersten Bücher, die richtig Eindruck bei mir hinterließen, war Krabat von Ottfried Preußler, aber das war sicher nicht mein erstes Buch. Aber das Buch habe ich immer noch.

Das freut mich sehr, denn Krabat ist eines der Bücher, die mir immer einfallen, wenn ich nach Lieblingsbüchern gefragt werde. Wusstest du, dass Krabat auch Ottfried Preußlers liebstes Buch gewesen sein soll? Hat mir sein Neffe mal anvertraut, mit dem ich beruflich zu tun hatte. 

Bleiben wir noch bei unseren Lieblingsbüchern oder Buchlieblingen.

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?

Ich würde mich gerne mit Tyrion Lannister unterhalten, weil er ein cleverer kleiner Bursche ist, der zudem eine vortreffliche Scharfzüngigkeit an den Tag legt. Wer wäre nicht gerne so schlagfertig? Genau darüber würde ich mich auch unterhalten.

Tyrion mochte ich auch am Liebsten in den Büchern von “Song of Ice and Fire” noch lieber als in der Serie “Game of Thrones”. Aber wie soll ich mir das vorstellen? Ihr würdet darüber reden, wie man schlagfertig wird? 

Und über Wein.

Guter Plan!

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

„Wie soll ich das alles nur hinkriegen?“

Ha! Noch eine Übereinstimmung. Mein Leben besteht aus 2 Phasen: Erst weiß ich nicht, wie das gehen soll, und danach nicht, wie es gegangen ist. Ein Prinzip, das wir auch auf Skoutz schon übertragen haben. Wie kommt es, dass du zu dieser Frage kommst?

Die Frage stelle ich mir sehr oft, weil einfach sehr viel passiert. Aber gleichzeitig weiß ich, dass diese Zustände immer auch Raum bieten, sich neu zu erfinden und kreativ zu sein. Ich glaube nicht, dass Kreativität nur im kuscheligen Umfeld geschieht. Oftmals werde ich kreativ, wenn ich schnelle Lösungen finden muss, Deadline drücken oder etwas einfach irgendwie fertig werden muss.

Und wie geht es aus? 

Oft sind die Ergebnisse dann viel besser, als ich erwartet habe.

Da schwingt aber ein ABER mit … 

Genau! Aber es ist wie das Surfen auf der Spitze einer großen Welle und man muss immer darauf aufpassen, dass die Welle nicht über einem zusammenschlägt.

Die Coronazeit tut ihr übriges dazu, weil jeder Schnupfen plötzlich zu einem Riesenthema wird und wer zwei kleine Kinder Zuhause hat, der weiß, wie schnell da mal ein Schnupfen passiert.

Horror! Das wird sicher im Herbst nochmal besonders kreativitätsfördernd. Hoffentlich hattest du bis dahin deinen Termin bei Tyrion schon.

Und wie sieht es dann mit der Antwort aus? 

Letztlich hilft es nur, die Frage umzuformulieren, wie beim Anhalter. Statt „wie soll ich das alles hinbekommen“ frage ich konkret, zum Beispiel: „Was kann ich heute machen, damit ich 30 Minuten Zeit zum Schreiben habe?“. Dann klappt es, wenn man sich nicht zu viel vornimmt.

Wohl wahr. Und wieder hast du ganz diskret ein weiteres wundervolles Buch in unser Gespräch geschmuggelt. Danke! Wenn wir schon beim Planen sind … 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Nicht mehr so oft, seit ich keine Sozialen Medien mehr nutze. Aber ich komme bestimmt trotzdem noch auf irgendwas zwischen 20 und 50 Mal.

Oh wow! Das schaffe ich nicht mal mit SM-Nutzung, wobei ich auch ein PC-Relikt bin und ungern am Handy arbeite. 

Ich nutze das Handy auch beruflich, da kommt schon wegen der Anrufe ein bisschen was zusammen. Außerdem lese ich heimlich auf der Toilette Kindlebücher auf dem Smartphone.

Ich lese in der U-Bahn mit der App am Handy (also jenseits von Corona), aber das sind bei mir auch nur 2x (einmal hin und einmal zurück).

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Käse, Paprika, Wasser, Bier, Eier.

Eine interessante Mischung, zu der ich beim Interview für “Seemannsgras” dann das Rezept haben will!  Und abgesehen von der Kulinarik … 

(lacht) Danke für diesen Plotbunny. Ich werde demnächst ein Kochbuch rausbringen und „Seemannsgras“ nennen – der Nachfolger hat aber den Arbeitstitel „Seemannsgarn“. Ich bereite Dir  gerne ein überbackenes Paprikabier zu, wenn ihr die Anthologie ebenfalls für den Skoutz-Award nominiert.

Das nominieren zur Longlist darfst du ganz offiziell selbst. Bei der Midlist müsstest du den Anthologie-Juror fürs nächste Jahr bestechen, da habe ich leider keinen Einfluss. Aaaaaber ich komme sehr gern trotzdem auf ein überbackenes Paprikabier vorbei, das klingt saulecker.

Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Für meine Frau, meine Kinder und dafür, dass ich bislang in schwierigen Situationen häufig die richtige Entscheidung getroffen habe, rückwirkend betrachtet.

