Beiträge rund um das Autorenleben. Alltägliche Probleme, Hindernisse, Erlebnisse. Unternehmungen und dergleichen.

Manchmal braucht es seine Zeit, bis wirklich relevante Neuigkeiten den Weg auf meinen Blog finden. Die wohl relevanteste Neuigkeit des letzten Jahres im Bezug auf mein Autorenleben war, dass wir tatsächlich den SKOUTZ AWARD 2020 als beste Anthologie gewonnen haben.

Die ERNTENACHT hat zusammen mit „THE A FILES“ ein Kopf an Kopf Rennen veranstaltet – und weil beide Anthologien genau exakt gleich viele Stimmen bekamen, gab es ein Novum – nämlich zwei Preisträger.

Wir danken allen, die für uns abgestimmt haben. Da war WIRKLICH jede Stimme wertvoll und wichtig. Nun sind wir preisgekrönt, auch wenn die Vergabe wegen unserer Freundin Corona leider nicht auf der Frankfurter Buchmesse stattfinden konnte. Nichtsdestotrotz werden wir tatsächlich immer wieder nach neuem Lesestoff gefragt und da haben wir gute Nachrichten. Die Nachfolgeantholgie NACHTMEER ist nahezu fertig. Der Buchsatz muss noch gemacht werden und dann geht es los. Wir sind gespannt.

Bitte stimme bis zum 10.10.2020 für unsere Anthologie ab!

Vielleicht spielst Du mit dem Gedanken, einmal bei einer Anthologie oder Kurzgeschichtensammlung mitzumachen oder sogar selbst eine herauszugeben. Wenn Du bist wie ich, dann begegnest Du solchen Projekten womöglich erst einmal mit einer gesunden Portion Skepsis. Ich konnte mir Jahre lang nicht vorstellen, mit Kurzgeschichten zu arbeiten, weil es für mich eben keine richtigen Romane waren.

Ich wurde eines Besseren belehrt. Wie ich festgestellt habe, bietet eine Kurzgeschichtensammlung eine Vielzahl von Vorteilen, darüber möchte ich heute erzählen.

Vorteile für wenig erfahrene Autoren

Kurzgeschichten sind deutlich schneller geschrieben, als Romane. In meinen Fällen haben sie zwischen 5.000 (Blutlese) und 7.000 (die letzte Fahrt) Wörter. Das ist nicht wenig, aber eine Geschichte in der Größenordnung bekomme ich mit meinem überschaubaren Zeitbudget in etwa einer Woche geschrieben, die Überarbeitung außen vor. Da es bei einer Anthologie im Regelfall genügt, eine Kurzgeschichte beizusteuern, kommt man also mit überschaubarem Zeiteinsatz zu einer Veröffentlichung.

Für mich ganz persönlich war das ziemlich entscheidend. Ich habe bereits drei Jahre an meiner ersten Romanidee gearbeitet, die dabei so sehr abgewandelt wurde, dass ich im Prinzip zwei komplett eigenständige Geschichten schrieb. Nach Fertigstellung des Dunkelbringers gefiel mir nicht, was auf dem Papier stand. Ich nahm Abstand davon, die Geschichte weiter zu entwickeln und schob meinen ersten fertiggestellten Roman in die Schublade. Insgesamt habe ich über 250.000 Wörter zu Papier gebracht und wieder verworfen.

Meine Nachfolgegeschichte unter dem Arbeitstitel Helden steckt irgendwo zwischen Akt 2 und 3 fest und lag nun beinahe ein Jahr unberührt herum. Für mich waren die Veröffentlichungen der Kurzgeschichten ein Motivationsschub. Am Ende hält man ein Buch in Händen. Es gibt Feedback, Testleserunden. Kurzum, die Feedbackschleifen für das, was man tut, sind erheblich kürzer. Mir hilft das wahnsinnig, meine Motivation für die längeren Projekte aufrecht zu erhalten.

Für erfahrene Autoren, die bereits mehrere Bücher veröffentlicht haben, mag dieser Punkt nicht relevant sein. Für mich schon. Es bedeutet für mich, dass ich schon heute etwas veröffentlicht habe, das man kaufen und in der Hand halten kann. Auch in meinem Umfeld hat das zu einer erheblich verändert Wahrnehmung meines „Hobbys“ geführt. Erntenacht und Schmerzlos sind zwei professionelle Anthologien, die gut aussehen und insgesamt ein hervorragendes Niveau aufweisen.

