„Magie muss man nicht erklären. Magie passiert, darum heißt sie ja Magie.“
Wer Fantasy schreibt, kommt in der Regel um das Thema Magie nicht herum. Seit J.R.R. Tolkien den Herrn der Ringe schrieb, ist Magie ein ebenso fester Bestandteil des Genres wie eigene Weltkarten, Sprachen oder Völker.
Es ist der sanfte Zauber des Unbekannten, das Mythische.
Dass Wesen und Menschen Dinge tun können, die normale Menschen nicht tun können.
Das Wort Magie leitet sich von dem griechischen Wort „Magoi“ ab, was ursprünglich einen Stamm in Norden Irans bezeichnete, der für die Vielzahl an weisen Personen (i.e. Männern) bekannt war. Der Philosoph Tomaso Companella definierte Magie lediglich als eine Vorstufe der „normalen Wissenschaft“, also eine Art Dinge zu erklären, was man erlebt und sieht, aber (noch) nicht logisch erklären kann.
Aus diesem Grund ist Magie, ähnlichen den Religionen, mit fortschreitendem Wissen aus unserem Alltag verdrängt worden. Wo Blitze früher Magie der Götter waren, sind sie heute erklärbar.
Es führt also dazu, dass „verstandene“ Magie nicht mehr als solche, sondern als Wissenschaft verstanden wird. Ergo müsste ich mich als Autor davor hüten, meine Magie in irgendeiner Form zu erklären, wenn ich sie nicht ihrer Wirkung berauben will.
So hat Tolkien es in seinem Hauptwerk gehalten. Die Magie der Istari wird nicht erklärt. Ebensowenig erklärt J.K. Rowling wie GENAU ihre Zaubersprüche funktionieren. Sie funktionieren halt innerhalb ihrer magischen Welt.
Es gibt aber auch Autoren die das anders sehen.
Brandon Sanderson ist bekannt dafür, in seinen Romanen ausgeklügelte Magiesysteme zu entwerfen, die einen großen Reiz seiner Romane ausmachen. Mir ist vor allem die „Allomantie“ im Gedächtnis geblieben, die Magie der „Kinder des Nebels (org: Mistborn)“ Reihe.
Sanderson schlägt dabei aus meiner Sicht einen Bogen zwischen Magie und Science Fiction, die letztlich auch nur die Magie des durch Technologie Möglichen ist. Sie muss dabei auch keinesfalls logisch oder falsifizierbar sein, sie muss lediglich in dem in sich geschlossenen Systems des Romans konsistent sein.
Was mir bei Sanderson gefällt und seine Art Magie zu schreiben für mich interessant macht: Er verwendet sie als ein Mittel der Dramaturgie. Sie macht Dinge nicht einfacher für die Protagonisten, sondern schwerer.
Wie das? Nun, Brandon Sanderson hat über den Lauf von Jahren die „Sanderson´s Laws of Magic“ entwickelt, die ich nun im Folgenden vorstellen möchte. Die original Posts findet ihr ganz am Ende dieses Beitrags als Link.
Sanderson´s First Law
Sanderson’s First Law of Magics: An author’s ability to solve conflict with magic is DIRECTLY PROPORTIONAL to how well the reader understands said magic.
Als Sanderson das erste Mal mit anderen Autoren darüber sprach, dass in seinen Augen zwei Regeln elementar für Magie seien, wurden ihm direkt die oben aufgeführten Zweifel entgegen gebracht. Magie zu erklären führt dazu, dass Du das „Zauberhafte“ und „wunderartige“ Deiner Magie nimmst.
Der Lektor John Campell sah genau hier die Schwäche der Fantasy gegenüber der Science Fiction. Fantasy fehle die konsistente Logik. Das Risiko einer Deus ex Machina sei zu groß und der Leser könne ständig in Situationen geworfen werden, aus denen der Held mit Hilfe einer Magie entkommt, die der Leser nicht nachvollziehen könne.
Natürlich ist das ein Einfwurf aus den Anfängen der Fantasy, denn man hat dazu gelernt. Dennoch, wer seine eigene Magie nicht kennt, läuft Gefahr hier den Leser zu verprellen.
Sanderson ist sich aber bewusst, dass seine Art Magie zu schreiben nicht das Non plus Ultra ist, schließlich sind der Herr der Ringe und eben Harry Potter auch ohne das Welterfolge geworden.
Darum unterteilt er Magie in mehrere Typen:
- Soft Magic
Als Beispiel für Soft Magic nimmt er den Herrn der Ringe. Tolkien erklärt seine Magie nicht. Der Leser identifiziert sich jedoch in erster Linie nicht mit Gandalf, sondern mit den Hobbits. Die Undurchsichtigkeit der Magie macht die Welt dadurch weiter, undurchdringbarer, schwerer zu verstehen. So wie sie auch für die Hobbits ist.