Was mich gleich zur nächsten Frage bringt … 

Zeitreisen – ein spannendes Mysterium. Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?

Das ist schwer.

Ich weiß. Wir sind sehr stolz auf diese Frage!

Geschichte ist ein wahnsinnig spannendes Thema und es gibt wirklich einfach so viele Zeiten, in denen ich gerne mal vorbei geschaut hätte. Ich kann das gar nicht auf ein bestimmtes Ereignis eingrenzen, weil mich viel mehr interessiert, wie die Menschen insgesamt gelebt haben.

Es gab schon ein paar Momente, wo sich wirklich ehrlich an diesem Punkt etwas geändert hat. Aber lassen wir uns den Begriff “Ereignis” etwas weiter fassen, wie sieht es dann aus? Wen würdest du besuchen wollen? 

Die Griechen, Römer, Wikiniger. Ich würde mir das alles angucken wollen. Der Trojanische Krieg wäre sicher interessant, aber wer will schon gerne in einen Krieg hineingeraten?

Och, vom Feldherrenhügel aus? So in sicherer Entfernung … 

Die Entdeckung Amerikas wäre sicher spannend, aber bestimmt auch grausam – vermutlich bin ich dafür zu zart besaitet.

Ja, das glaube ich. Ich war im Referendariat bei Amnesty und habe ganz am Rand den Ausbruch des Bürgerkriegs in Mali erlebt. Wir können uns gar nicht vorstellen, was Krieg heißt, wenn er einem Live und nicht gezähmt und aufgeräumt in einem Geschichtsbuch oder einer Ausstellung begegnet. Also, was machen wir mit der Zeitreise?

Das stimmt. Hoffentlich vergessen wir nie, wie gut wir es haben. Aber ich würde einfach herumreisen.

Da können wir eine Reisegruppe bilden, Kollegin Julia Greve hat da schon über Pauschalangebote nachgedacht. 

Gerne, ich nehme All inclusive.

Jetzt haben wir schon so viele spannende Themen angerissen … 

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Über viele. Motivation, Kreatives Schreiben, Kreativität, Star Wars, „wieso spiele ich 2020 noch immer Master of Orion 2“, die Nachteile von Sozialen Medien, nachhaltiges Bankgeschäft, was man als Chaot so alles mache kann um sich zu organisieren, Anthologien herausgeben für Anfänger …

Oh! Wir werden uns auf alle Fälle nochmals gesondert unterhalten, ob du nicht bei uns Workshops halten kannst. Auch wenn mich persönlich das Star Wars und Orions-Thema brennend interessieren würden, könnten wir vor allem die Orga-Schulung für Chaoten brauche. Wobei das Bankgeschäft auch spannend wäre. 

Ich kann auch alles in ein Seminar packen.

Willst du nicht doch im Skoutz-Team einsteigen? Aber eins hat mich vorhin noch beeindruckt: Du bist dankbar für Entscheidungen, die rückwirkend richtig waren. Umgekehrt gefragt: 

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Ich würde eher mit dem gezielten Schreiben anfangen. Das habe ich erst mit über 30 begonnen. Aber wirklich schlimm ist das auch nicht gewesen.

Neeeee, du kannst ja noch ein paar Jahre schreiben! Oder erst mal deine fertigen Bücher veröffentlichen, ich wäre neugierig. Bringt mich gleich zur letzten Frage:

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Gesundheit für meine Familie.

Das sind weise Worte! Lieber Bruno, ich danke dir von Herzen für dieses wirklich äußerst vergnügliche Gespräch, das ich gerne gelegentlich über Paprika, Star Wars, gute Banker, kluge Zeitreisen und Ordnung im Chaos fortsetzen würde. 

Ich wünsche der “Erntenacht” noch viel Erfolg im weiteren Wettbewerb, vielleicht sprechen wir uns ja, wenn wir euch den Anthologie-Skoutz überreichen. 

as wäre ein Ehre! Abschließend möchte ich hier noch allen Autoren danken, die bei der “Erntenacht” mitgemacht haben. Ich bin nur der Herausgeber und habe nur eine Geschichte beigetragen. Aber es waren 17 tolle Leute, die über 1 ½ Jahre zusammen gearbeitet haben und dieses wirklich tolle Werk ermöglicht haben. Lest ihre Bücher, es lohnt sich. Wenn ihr wissen wollt, wer alles dabei war und wie viel Geld wir bereits gespendet haben, dann könnt ihr das hier (https://augenschelm.de/portfolio-item/erntenacht/) nachlesen.

Dem wollen wir uns nur anschließen! 

Hinweis:   

Mit einer Sammlung alter Geschichten, die neu erzählt werden, setzte sich Erntenacht mit seiner Dunklen Folklore gegen über 200 Titeln der Longlist Anthologie durch und wurde von unserer Vorjahresgewinnerin Miriam Schäfer auf die Midlist Anthologie 2020 gewählt. Jetzt werden wir sehen, ob sich die von Bruno E. Thyke selbst über epubli im Oktober 2019 herausgegebene Sammlung im weiteren Wettbewerb gegen die starke Konkurrenz durchsetzen kann.