Motivation, schnelleres Feedback und schnellere Veröffentlichungen sind aber nur ein Teil. Speziell im Fall der Erntenacht, wo ich Herausgeber war, musste ich mich erstmals mit dem Thema Selfpublishing intensiv auseinander setzen. Dafür weiß ich jetzt, wie man bei Amazon und ePubli Bücher einstellt, welche Anforderungen man an ein Cover haben sollte und wie viel man mit so einer Anthologie verdienen kann. Darüber hinaus habe ich nun eine eigene Autor-Page bei Amazon, eine weitere Einzahlung in das Thema Reputation und Wahrnehmung.

Wenn Dich interessiert, was wir mit der Erntenacht so verdienen: Auf meiner Buchseite steht, wie viel wir gespendet haben. Da wir alle Einnahmen spenden, entspricht das auch dem, was wir mit dem Buch verdient haben. Ein paar Euros kommen immer hinzu, weil ich erst sammle, bevor ich die nächste Spende vollziehe.

Weitere Vorteile

Das alles sind Vorteile, die vor allem für Autoren mit wenig Erfahrung beim Veröffentlichen interessant sind. Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere Dinge, die interessant sind:

  • Du arbeitest mit anderen zusammen, lernst von ihren Erfahrungen
  • Du knöpfst Kontakte, zum Beispiel zu Lektoren und Illustratoren
  • Dadurch lernst Du den Wert eines Lektorats / Korrektorats richtig einzuschätzen
  • Du lernst mit Deadlines umzugehen, die nicht nur von Dir selbst gesetzt sind
  • Du knüpfst Kontakt zu Buchbloggern
  • Es ist deutlich günstiger, als alleine ein Buch herauszubringen
  • Viele unterschiedliche Kompetenzen ermöglichen oftmals ein hohes Niveau. Bei der Erntenacht hatten wir alles in der Gruppe: Professionelles Lektorat, Korrektorat, Buchsatz und Cover. Alles Dinge, die normal richtig ins Geld gehen.
  • Du darfst die Kurzgeschichten der anderen vor Veröffentlichung lesen und Überarbeiten
  • Du hast die „Vertriebspower“ einer ganzen Gruppe und musst nicht alles alleine machen

Kurzum, es gibt kaum einen Part des Autorenlebens, für den die Mitarbeit an einer Anthologie nicht wirksam oder nützlich ist. Aber es gibt auch ein paar Schattenseiten. Mit den meisten davon hatte ich zum Glück kaum zu tun, da vor allem die Gruppe rund um die Erntenacht derart gut war, dass es richtig rund lief.

Die Nachteile

Trotzdem möchte ich die negativen Punkte aufzählen:

  • Eine Anthologie verkauft sich selten wirklich gut
  • Autorengruppen können sich sehr leicht zerstreiten. Ich bin einige Male Zeuge dessen geworden. Autorengruppen sind anarchische Zweckbündnisse, die nur durch das Ziel einer gemeinsamen Veröffentlichung zusammengehalten werden. Darüber hinaus sind die meisten Autoren eher Einzelkämpfer. So ein Bündnis kann schnell auseinander brechen, wenn das Ziel nicht stark genug ist
  • Wenn niemand Verantwortung übernimmt, passiert nichts
  • Wenn nur sehr wenige Verantwortung übernehmen, fühlen andere sich übergangen
  • Abgebrochene Projekte frustrieren sehr stark
  • Die Wahrnehmung für eine Kurzgeschichte und die damit verbundene Reputation ist geringer, als bei einem eigenen kompletten Buch
  • Die Organisation ist schwierig, vor allem wenn sie überwiegend online funktioniert. Bei der Erntenacht sind manche Autoren einfach mittendrin und ohne ein Wort zu verlieren ausgestiegen
  • Entscheidungsfindungen in großen Gruppen können ein Spießrutenlauf sein

Fazit

Ich kann jedem nur empfehlen, sich an einer Anthologie zu beteiligen. Mir hat es nur Vorteile gebracht, sowohl bei dem Drumherum als auch beim Schreiben selbst. Eine Kurzgeschichte verlangt ganz eigene Herangehensweisen, die nicht so einfach zu meistern sind. Mir machen sie zunehmend Spaß, was ich zu Beginn nie gedacht hätte.

Wichtig ist ein gutes Team oder ein Kopf, der sich um alles kümmert. Ich hatte beides. Bei „Schmerzlos“ haben sich Rahel und Sarah von Clue Writing quasi um alles gekümmert. Ich hatte keinen Kontakt zu anderen Autoren und es lief ziemlich gut. Dafür leidet hier etwas die Verbundenheit mit dem Gesamtprojekt. Bei „Erntenacht“ haben wir alles selbst gemacht, vom Lektorat bis zum Marketing und entsprechen verbunden bin ich mit den Leuten und dem Projekt. Das war und ist eine tolle Erfahrung.