Entscheident auf dieser Seite der Magie, die möglichst wenig Regeln und Einblicke in das „Wie es funktioniert“ offenbart, ist, dass die Magie so selten wie möglich dazu genutzt wird, um Probleme zu lösen. Was hingegen gut funktioniert ist, dass Magie Probleme verursacht, welche die Protagonisten dann auf ihre Weise und mit ihren Fähigkeiten lösen (vgl. Lied von Eis und Feuer).
Es gibt einen Grund, wieso Gandalf Frodo nicht zum Schreckensberg fliegt und ihn dort abwirft, oder wieso er nicht gleich den Ring an sich nimmt.
Diese Regel verhält sich gleich der Regel, dass Zufälle nach Möglichkeit niemals ein Problem eines Protagonisten lösen sollten, wohl aber Probleme bereiten können.
Je weniger Du also von Deiner Magie preisgibst, desto weniger sollte sie ein Rolle bei der Lösung von Konflikten spielen, oder
An author’s ability to solve conflict with magic is DIRECTLY PROPORTIONAL to how well the reader understands said magic.
Wenn es eine Seite gibt, dann gibt es natürlich auch eine andere Seite
- Hard Magic
Bei dieser Art Magie zu entwickeln beschreibt der Autor exakt, wie seine Magie funktioniert. Das ermöglicht dem Leser, mit den Magiern mitzufühlen, die Fähigkeiten zu entdecken und klevere Twists und Wendungen zu entwickeln.
Die Leser und der Autor verstehen wie die Magie funktioniert, was sie kann und was sie nicht kann. Daher kann sie verwendet werden, um Probleme zu überwinden. Neben Erfahrungen und cleveren Gedanken, wird auch die Magie ein legitimes Mittel für die Figur, um Probleme zu lösen.
Sanderson sieht Isaac Asimovs Robot Serien auf dieser Seite der Magie. Ich habe die Bücher nicht gelesen, kann deswegen zu dieser Einschätzung nichts sagen.
Sanderson betont, dass diese Art Magie in keinem Fall den Gesetzen der Wissenschaft folgen muss oder das genau erklärt werden muss, wieso die Figuren Magie nutzen können. Es gehe ihm nur das Verständnis der Leser, was diese Magie zu tun in der Lage ist.
Aus diesem Grund definiert er die meisten Superhelfenfähigkeiten als „Hard Magic“, da zwar deren Entstehung oftmals abenteuerlich ist, aber das was der Held kann oder nicht kann sehr klaren Vorgaben folgt.
- The middle Ground
Wo es ein links und ein rechts gibt, gibt es auch ein dazwischen. Sanderson sieht Harry Potter in dieser Ebene. Jedes der Bücher bietet gewisse Grundlage an Regeln und Gesetzen, was bei der Magie geht und was nicht und sie werden in den Büchern genutzt, um beim Klimax der Geschichten hilfreich zu sein.
Nichtsdestotrotz, so Sanderson, ist es unmöglich das System als Ganzes zu verstehen. Teilweise widersprechen sich die Fähigkeiten, es werden neue Regeln mit jedem Buch ergänzt und Figuren vergessen Fähigkeiten, die sie einem anderen Teil noch benutzt haben.
Sanderson selbst sieht sich bei 80% der „Hard Magic“, was noch genügend Platz für Rätsel lässt, aber den Leser so gut mitnimmt, dass Magie ein probates Mittel zur Lösung von Konflikten ist.
Zusammenfassend kann man sagen:
Jede Form der Magie ist gut und gerechtfertigt. Achte lediglich darauf, wie Du die Magie in Deiner Geschichte verwendest und widerstehe der Versuchung, Dinge mit Magie zu lösen, wenn Du nicht vorher im Buch irgendwo dafür die Grundlage gelegt hast (Plants and Payoffs). Vermeide es, dem Helden neue Fähigkeiten hinzuzufügen, nur weil es gerade für die Situation hilfreich ist.
Wenn Du am harten Ende des Skala unterwegs bist, frage Dich stets „wie kann der Charakter das, was er bereits hat, verwenden, um Herr der Lage zu werden“, ohne etwas Neues hinzuzufügen.
Sanderson´s Second Law
Limitations > Powers
Das Second Law ist für mich das noch Wichtigere. Am zweiten Gesetz merkt man, dass Sanderson Schreiben studiert hat und nach Wegen für Dramaturgie sucht. Folglich schaut er nicht als erstes drauf, was Magie alles kann, sondern welche Basis für Konflikte Magie bietet. Was kann die Magie eigentlich nicht?
Deswegen handelt der Herr der Ringe auch nicht von Gandalf und seinen unglaublichen Fähigkeiten, sondern von den Hobbits, den schwächsten und unfähigsten Figuren des gesamten Werks.
Wenn also ein Magiesystem enwickelte wird (und es ist nahezu unmöglich etwas zu entwickeln, was es nicht bereits gibt), ist es wichtig auf die Grenzen, die Kosten und die Schwächen der Magie zu achten.
So sind in dem von Robert Jordan erdachten System beispielsweise die Kosten, dass man zwar Magie nutzen kann, diese einen aber bei jeder Benutzung in den Wahnsinn treibt.