Wir haben diese wunderschön düstere Sammlung, bei der Ungeheuer noch Ungeheuer sein dürfen, bereits ausführlich besprochen (weiterlesen)

Hier könnt ihr Bruno E. Thyke erreichen: 

  • Augenschelm – Homepage von Bruno E. Thyke
  • @augenschelm auf Twitter (ruht aktuell)

 

Heute konnte ich Alessandra Reß für ein Interview auf meinem Blog gewinnen. Sie ist 26 Jahre alt und lebt in der Nähe von Köln. Nach diversen Szenepublikationen sind 2012 ihre ersten Kurzgeschichten erschienen, 2013 wurde zudem mit „Vor meiner Ewigkeit“ ihr Debütroman bei Art Skript Phantastik veröffentlicht.

Nachdem bereits Mitte 2016 ihre Novelle „Liminale Personae“ (Amrûn Verlag) erschienen ist, folgte Mitte Oktober auch die Printausgabe des Cyberfantasy-Romans „Spielende Götter“. Den findest Du z. B. im Verlagsshop von Ohneohren oder auch über die meisten Buchhandlungen und Online-Shops. Worum geht es dabei? Der Klappentext verrät’s:

„… Lade Interface …

… Willkommen in Holus …

Username: _

Passwort: _

Das Leben ist ein Spiel. Zumindest in Lucies Freizeit. Die junge Frau sieht sich in ihrem Schulalltag mit Mobbing konfrontiert. Doch wie alle anderen Jugendlichen, deren gesellschaftlicher Stand es erlaubt, entflieht sie der Grausamkeit der Realität mit dem regelmäßigen Einloggen in die Simulation Holus.

Virtuelle Menschen kämpfen hier in blutigen Kriegen. Götter verheeren Landstriche aus kunstvoll angeordneten Pixeln. Die Spieler aus der Primärrealität schwingen sich zu Herrschern auf.

Doch wo endet die Wirklichkeit und an welcher Stelle beginnt das Spiel? Gibt es DIE Wirklichkeit überhaupt? Und wird Lucie Antworten auf diese Fragen finden?“

Wenn ihr Alessandra folgen wollt, könnt ihr das auf dem Blog http://fragmentansichten.wordpress.com oder bei twitter.com/FragmentAnsicht.

Interview

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was machst Du, außer zu schreiben?

Vom Schreiben kann ich schon leben, allerdings nicht als freier Schriftsteller. Hauptberuflich arbeite ich als Redakteurin und Autorin für Lehr- und Lernmedien.

2. Wie bist Du dazu gekommen zu schreiben und seit wann schreibst du?

Ich war vermutlich so 6 oder 7 Jahre alt, als ich das erste Mal meiner älteren Schwester nachgeeifert habe, die das Schreiben vor mir entdeckt hatte. Gemeinsam haben wir uns Geschichten für unsere Spielfiguren ausgedacht und sie aufgeschrieben. Das dürfte so der Knackpunkt gewesen sein, aus dem heraus sich dann auch irgendwann die ersten Romane entwickelt haben.

3. Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu veröffentlichten?

Bezogen auf Prosa: Das erste Mal an einen Verlag gewandt habe ich mich mit 16 im Rahmen des damaligen Wolfgang-Hohlbein-Preises. Das war 2006. Aber erst seit meinen ersten Veröffentlichungen 2012 erstelle ich meine Texte mit dem Vorsatz, sie für die Öffentlichkeit zu schreiben. Mit Artikeln und Sachtexten habe ich allerdings etwas früher losgelegt.

4. Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Da ich nicht die erste Schriftstellerin in meiner Familie war – auch was das Veröffentlichen angeht, war meine Schwester schneller als ich ;) – war die Überraschung nicht so groß. Die meisten meiner szeneexternen Freunde können nicht viel anfangen mit dem, was ich schreibe, aber grundsätzlich ist die Haltung in meinem Umfeld auf jeden Fall positiv. Selbst, als ich angekündigt habe, nur noch Teilzeit arbeiten zu wollen, unter anderem um mich stärker auf die Schriftstellerei konzentrieren zu können, hat meine Familie liberal reagiert. Da haben Kollegen schon von anderen Reaktionen erzählt.

5. Ist Verlagspublikation oder Selfpublishing dein Weg?

Verlagspublikation. Selfpublishing reizt mich zwar, aber momentan bin ich ganz froh, nur eine Milchsau zu sein, ohne auch noch Eier legen zu müssen. Davon abgesehen schätze ich die (Klein-)Verlagsszene und deren Vernetzung.

6. Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Anfangs aus praktischen Gründen. Verlage waren (neben Agenturen) bei meinen ersten Schritten eben noch der klassische Weg, Selfpublishing hieß vor allem Eigenverlag. Davon abgesehen brauchte ich die Bestätigung durch einen Verlag als Qualitätsbeweis, nach dem Motto: Wenn ein Unternehmen bereit ist, Geld in mein Werk zu investieren, bin ich offenbar nicht der Einzige, der Potenzial darin sieht. Mit den heutigen Möglichkeiten des Selfpublishings hätte ich vielleicht auch darauf zurückgegriffen, aber rückblickend bin ich dennoch froh, zunächst den Weg über einen Kleinverlag gewählt zu haben. So konnte ich den ganzen Veröffentlichungsprozess Schritt für Schritt kennenlernen und habe einen stärkeren Einblick in die Szene und Branche bekommen.