Vor allem bei letzterem muss ich aber sagen, dass immer wieder jemand in die Bresche gesprungen ist, wenn ein anderer nicht konnte. Ich kann hier gar keine Namen nennen, weil wirklich jeder seinen Teil beigetragen hat. Wer Projektarbeiten auch aus seinem Job kennt, weiß, wie mühselig es manchmal ist, die Leute alle bei der Stange zu halten. Das war hier nie der Fall und das ist vor allem ein Luxus. Wenn Du also bei einem Projekt mitmachen möchtest, dann am besten mit Leuten, die Du schon etwas kennst und ein bisschen einschätzen kannst. Das spielt zum einen beim „Dranbleiben“ eine Rolle, aber auch wenn es um das Thema „Entscheidungen“ geht, die wirklich noch einmal ein ganz eigenes Thema sind.

Wen es interessiert, ich habe dazu auch ein paar Worte in Ninas und Benjamins Podcast „Autorenschnack“ verloren. Einfach hier klicken.

Das war´s. Meine Empfehlung: Wenn Du kannst, probiere Dich in so einem Projekt aus. Zu verlieren hast Du nichts. Selbst wenn nichts dabei herumkommt, hast Du ein paar Erfahrungen gesammelt.

Schreib mir gerne in die Kommentare, was Deine Erfahrungen mit Autorengruppen und Kurzgeschichtensammlungen sind.

Aufgrund meiner Abwesenheit in den Sozialen Medien habe ich mich dafür entschieden, wieder einen Newsletter ins Leben zu rufen. Dort wirst Du vornehmlich über neue Beiträge informiert. Wenn Du also auf dem Laufenden bleiben willst, melde Dich hier an.

Beitragsbild:

Photo by Helena Lopes on Unsplash

Im Netz gibt es eine Menge zum Thema Schreiben. Es gibt jede Menge Kurse wie man schreibt und Geschichten entwickelt. Um dieses Angebot haben sich ganze Geschäftszweige entwickelt, so zum Beispiel die Plattform Masterclass.com. Ich habe meinen ersten Masterclass Kurs vor 4 Jahren belegt. Damals gab es überhaupt nur knapp 5 Kurse im Angebot, der von James Patterson war einer davon.

Gänzlich überzeugt hat mich das Format nicht. Nina und Benjamin haben dazu eine Autorenschnack-Folge gemacht. Immerhin kosten die Kurse knapp 99$ im Einmalabruf oder 200$ im Jahresabo – eine ordentliche Stange Geld.

Aber das ist nicht alles, an nahezu jeder Ecke kann man Schreibkurse buchen und besuchen. Über den Nutzen oder Nichtnutzen solcher Kurse werde ich mich in einem anderen Beitrag auslassen, ich selbst habe einige besucht. Mein erster Schreibkurs war der von Rainer Wekwerth, über den der ein oder andere vielleicht schon gestolpert ist.

Ein teurer Spaß

Durch eine kurze Internetsuche kommt man in kürzester Zeit auf zig Kurse, die alle vor allem eines gemein haben: Sie kosten ein Schweinegeld. Nicht selten werden da Summen von 100€ bis 300€ pro Monat ausgerufen. Der Nutzen ist im Vorfeld schwer zu beziffern. Aber wir alle wollen besser werden und was liegt da näher, als einen Trainer zu holen? Das macht man in anderen Lebensbereichen ja auch.

Ihr bekommt von mir heute auch einen Trainer, und zwar einen, der nachweislich Ahnung davon hat, was er tut. Hast Du schon einmal Wall-e gesehen? Findet Nemo? Toy Story? Vermutlich ist dir aufgefallen, dass das alles ziemlich gut erzählte Geschichten sind. Animationsfilme sind deshalb interessant, weil sie das pure Storytelling bieten. Dort gibt es keine versoffenen Schauspieler, die Texte vergessen und auch keine Stürme, die die Sets demolieren. Es wird das umgesetzt, was geschrieben steht.

Hinter den oben genannten Filmen steht Pixar. Pixar gehört zu Disney und irgendwie sind wir da wohl alle mit aufgewachsen. Es wäre doch toll, einmal Pixar über die Schulter zu gucken.

Lernen von echten Profis

Da habe ich gute Neuigkeiten, denn genau das geht. Und zwar völlig kostenlos. Ich habe ein kleines Netzfundstück, dass sich unter dem Bereich „Computing“ der Khan Academy versteckt, nämlich einen Kurs namens „The art of Storytelling“.

Doch genug der Rede. Der Kurs hat 6 Lektionen mit jeweils Videos und Aufgaben. Der einzige Haken: Du musst Englisch sprechen, denn auf Deutsch gibt es das Angebot nicht. Zum Aufwärmen habe ich das Startvideo auf meiner Seite eingebunden. Dann kannst Du schon einmal herausfinden, ob Du bei dem Sprachniveau mitkommst. Kleiner Tipp: Youtube bietet automatische Untertitel an. Die sind nicht immer ganz korrekt, aber helfen schon, einiges zu verstehen.