Ich habe im Feuerträger ein System entwickelt, das den Wirkenden maximal wenigen Sekunden seiner Fähigkeit nutzen lässt und ihn so erschöpft zurück lässt, als wäre er einen Marathon gelaufen. Dadurch sind die Cavarii (oder Magier) durch jeden Normalsterblichen zu besiegen, was bei meinem Worldbuilding ein Checks-and-Balances System zur Folge hatte. Zudem gibt es noch eine Reihe weiterer Beschränkungen und Schwächen, die ich aber noch nicht ausführen möchte :-)
In der Mistborn Trilogie können die Magier Telekinese, aber mit der Einschränkung, dass sie etwas nur wegdrücken oder zu sich ziehen können und das es aus Metall sein muss. Ein schweres Objekt drückt dich weg, ein leichtes wird von dir weggedrückt.
Das zwingt die Charaktere dazu, härter für ihre Ziele arbeiten zu müssen.
Die drei Schwerpunkte unterteilt er wie folgt:
Limitations (Grenzen): Was die Magie ganz simple nicht tun kann.
Supermann kann beispielsweise nicht druch Blei sehen. Spiderman kann nicht fliegen. David Eddings Magiesystem erlaubt nahezu alles, aber mit der Grenzen, dass nichts was jemals getan wurde wieder rückgängig gemacht werden kann.
Widerstehe dem Drang, Limitationen aufzuheben, weil du dadurch ein Problem leichter lösen kannst.
Weaknesses (Schwächen): Anders als das simple „was die Magie nicht kann“, sind Schwächen innerhalb der Magie verankert. Dinge, welche die Magie „verletzlich“ machen.
Zum Beispiel Kryptonit, das Superman sämtlicher Macht beraubt.
So ist es keine Schwäche, wenn Dein Magier 100 Meter in die Luft springen kann, aber nicht 200. Das sind lediglich die Grenzen. Eine Schwäche wäre es, wenn er dafür während des Sprungs keine seiner anderen Fähigkeiten nutzen könnte oder leuchtet wie ein Weihnachtsbaum.
Sanderson warnt jedoch, dass die „Wegnahme sämtlicher Fähigkeiten“ in gewisser Weise zu einem Cliché geworden ist, dem mit Vorsicht zu begegnen ist.
Kosten (Costs)
Der eine Ring macht dich unsichtbar, aber die dunklen Mächte sehen wo du bist und das Tragen des Rings macht dich nach und nach Paranoid.
Wenn Du kein Spice mehr hast, bist Du nicht mehr in der Lage mit Lichtgeschwindigkeit zu fliegen.
Du kannst Magie nutzen, wirst aber verrückt dadurch.
That´s it.
Sanderson´s third Law:
Expand what you already have before you add something new.
Autoren, die Jahre damit verbracht haben Worldbuilding zu betreiben, laufen Gefahr in ihren Romanen zu viel langweilige Exposition zu vermitteln. Sie haben zwar das Worldbuilding perfektioniert, nicht aber jahrelang ihre Schreibfähigkeiten trainiert.
Worldbuilding ist ein unbestreitbar elementarer Teil der Fantasyliteratur, aber genau so ist es mit dem Plotten, dem Entwickeln von Figuren und der simplen Fähigkeit zu Schreiben.
Sanderson outet sich als großer Fan des Worldbuildings und um dieser Worldbuilders Disease entgegen zu treten, hat er das dritte Gesetz entwickelt.
Oftmals entstehen die besten Geschichten, wenn man etwas Bekanntes nimmt (eine frustrierte Schülerin, die ins Niemandsland zieht und auf eine Schule muss etwa) und etwas Neues dazu tut (Vampire die glitzern).
Entschuldigt dieses Beispiel, es gibt natürlich unzählige glitzerfreie (Kick Ass, Pulp Fiction, Django Unchained, Casino Royale etc etc).
Als Gegenbeispiele kann man den Trend des „Je mehr, desto besser“ nehmen, dem viele Superhelden Filme zum Opfer fallen nach gewisser Zeit (Spiderman 3, Civil War, X-Men Apocalypse).
Also prüfe einfach, welche Auswirkungen kleine Änderungen in Deiner Welt haben. Sanderson nennt das Extrapolation, also die „was wäre wenn“ Frage (die ich mir am Anfang jeder Storie stelle).
Was wäre wenn ein Magier aus Luft Essen herstellen könnte und dadurch riesige Armeen ständig mit Nahrung versorgen könnte, egal wo sie wären?
Verbinde Kräfte, Kulturen und Themen die du bereits entwickelt hast, prüfe wie sich Magie ergänzen würde. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, auf dem bestehenden Aufzubauen, ohne jedesmal voll in das Worldbuilding einzusteigen und die ersten Jahre jedes Buchs damit zu verbringen. Interessant sind in diesem Kontext auch Fanfictions, die auf bestehenden Systemen aufbauen, aber je nach ihrer eigenen Art Erweiterungen in dem System fortführen.
Die Originalbeiträge findet ihr hier, ich muss nicht erwähnen das ich es empfehle, die zu lesen.
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