7. In welchem Genre schreibst Du?

Hauptsächlich Phantastik – Fantasy, Science Fiction, Postapokalypse und übernatürliche Thriller. Gelegentlich habe ich auch Ausflüge in die Gegenwartsliteratur gewagt, aber das vornehmlich bei Kurzgeschichten und deutlich weniger erfolgreich.

8. Wie sieht dein gewöhnlicher Schreibtag von morgens bis abends aus?

Hm, das kann ich nicht richtig verallgemeinern. Theoretisch sind der Freitag und/oder der Samstag meine Hauptschreibtage außerhalb des „Brotjobs“ (je nachdem, wie viel gerade ansteht). Da sehe ich dann zu, nicht allzu lange zu schlafen – was mir meistens eher schwer fällt ;) – und danach zumindest an einem der beiden Tage einen „klassischen“ Arbeitstag einzulegen. Heißt: Circa vier Stunden an den Projekten arbeiten, danach Mittagspause, eventuell einkaufen, im Anschluss wieder circa vier Stunden schreiben. So Bilderbuch-mäßig klappt das aber nicht immer, deshalb sehe ich zu, dass ich mich den äußeren Umständen anpasse. Zum Beispiel bin ich recht viel mit dem Zug unterwegs und wenn ich weiß, dass etwa sonntags eine längere Fahrt ansteht, lege ich meine Schreibzeit darauf. In manchen Wochen lege ich aber auch nach der Arbeit noch Schreibsessions ein, dafür schaffe ich dann am Wochenende ein Kontrastprogramm. Irgendwann habe sogar ich mal genug Buchstaben gesehen und das Bedürfnis, unter Menschen zu gehen ;) Wenn ein Wochenende durch Cons o. ä. geblockt ist, fällt das Schreiben dadurch auch schon einmal aus oder wird auf die Veranstaltung verlegt.

9. Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

An erster Stelle steht natürlich immer die ominöse Inspiration, die sich bei mir aus unterschiedlichsten Quellen speist: Mal sind es Lieder, mal Träume, mal eine Bahnfahrt, ein Uni-Seminar, das Ende einer (eigenen) Kurzgeschichte oder ein Gemälde, aus dem eine erste Idee entsteht. Ist die vorhanden, schlägt bei mir die Stunde der kryptischen Mind-Maps. Wenn möglich, setze ich mich dazu in Garten oder Park und schaue, ob ich nur eine nette Idee habe, oder auch die Basis für eine Handlung. Ist zweiteres der Fall, geht es an die Details und die eigentliche Plotentwicklung, wenngleich sich während des Schreibprozesses erfahrungsgemäß vor allem in den Nebensträngen noch viel tut.

10. Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

Das ist unterschiedlich. Im Durchschnitt plane ich so 16 Stunden „freie“ Schreibzeit ein, aber darunter fallen neben den Buchprojekten auch Artikel und Blogposts. Außerdem gibt es Phasen, in denen ich mir von alldem eine Pause gönne und wiederum andere, in denen ich deutlich über den 16 Stunden liege.

Während meines Studiums habe ich zeitweise täglich vier Stunden mit der Manuskriptarbeit verbracht, aber das lässt sich inzwischen nur noch selten bewerkstelligen.

11. Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Schon während des Schreibprozesses lege ich immer mal Pausen ein, in denen ich das bisher Geschriebene rekapituliere und überarbeite. Im Durchschnitt gibt es drei solcher Phasen, von denen natürlich die ersten Kapitel mehr profitieren, da sie häufiger überarbeitet werden. Danach folgt meist ein erster Komplettdurchgang, ehe die Testleser das Manuskript bekommen. Pro Testleser gibt es dann einen erneuten Überarbeitungsdurchgang und spätestens danach kann ich den Text erst mal nicht mehr sehen :)

12. Wie wichtig ist für Dich die Struktur Deiner Geschichte?

Schwierige Frage. Sie ist auf jeden Fall wichtiger geworden. Bei meinem Debüt „Vor meiner Ewigkeit“ habe ich noch einfach drauf los geschrieben, aber dadurch entspricht der Roman auch nicht den Lesergewohnheiten. Inzwischen plotte ich auf jeden Fall deutlich mehr im Vorhinein und orientiere mich dabei an irgendeiner Form von Struktur, wobei es sich dabei wie in „Liminale Personae“ auch mal um ethnologische Theoreme handeln kann. Will der Verlag vorher ein Exposé sehen, ist ja ohnehin eine gewisse Vorplanung nötig. Es hängt aber auch davon ab, ob für mich jeweils wie bei „Vor meiner Ewigkeit“ und „Liminale Personae“ eher die Idee, oder wie bei „Spielende Götter“ und meinem aktuellen Projekt die Handlung im Vordergrund steht. Bei letzterem lege ich mehr Wert auf eine Durchstrukturierung.

13. Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt weiterempfehlen?

Keines. Ich bin da eher der Forentyp.

14. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben erhalten hast?

Hm … spontan fällt mir dieser ein, der zumindest für Neulinge nicht schlecht ist: Ich habe vor locker zehn Jahren ein Interview mit Stephan R. Bellem gelesen, in dem er meinte, man solle ein Manuskript erst einmal einige Monate liegen lassen, bevor man es überarbeitet. Wenn man anfängt, das Schreiben (und Veröffentlichen) halbwegs regelmäßig zu betreiben, lässt sich das nicht mehr so leicht bewerkstelligen, aber bei „Vor meiner Ewigkeit“ war das wirklich eine sinnvolle Sache. Die erste Version davon war zwar in Ordnung, aber ich denke, das Manuskript hat deutlich dadurch gewonnen, dass ich es Monate später noch einmal neu angefasst und komplett überarbeitet habe.

15. Welche drei Bücher haben dich am meisten inspiriert und warum? 

Oh je, bei solchen Fragen habe ich immer Angst, ein wichtiges Buch zu vergessen. Also, auf jeden Fall muss ich „Der Sohn der Sidhe“ von Kenneth C. Flint nennen, weil mich dieses Buch erst so richtig zur phantastischen Literatur (und zum Interesse für Mythologie) gebracht hat. Außerdem der „dtv Atlas Ethnologie“ – ein Nachschlagewerk, das meiner Meinung nach bei keinem Autoren fehlen sollte, der sich an der Erfindung neuer Gesellschaften versucht. Ich belasse es mal bei diesen beiden, weil ich bei den restlichen Büchern, die mir zu dem Thema einfallen, keines wirklich dem anderen bevorzugen kann.

16. Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Eine Kanne Tee ist schon mal ein guter Anfang. Wenn es später wird, gelegentlich auch mal eher ein Glas Weißwein. Oder, wenn ich an einer Szene hänge, ein Tapetenwechsel – dann geht es mit Notizbuch aus dem Haus in den Park oder ein Café. Überhaupt ist das manuelle Schreiben mein bester Motivator. Am Laptop hänge ich oft oder lasse mich ablenken – im Notizbuch gehen mir auch schwierige Szenen normalerweise leichter von der Hand. Beim Übertragen habe ich dann außerdem gleich eine Überarbeitung inklusive.

17. Was sind Deine besten Tipps, wenn es darum geht Deinen Roman an den Mann zu bringen?

Ich glaube, das hängt immer vom Roman und vom Autor ab. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass eine gewisse Sichtbarkeit der Person wichtig geworden ist. Netter klingt das, wenn man es als Vernetzung bezeichnet. Da denken wiederum die meisten inzwischen an Social Media. Das ist durchaus wichtig, vor allem, um überhaupt mal einen Überblick über Szene und Branche zu bekommen, wenn man den nicht schon auf anderem Wege erhalten hat. Man sollte aber auch vor die Tür gehen – Lesungen halten, Stände auf Conventions anbieten, gerade als Kleinverlagsautor oder Selfpublisher. Ich bin nun wirklich keine Rampensau, habe aber die Erfahrung gemacht, dass man so am ehesten Leser erreicht, denen man noch kein Begriff war. Um mal aus dem relativ eng gefassten Szenebereich herauszukommen, schadet es außerdem nicht, sich über den Tellerrand hinaus zu vernetzen, vor allem im regionalen Bereich. Ich weiß aber auch, dass das nicht immer so einfach ist. An meinem früheren Wohnort habe ich relativ viel Unterstützung von regionalen Kulturvereinen oder Zeitungen bekommen. Wo ich jetzt wohne, ist das Interesse leider viel geringer. Wahrscheinlich sind die Leute hier im Ballungsgebiet von NRW zu übersättigt, es gibt viel Konkurrenz.

18. Mit welchem Romanhelden möchtest Du gerne einen Tag verbringen?

Nur einen?! Tom Inara aus „Die erste Nacht“ wäre glaube ich ein interessanter Gesprächspartner. Ich hätte allerdings wenig Interesse, ihn beim Zombie-Slashen zu begleiten. Schon aus nostalgischen Gründen wäre auch Fergus MacRogh aus „Der Sohn der Sidhe“ eine gute Option, oder Tiffany Weh aus den Scheibenwelt-Büchern. Ich schätze, mit Tiffany wäre ich am ehesten auf einer Wellenlänge. Geht es um selbst erschaffene Figuren, wären wahrscheinlich Alestyr oder Anpharis am angenehmsten. Eher Anpharis, da ich für ihn kein Futter darstelle.

19. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir einen Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu tun haben. Was wünschst du dir?

„Es muss etwas mit Büchern zu tun haben“ gibt einem ja noch recht viel Spielraum :D Die Fähigkeit, Buchfiguren lebendig machen zu können, wäre natürlich eine sehr ordentliche Sache. Aber wer weiß, was ich da alles in die Welt setzen würde o.O Die weniger gefährliche Option wäre, die Fähigkeit verliehen zu bekommen, Buchszenen visuell so illustrieren zu können, dass es andere als gelungen empfinden. Ich finde es wirklich schade, nicht besonders gut zeichnen zu können.

20. Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

Kreativität, Geduld, Empathie, Talent (kaum zu glauben!) und ein bisschen Durchsetzungsvermögen. Gerade letzteres lässt sich aber auch trainieren. Inzwischen gehe ich an Vertragsverhandlungen schon deutlich selbstsicherer heran als noch beim ersten Roman.

21. Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat?

Probier dich aus. Die wenigsten Leute veröffentlichen direkt das erste Manuskript, und das ist meistens auch ganz gut so. Schreiben braucht Training. Nimm dir die Zeit für Fehler und Entwicklung und lass dich auch nicht entmutigen, wenn es mit dem ersten Text nicht gleich bei Agenturen oder Verlagen klappt.

22. Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Öh. Bin mir nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstehe. Zunächst lasse ich den Text entscheiden, welche Zielgruppe er braucht. Hab ich sie gefunden, versuche ich an ihren Orten eine gewisse Sichtbarkeit zu bekommen.

23. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen dabei?

Mein Kontrapunkt zum Schreiben besteht oft im Schreiben – wenn ich die Schnauze voll von einem Manuskript habe, schreibe ich einen Artikel oder überlege, wen ich interviewen könnte. Im letzten Jahr, seit ich angefangen habe zu arbeiten, ist dieses Konzept aber zugegebenermaßen an seine Grenzen gestoßen. Deshalb gehe ich oft abends erst einmal eine Runde spazieren oder zum Sport. Manchmal male ich auch oder spiele mit Game-Editoren herum. Außerdem fahre ich am Wochenende häufig zu meiner Familie oder nach Koblenz, wo ich studiert habe. Dann lege ich zwar auch ein paar Schreibrunden ein, aber es hat trotzdem etwas von einem kleinen Urlaub.

24. Wie viel der Zeit, die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel ist eher Quälerei?

Noch vor anderthalb Jahren hätte ich geantwortet, dass die Schreibarbeit 100 % Spaß bedeutet. Mit der Professionalisierung und der Redaktionsarbeit hat sich auch das etwas geändert (boah, fühle ich mich gerade alt ;)). Es gibt immer mal Phasen, in denen ich gerne eine „kreative Auszeit“ hätte oder frustriert bin. Da die pro-Schreibphasen überwiegen, würde ich aber immer noch von so 70 %-Schreibspaß sprechen ;) Mehr, wenn man Conventions und Ähnliches dazu zählt, weniger, wenn man strukturierte Social Media-Arbeit darunter fasst.

25. An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Aktuell an 2 1/2 – eines ist im Schreibprozess, bei einem arbeite ich an den Druckfahnen, beim dritten fange ich langsam mit der Grobplanung an. Mit der Planung von neuen Projekten fange ich aber erst an, wenn sich ein anderes auf der Zielgeraden bewegt. Ausgenommen Novellen, Kurzgeschichten oder Auftragsarbeiten, die dürfen sich schon mal dazwischen schieben.

26. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im Bezug auf das Schreiben?

Ich habe es mir zum Glück abgewöhnt, einen Text aufzugeben, sobald die ersten Schwierigkeiten auftauchen. Wenn man merkt, dass eine Handlung überhaupt nicht mehr funktioniert, sollte man sich meiner Meinung nach zwar nicht unnötig an ihr festbeißen und es ruhig wagen, z. B. noch einmal von vorne anzufangen. Aber wenn man bei den ersten Hürden aufgibt, kommt man nie zu einem Ende. Außerdem wirken sich gelöste Probleme erfahrungsgemäß positiv auf Plotentwicklung und Spannung aus.

Eigentlich finde ich es auch gut, dass ich mich von aktuellen Trends nicht besonders beeinflussen lasse. Indirekt kommt das zwar schon vor – beispielsweise konnte ich dem Dystopientrend durchaus was abgewinnen und warum sollte ich dann nichts in der Richtung schreiben, wenn es ohnehin meinen Gewohnheiten entgegenkommt? Aber solange ich es mir leisten kann, halte ich mich z. B. von Romantasy fern, auch wenn das angeblich eine super Chance für weibliche Autorinnen sein soll. Einmal habe ich versucht, eine Romantasy-Novelle für eine Ausschreibung zu schreiben, aber das Beste daran war der Arbeitstitel.

Davon abgesehen halte ich mich für relativ lernfähig. Wenn mir in einem Lektorat etwas gesagt wird, was stilistisch gar nicht geht, versuche ich das in Zukunft auch zu berücksichtigen. Ein Beispiel ist etwa die Verwendung von „dass“-Konstruktionen. Davon hatte ich am Anfang viel zu viele, inzwischen habe ich mir das abgewöhnt. Außerdem haben sich meine Figuren verschiedene Sprachstile angeeignet.

27. Wie stehst du zu den Begriffen Autor, Schriftsteller, Hobbyautor?

Den Schriftsteller verbinde ich stärker mit Büchern, vor allem mit Prosa. Der Autor ist für mich eher ein Verfasser von Texten aller längeren Art. Zum Beispiel werde ich auch in meinem „Brotjob“ oft als Autor bezeichnet, aber ich fände es seltsam, dort als Schriftsteller angesehen zu werden. In der Praxis nehme ich da aber trotzdem nicht so eine genaue Trennung vor.