Der Kurs baut sich wie folgt auf:

  1. We are all Storytellers
  2. Character
  3. Story Structure
  4. Visual Language
  5. Film Grammar
  6. Pitching and Feedback

Ich freue mich, wenn Du dieses Fundstück auch mit anderen teilst. Geld liegt bei uns allen nicht in der Ecke. Bildung und Kunst sind Dinge, die grundsätzlich jedem zugänglich sein sollten.

Wenn Du über weitere Beiträge von mir informiert werden möchtest, dann abonniere meinen Newsletter.

Ich freue mich auch über Kommentare: Wie hat Dir der Kurs gefallen? Hat er Dir neue Erkenntnisse gebracht? Was fandest Du besonders gut?

Viel Spaß.

Foto von Michael Marais on Unsplash

Es ist geschehen. Game of Thrones ging zu Ende mit Folge 6 der 8. Staffel. Nach acht Jahren des Zuschauens endet eine größtenteils hervorragende Serie mit einem, in meinen Augen, unwürdigen Ende.

Damit meine ich nicht nur die letzte Folge, der ich mich heute als Schwerpunkt widmen will, sondern die gesamte letzte Staffel. Die letzte Folge und der damit verbundene Abschluss der Serie lässt sich in meinen Augen nicht ohne größeren Gesamtkontext bewerten, weswegen ich etwas ausholen muss.

Ich habe über dem folgenden Text wirklich lange gebrütet. Das hängt damit zusammen, dass ich zwei unterschiedliche Blicke auf diese Folge habe. Ich habe sie zuerst als einfach Zuschauer, Fan der Serie und Konsument geschaut. Dann begann ich bereits, die ersten Gedanken für ein Recap zu fassen und je länger ich mich mit der Folge beschäftigte, desto mehr hat mein „Autorengehirn“ angefangen zu arbeiten. Letzteres ist dann auch für den Großteil meiner Einschätzung verantwortlich. Ich kann daher verstehen, dass ein „normaler“ Fan und Zuschauer der Serie zu einem anderen Ergebnis kommt als ich. Das ist auch okay.

Optisch toll

Von der visuellen Seite gab es an der ganzen Staffel auch wirklich nichts auszusetzen. Die Musik war hervorragend, ebenso das Schauspiel. Es waren unheimlich tolle Effekte und wahnsinnig gute Bilder und Schnitte zu sehen. Ich habe im Fernsehen und selbst im Kino nur wenig mit dieser visuellen Macht gesehen und das war in meinen Augen über jeden Zweifel erhaben. Ebenso war das Schauspiel nahezu aller Schauspieler auf höchstem Niveau. Genau deshalb konnte ich das erste Gucke der Folge tatsächlich auch genießen. Die Bilder kreierten Atmosphäre und Stimmungen.

Als sich jedoch die visuellen Eindrücke etwas verflüchtigten und sich darunter die Story freischälte, wurden immer mehr Fragen in mir laut. Und es gibt eine ganze Reihe Fragen, die diese letzte Folge aufwirft. Dabei glaube ich, dass vieles der Folge tatsächlich dem entspricht, was sich George R. R. Martin überlegt hat und ich glaube auch den ein oder anderen Grund dafür entdeckt zu haben. Allerdings ist der Weg dorthin ein Problem und zwar aus verschiedensten Gründen.

Es gibt den Spruch: Gib 5 Autoren 5 genau gleiche Story Ideen und du erhälst 5 unterschiedliche Geschichten. Ich denke, da ist was dran. Wir haben nicht das Ende von George R. R. Martin gesehen. Wieso das auch gar nicht in gleicher Qualität sein kann, habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben. Aber hier sieht man auch, und das ist für Autoren durchaus interessant, wie fatal sich verschiedene Entscheidungen eines Autoren auf die gesamte Geschichte auswirken können.

Das Thema oder: „Worum geht es hier eigentlich?“

Die letzte Folge zu bewerten führt automatisch dazu, die gesamte Serie zu bewerten. Im Finale einer Geschichte schließen sich die Bögen und runden durch eine fortschreitende Entwicklung das Thema der Geschichte ab.

Bei Geschichten mit einem Protagonisten geschiet dies durch die Entwicklung der Hauptfigur. Bei einer multipersonalen Geschichte wie Game of Thrones, in der viele Figuren gleichartig und mit ähnlich viel Raum erzählt werden, durch die Punkte, die den wesentlichsten Einfluss auf alle Protagonisten hat.

Bei Game of Thrones sind das nach meinem Empfinden zwei Themen

Erstens ist das Familie / Erwartung / Regeln. Ich sehe diese drei Dinge tatsächlich als einen Themenkomplex an, der sich nicht voneinander trennen lässt. Dieser wird durch die Ständeregeln, Zwangsehen, Bastarde etc dargestellt.

Der zweite und für mich sogar überwiegende Themenkomplex ist das Thema „Korruption durch Macht“. Dieser wird entweder durch das Streben nach Macht oder das Ablehnen der Korruption einzelner Figuren erzählt, Symbol hierfür ist der Thron. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass dieser am Ende zerstört wird.

Meine Vermutung ist, dass viele der auflösenden Elemente am Ende von George R. R. Martin vorgegeben wurden, Benioff und Weiss aber nicht in Lage oder aber schlicht nicht Willens waren, diese auszuerzählen. Man munkelt, es läge am angebotenen Star Wars Projekt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wurden viele Erzählstränge fürchterlich verkürzt, verstümmelt und kannibalisiert, so dass der Zuschauer am Ende um das Thema der Geschichte herumrätseln muss. Das haben sie zum Einen getan, indem sie die Menge der dargestellten Figuren radikal zusammengekürzt haben, zum anderen durch Auslassungen wichtiger Erzählstränge sowie Abkürzungen und Logiklöcher. Fingen die beiden ersten Folgen noch vielversprechend an, konnte man ab Folge 3 die Balken des Plotgerüsts knarzen hören, so sehr mussten sie sich biegen.

Verkaufe den Zuschauer nicht für dumm

Bevor ich darauf eingehe, möchte ich aber erst auf die Punkte eingehen, die sich konkret der Folge zuordnen lassen. Wie gesagt, nach mehrtägigem darüber nachdenken.

  • Die Dothraki. Dieses zu Beginn bedeutende Volk wird zu reiner Staffage. Nicht nur, dass sie sich scheinbar von Folge zu Folge vermehren, sie haben auch sämtliche Ihrer Stammesriten vergessen. Als Blutreiter müssten sie sich mit Denaerys Tod allesamt selbst richten. Sollten sie das nicht tun, so müssten sie zumindest Jon als ihren neuen Khal ansehen. Beides geschieht nicht. Die Dothraki werden auch einfach „vergessen“. Es wird nicht erzählt was sie am Ende tun oder was mit ihnen geschieht. Sie schlendern jedenfalls vergnügt am Pier entlang, obwohl Dothraki das Wasser hassen und nur für ihre Königin überhaupt über das Meer gegangen sind.
  • Die Unbefleckten. Scheinbar wissen die Unbefleckten ohne einen Führer nicht, was sie tun sollen. Die Ratlosigkeit wird in Person von Grauer Wurm dargestellt, der erst blind jeden Befehl seiner Königin befolgt, dann wochenlang Königsmund besetzt ohne dabei irgendetwas zu tun (welche Rolle hat Grauer Wurm, als er in dieser Runde mit den Lords sitzt?) Sie wollen Rache, töten Jon Snow aber nicht, obwohl ihre Bereitschaft zu töten ein paar Szenen zuvor noch beinahe Auslöser für einen Streit war. Dann sind sie mit der Ernennung von Bran als König einverstanden, negieren die Strafe für Jon, die dann trotzdem durchgeführt wird. Dann bietet Davos Seewert ihnen die Weite als Land an (warum kann er das?), worauf keiner so richtig eingeht und letztlich fahren sie einfach alle nach Naaht. Was genau war ihr Ziel? Mit dem Ableben von Denaerys wissen sie das scheinbar selbst nicht mehr. Kleiner Fun Fact: Auf der Insel Naaht leben Schmetterlinge, die alle Fremden eine tödliche Krankheit (Schmetterlingsfieber) infizieren. Ich bin mir unsicher, ob das in der Serie auch erwähnt wird. Grauer Wurm bringt seine Jungs jedenfalls um mit seinem Plan, nach Naaht zu fahren.
  • Der Winter kommt kurz nach King´s Landing, scheint sich aber bei Jons Ankunft im Norden auch schon wieder zu verflüchtigen.
  • Wieso sitzen in diesem Rat so viele Figuren, die wir nicht kennen? Wer sind die, wieso sitzen die da und warum können die darüber bestimmen, was mit Westeros geschieht?
  • Wieso ist Tyrions Begründung für Bran so unglaublich bescheuert. Waren D&D so hilflos, Bran als König zu installieren, dass sie sich irgendeinen Müll aus den Fingern gezogen haben? Bran hat wirklich nicht die beste Geschichte von allen Figuren. Wirklich nicht.
  • Wieso reist Sansa mit einer ganzen Armee aus dem Norden an? Als Leitsatz von Ned Stark gilt, dass immer ein Stark auf Winterfell sein muss – warum nimmt sie Bran mit? Sie ist die Herrscherin von Winterfell, was soll Bran da? Abgesehen von der Logistik – es ist Winter und man hatte ja bei der Belagerung schon nicht genug Nahrung – wieso nimmt Sansa die ganze Armee mit und hinterlässt ihre Heimat in den aktuell ungeordneten politischen Verhältnissen schutzlos? Oder können sich die Starksoldaten auf ähnliche Weise vermehren wie Dothraki und Unsullied.
  • Wieso besteht der Norden nur noch aus den Starks, bzw wieso haben nur noch die Starks ein Wahlrecht?
  • Wieso stimmen alle Lords Bran als König zu?
  • Wieso will niemand außer der Norden unabhängig werden, wo doch gerade scheinbar ein guter Moment dafür wäre?