Mit dem Begriff „Hobbyautor“ habe ich so meine Probleme, weil er so unscharf ist. Woran will man die Linie zwischen Hobby und Professionalisierung festmachen? An einer Veröffentlichung? Am Finanzamt? An der Art der Veröffentlichung? Der Regelmäßigkeit? Heute würde ich mich auf jeden Fall nicht mehr als Hobbyautor bezeichnen, aber ich weiß nicht, wann ich die „Grenze“ überschritten habe.

28. Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

Der Buchmarkt ist ein Sammelsurium an Kategorien, Szenen und Nischen. Ich würde das gar nicht komplett auflösen wollen, das wäre auch völlig unrealistisch. Aber es wäre doch nett, gewisse Vorteile und Gewohnheiten durchbrechen zu können, sowohl außerhalb als auch innerhalb von Genres. Allerdings liegen davor oft nicht nur brancheninterne, sondern auch soziale Hindernisse.

29. Zum Schluss was Handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge, Coverdesigner, Lektoren und Korrektoren kannst du aus deiner bisherigen Arbeit empfehlen?

Ich hatte bislang zweimal Marion Lembke als Lektorin – einmal bei einer Kurzgeschichte und einmal bei meinem Debütroman. Beide Lektorate haben zu meinen besten im Sinne von lehrreichsten gehört. Sie hat einen besonderen Blick sowohl für inhaltliche Details als auch für grammatikalische Unsauberkeiten, die längst nicht jedem in ihrem Metier auffallen.

Was Coverdesigner angeht – nun, Grit Richter und Mark Freier sind Namen, die man sich durchaus merken kann :)

Liebe Alessandra, ich danke Dir für Deine tollen ausführlichen Antworten!

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Und danke an alle, die mir einen Kaffee spendiert haben, ihr seid toll.

Hallo liebe Leser,

das Beste vor dem Feste. So sagt man. Ich hatte 2016 eine Reihe toller Autoreninterviews und möchte niemanden besonders hervorheben, da alle mit denen ich gesprochen habe tolle Künstler (kann man das sagen?) und tolle Menschen sind.

Das letzte Interview 2016 gehört einer jungen Autorin aus dem Sauerland, die bereit zwei Krimis bei MIDNIGHT untergebracht hat.

Mareike Albracht wurde 1982 im Sauerland geboren. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Ihren aktuellen Krimi DORNENTOD findest Du auf allen gängigen Plattformen als e-Book. Er spielt im Umfeld der forensischen Psychiatrie.

Ihr könnt Mareike auf Twitter, Facebook und Google+ folgen. Ihre Amazonseite findet ihr hier.

Von Mareike sind bisher erschienen:

Katz und Mord – ein Sauerlandkrimi. Viereinhalb Sterne (!!) bei Amazon bei 51(!) Rezensionen.

Dornentod – der zweite Fall für Anne Kirsch: Viereinhalb Sterne (!!) bei Amazon bei 24 Rezensionen.

Viel Spaß beim lesen.

Autoreninterview

Erster Teil – Über Dich

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was
machst Du, außer zu schreiben?

Nein. Zum Glück habe ich meinen Mann, der für die Familie im Moment das Geld verdient. Ich selbst bin noch in Elternzeit.

2. Wie bist Du dazu gekommen zu schreiben und seit wann schreibst du?

Ich hatte als Kind Angst, dass mir irgendwann die guten Bücher ausgehen. Diese einfach selbst zu schreiben, war der nächste logische Schritt.

3. Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu veröffentlichten?

Mit 15 habe ich einem Fantasyroman angefangen, den ich mit 25 beendete. Er enthielt alles, was sich in 10 Jahren bei mir angesammelt hatte und war deshalb auch nicht gut. Ich habe ihn nicht veröffentlicht, aber er liegt bei mir in der Schublade und vielleicht werde ich die Geschichte eines Tages noch retten können.

4. Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Als mein erster Krimi veröffentlicht wurde, hat es viele gewundert, aber mittlerweile haben sie sich daran gewöhnt.

5. In welchem Genre schreibst Du?

Kriminalromane mit Bezug zum Sauerland

Zweiter Teil: Publikation und Marketing

6. Ist Verlagspublikation oder Self-Publishing dein Weg?

Meine beiden Krimis sind im Verlag Midnight by Ullstein erschienen.

7. Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Ich brauche einfach die Profis, die hinter mir stehen und die Gewissheit, dass sie mich nicht genommen hätten, wenn meine Geschichten nicht gut wären. Ich ziehe den Hut vor jedem, der sich traut, ganz allein zu veröffentlichen. Dieses Selbstbewusstsein hätte ich nicht gehabt.

8. Wie lange musstest Du warten, bis ein Verlag ein Manuskript von Dir genommen hat?

Drei Monate.

9. Was sind Deine besten Tipps, um auf einen Roman aufmerksam zu machen?

Mach dich als Person interessant, und sei freundlich zu anderen. Ich lese auch selbst gerne Bücher von Menschen, die ich mag.

10. Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Über die lokalen Zeitungen und im Netz

Teil 3: Gewohnheiten

11. Wie sieht sein gewöhnlicher Schreibtag von morgens bis abends aus? 

Ich schreibe morgens, wenn die Kinder im Kindergarten bzw. in der Schule sind. Wenn ich genug Energie habe, auch abends, was meist aber nicht der Fall ist.

12. Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

Ich brauche zuerst ein Thema, das mich fasziniert. Oder einen Charakter. Darum herum baue ich die Geschichte auf. Leider schaffe ich es nicht, exakt zu plotten. Oft kommen mir die Ideen erst, wenn ich mitten drin stecke und dann muss ich vieles wieder ändern.

13. 3-Akte, 5-Akte, 8 Sequenzen. Wie strukturierst Du Deine Geschichte?

5-Akt Struktur.

14. Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

10-12 Stunden die Woche schätze ich.

15. Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Mindestens 2 mal während des Schreibens. 1 mal vorm Testlesen, 1 mal nach dem Testlesen, 1 mal im inhaltlichen Lektorat und dann noch 1 mal beim stilistischen Lektorat und Korrektorat.

16. Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Ich liebe es einfach!

17. An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Eins nach dem anderen, weil ich da kopfmäßig immer total drin stecke.

18. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im Bezug auf das Schreiben?

Man muss regelmäßig schreiben. Man sollte nicht dauernd dabei essen und auch nicht zu viel Kaffee trinken, sonst rennt man ständig aufs Klo

19. Wie viel der Zeit die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel ist eher harte Arbeit?

Es gibt auch Szenen, die mir schwerer fallen, aber das ist zum Glück eher die Ausnahme.

Teil 4: Inspirationen

20. Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt weiterempfehlen?

„Spannung“ von Hans-Peter Roentgen

21. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben erhalten hast?

Mit hat die Vorstellung, szenisch zu schreiben, ungemein geholfen. Also wirklich nur kurze Szenen, in den etwas passiert und alles Unwichtige weglassen.

22. Welche drei Romane haben dich am meisten inspiriert und warum?

Bücher kann ich jetzt gar nicht konkret nennen, dafür lese ich einfach zu viele. Aber bei Elisabeth George habe ich mir gedacht: Diese abgründigen Verwicklungen der Charaktere, das will ich auch können!

23. Mit welchem Romanhelden möchtest Du gerne einen Tag verbringen?

Ich würde mich wirklich gerne mit Anne Kirsch treffen. Sie fasziniert mich und ich habe das Gefühl es gibt Seiten an ihr, die ich noch nicht kenne.

Fünfter Teil: Organisation und Persönlichkeit

24. Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

Er muss Geduld haben. Geduld, Geduld, Geduld und Geduld.

25. Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat?

Wenn er es wirklich will, soll er immer bereit sein, dazuzulernen und einfach niemals aufgeben.

26. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen dabei?

Man muss auf sich selbst hören und das seinlassen, was einem nicht gut tut.

Teil 6: Ausblicke und Einblicke

27. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir einen Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu tun haben. Was wünschst du dir?

Ich wünsche mir, ein Buch zu schreiben, das den Leser nicht mehr loslässt. Über das er nachgrübelt und von dem er träumt.

28. Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

Beim eBookmarkt sind die Piratenseiten ärgerlich. Auch wenn das eBook nur eine Datei ist, steckt da sehr viel Zeit und Arbeit drin. Das sollte dem Leser auch das kleine Geld dafür wert sein.

29. Zum Schluss was Handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge, Coverdesigner, Lektoren und Korrektoren kannst du aus deiner bisherigen Arbeit empfehlen?

Ich bin sehr zufrieden mit den Designern, Lektoren und Korrektoren von Midnight. Mit Selbstständigen hab ich noch keine Erfahrungen gemacht.

 

Liebe Mareike, vielen Dank, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast. Ich freue mich schon auf weitere Bücher von Dir.

Alle bisherigen Interviews von Augenschelm fragt findest Du hier.

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Hier findest Du die Liste aller bisher geführten Autoreninterviews.

Staffel 1

26.07.2016 Augenschelm fragt: Elyseo da Silva

08.08.2016 Augenschelm fragt: Marcus Johanus

26.08.2016 Augenschelm fragt: Nike Leonhardt

09.09.2016 Augenschelm fragt: Markus Heitz

12.10.2016 Augenschelm fragt: Michaela Stadelmann

25.10.2016 Augenschelm fragt: Axel Hollmann

15.11.2016 Augenschelm fragt: Tanja Hanika

25.11.2016 Augenschelm fragt: Zoë Beck

23.12.2016 Augenschelm fragt: Mareike Albracht

26.01.2017 Augenschelm fragt: Sonea von Delvon

08.03.2017 Augenschelm fragt: Alessandra Reß

30.03.2017 Augenschelm fragt: Nina C. Hasse

24.04.2017 Augenschelm fragt: Benjamin Spang

18.05.2017 Augenschelm fragt: Anja Kiel

31.05.2017 Augenschelm fragt: Sebastian Fitzek