Eine Ebene höher

Hier kommen wir zum zweiten Teil, der mich etwas mehr auf die Metaebene von Game of Thrones bringt und wo Weiss und Benioff so viele Abkürzungen genommen haben, dass sie sich teilweise nur noch mit Taschenspielertricks da wieder herausmanövrieren können.

Einer der größten Aufreger ist die Entwicklung von Denaerys Sturmtochter. Dabei gilt diese Aufregung nicht der Tatsache, dass sie zur „Mad Queen“ – zur verrückten Königin wurde – sondern wie man damit umgegangen ist. Diese Entwicklung ist in Denearys durchaus angelegt, vor allem vor dem thematischen Hintergrund von Game of Thrones.

Durch die gesamte Serie gehen die Figuren immer wieder an die Grenzen dessen, was moralisch oder vertretbar ist. Nahezu jede Person mit steigender Macht wird immer besessener von ihr und korrumpiert – angefangen beim irren König, über Robert Baratheon, der aus Eifersucht einen Krieg anzettelt, über Geoffrey, Margaery, Stannis, der bereit ist Kinder zu opfern oder Cercei, die selbst im letzten Moment nicht von Ihrer Macht loslässt. Oder eben Denaerys.

Dabei sind vor allem die weiblichen Figuren sowie die am Rande der Gesellschaft stehenden so interessant, weil ihr Machtstreben voll vom zweiten Themenkomplex berührt wird, nämlich Familie/Erwartungen/Regeln. Frauen, Gnome, Eunuchen und Unadelige wie Langfinger haben nicht die gleichen Rechte in der patriacharlen Welt von Game of Thrones und bedienen sich somit meist anderer Mittel, um ihre Macht auszuüben. Daraus zieht die Serie viele Folgen ihre Faszination. Wir lieben es den vermeindlich Schwachen dabei zuzusehen, wie sie an Stärke gewinnen.

Viele der edlen und nicht korrumpierbaren wie Ned oder Robb sterben. Die Starks werden erst da überlebensfähig, wo sie selbst nach Machtinteressen handeln (Sansa) oder sich dem Spiel entziehen (Arya, Bran, zum Teil Jon).

Wo steht der Zuschauer?

Die Geschichten spielten dabei immer auch damit, welche Partei man selbst als Zuschauer ergreift. War in Staffel eins mit Ned Stark noch ein recht klar gezeichneter edler Rittersmann vorhanden, verschwimmen diese Gut/Böse Schemen immer mehr.

Jedoch ist bereits Ned Starks erste Szene eine Enthauptung und zwar eine Enthauptung einer Figur, von der wir zuvor gesehen haben, dass sie vor den Weißen Wanderern flieht. Komischerweise sind wir hier gewillt – auch dank Neds Erklärungen – diesen Mord als nicht so schlimm anzusehen. Wir akzeptieren ihn im Rahmen der Welt, außerdem sagt Ned, man müsse den Leuten dabei in Augen gucken. Edel. Trotzdem startet die Geschichte damit, dass er einen Menschen tötet, der sich nicht den Regeln gebeugt hat, die sich irgendwann irgendjemand ersonnen hat. Zum Ende der Staffel wird Ned selbst enthauptet. Obwohl es die gleiche Strafe ist, erwirkt sie ganz unterschiedliche Reaktionen in uns. Es ist kein Zufall, dass die gleiche Art der Tötung bei der gleichen Figur Anfang und Ende der ersten Staffel darstellen, sondern ein gekonnter Kniff.

Es zieht sich durch die Serie, dass jeder mehr oder weniger geneigt ist, sich mit Gewalt oder Intrige besser in Position zu bringen. Denaerys war hier immer gradlinig. Sie hat nie einen Hehl aus ihrem Gewaltpotenzial gemacht – auch weil ihr als einziger Frau direkt nach Staffel 1 die Ketten ihrer Familie fehlten und den auferlegten gesellschaftlichen Regeln, welche in Westeros den Ton angeben. Zudem war sie stets als charismatische Herrscherin angelegt – jemand, dem man gerne folgt. Trotzdem hat Game of Thrones immer gesagt: Fast jeder ist korrumpierbar. Der Thron ist der Ring, der den Verstand der Personen vergiftete, die auf ihm saßen oder ihn haben wollten. Und nahezu jeder wollte ihn haben. Dieses eher gesellschaftliche Phänomen haben die Autoren in Staffel 8 auf die persönliche Ebene gezogen und damit einen thematischen Schwerpunkt kannibalisiert.

Charismatische Führerin statt Irre

Man hat sich entschieden, Denaerys als Verrückte zu zeichnen, die beim Klang der Glocken anfängt, die Bevölkerung niederzumetzeln. Aus der charismatischen Figur wird eine Bösewichtin, die so klar gezeichnet ist, dass die Zuschauer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Leider haben D&D die Korrumpierbarkeit quasi in ihre Persönlichkeit integriert und damit die Chance genommen, Denaerys zunehmende Ruchlosigkeit langsam zu steigern und auf eine Art und Weise, die es dem Zuschauer schwer macht, falsch und richtig zu unterscheiden. Fakt ist, dass Denaerys diese Seite immer hatte. Fakt ist aber auch, dass sie sich stets zügeln konnte. Statt nun eines gesellschaftlichen Ereignisses oder eines, dass aufzeigt, dass Denaerys nur durch immer drastischere Mittel zu ihrem Ziel erreicht, entscheiden D&D sich dafür, dass das Klingen der Glocken Denaerys verrückt werden lässt. Puh! Dabei war das ALLES da. Cercei holt die ganze Bevölkerung als Schutzschild in den roten Bergfried. Wieso Denaerys nicht einen plausiblen Grund liefern, die Bevölkerung zu töten, um IHR ZIEL zu erreichen. Benioff und Weiss haben sich für Willkür und Verrücktheit entschieden und machen es dem Zuschauer damit leicht, die böse Seite zu erkennen. Und damit auch: Ihr alle seid einer Tyrannin gefolgt. Das ist auf der einen Seite sogar geschickt, weil dieser Stoß vor den Kopf die Zuschauer verwundert zurücklässt (das ist nicht mehr meine Denaerys), aber der Stoß zerstört auch jede Empathie mit der Figur und ihren Entscheidungen und entlässt den Zuschauer in einer klaren Ablehnungsposition. Man stelle sich nur vor, der Zuschauer hätte die gleiche Zerrissenheit gefühlt wie Jon und Tyrion. Man stelle sich nur vor, wir alle würden nicht merken, wie wir mit jemandem sympathisieren, der mehr und mehr von der Macht korrumpiert wird. Man stelle sich vor, wir würden anfangen zu rechtfertigen, dass es richtig war, was Denaerys getan hat oder wir es zumindest verstehen können.

Hinzu kommt, dass das Volk von Königsmund alles andere als loyal ist. Es tritt nur zu gerne auf gefallene Herrscher ein. Wieso hat man hier nicht den Zuschauer herausgefordert, Stellung zu beziehen, wie schon bei der Kreuzigung der Meister in Meeren? Immer wieder musste der Zuschauer seinen moralischen Kompass einstellen – ist diese Enthauptung durch Ned Stark jetzt okay, weil Ned stark so edel ist? Hat Walder Frey es verdient zu sterben? Ist es gut, dass Myrcella stirbt? Hat Orlanna richtig gehandelt, als sie Geoffrey vergiftete? Haben die Sklavenhalter es verdient, gekreuzigt zu werden? Sollte ein Mädchen am anderen Ende der Welt ermordet werden? Hat Viserys es verdient so zu sterben? Vor allem vor dem Hintergrund des Ziels der Figur. Um es auf den Punkt zu bringen – es gibt keinen Grund, Unschudlige zu töten und damit hätte man noch immer genug Potenzial gehabt zu zeigen, dass der Thron eben jeden korrumpiert – inklusive der Zuschauer. Game of Thrones ist auch eine Geschichte von Machtergreifung und charismatischen Führern, die im Klimax eine Despotin mit unbegrenzter Macht durch einen Drachen bekommt.

Denaerys Motive sind im wesentlichen edel. Sie will das ewig drehende Rad zerstören, wie sie es bereits in Staffel 5 angedeutet hat. Tatsächlich wäre es ohne ihr Tun wohl nie so weit gekommen. Es gäbe keine „Königswahl“ in der letzten Folge. Es gäbe noch immer die alten Ränkespiele, die alte Korrumpierbarkeit. Um es ketzerisch zu sagen: Bei den militärischen Fähigkeiten von Jon Snow wäre noch immer Cercei Königin. Was Denaerys von den meisten anderen Thronanwärtern unterscheidet ist lediglich, dass sie die dickste Wumme in Form eines Drachen dabei hat. Nicht umsonst bezeichnet Martin Drachen als die „Atombomben“ von Westeros. Die Macht des Drachen selbst korrumpiert Denaerys.

Wie den Zuschauer trotz Abkürzung mitnehmen?

Um den Zuschauer nicht völlig zu verlieren entschied man sich dazu, Jon als Spiegel zu benutzen, um Denaerys gute Seite „zu erzählen“. Das führte vor allem dazu, dass Jon an einen Alzheimpatienten erinnert, der sich alle 10 Minuten den gleichen Satz sagt. Jon ist unser Element, das Gute in Denaerys zu sehen und wenn man sich einfach mehr Zeit genommen und alles etwas anders erzählt hätte, hätte das auch funktionieren können. So zweifelt man lediglich an Jons Verstand, denn es ist ja mehr als deutlich, dass Denaerys scheinbar zur eiskalten Tyrannin geworden ist. Wir haben also Probleme Jons Entscheidung sie zu töten nachzuvollziehen. Allerdings nicht, dass er es tut, sondern wieso er sich so schwer damit tut (wo wir im übrigen wieder bei Mord als legitimes Mittel sind). Im Falle von Denaerys, die mit der Macht eines Drachen wirklich unbesiegbar wäre in Ordnung. Oder nicht? Denaerys Entwicklung endet also auf dem Höhepunkt der Macht, wie über die Folgen hinweg bei jedem, der auf dem Thron saß. Jeder von Ihnen ist gestorben.

Nach dem Tod von Denaerys zerstört ein Drache mit seinem Feuer den Thron, der ebenfalls durch das Feuer eines Drachen erschaffen wurde. Das Symbol der Korruption verschwindet. Ähnlichkeiten zum Schicksalsberg sind reiner Zufall (zerstört in dem Feuer, in dem er geschmiedet wurde). Hier haben wir einen Abschluss des Themas „Korruption durch Macht“.

Ein weiterer Faktor von Denaerys Wahn ist, dass Grauer Wurm in nur zwei Folgen zur unsympathischsten Figur der Serie mutiert. Auch er erzählt den Aufstieg vom gedrillten, versklavten Kind zur Freiheit, wo er schließlich zum Tyrannen mutiert, was dadurch verstärkt wird, dass Denaerys Figur zum Vorzeigebösewicht wird und damit auch ihre Gefolgschaft. Das wird auch dieser Figur nicht wirklich gerecht.

Auflösung des Themas an anderen Stellen

Wir haben nun eine Wahl- statt einer Erbmonarchie, das zahlt in beide Themen ein – allerdings ist das in meinen Augen nicht durchdacht. Eine Wahlmonarchie ist nicht weniger anfällig für Machtgier, als eine Erbmonarchie. Wieso nicht Demokratie? So weit ist Westeros nicht und das kann ich sogar nachvollziehen.

Also setzt man mit Bran eine Figur auf den Thron, die keinerlei Machtambitionen besitzt und die so gesehen keinem Haus mehr angehört. Bran sagt von sich selbst, er sei nicht mehr Bran Stark, sondern der dreiäugige Rabe. Brienne trägt am Ende auch nicht das Emblem der Starks auf ihrer Rüstung, sondern einen dreiäugigen Raben. Man hat sich also für jemanden außerhalb der Familien entschieden, was in beiden Themen einzahlt und eigentlich stimmig ist. Für mich ist nicht garnz klar, ob Bran als dreiäugiger Rabe sterblich ist und ob er wirklich nicht mehr dem Hause Stark zugerechnet werden kann. Das ist schlichtweg nicht erzählt worden.Hat man den Thron von nun an also auf ewig mit Bran besetzt? Jedenfalls ist Bran weit weg von Ränkespielen oder anderen Dingen. Das würde das Korruptionsthema ebenfalls auflösen. Die Frage die sich alle stellen, wieso Bran auf dem Thron sitzt, obwohl er die ganze Zeit NICHTS gemacht hat, kann also thematisch genau damit erklärt werden: Er sitzt da, weil er NICHTS gemacht hat. Genau das ist der Grund. Man darf allerdings nicht darüber nachdenken, dass die anderen Lords weder Brans Geschichte kennen, noch wissen, was ein dreiäugiger Rabe ist, da sie alle einer anderen Religion angehören. Ganz zu schweigen davon, dass seine erste Tat als König ist, den Starks ihr eigenes Königreich zurückzugeben und kein anderer (namentlich die Eisninsel und Dorne, die ja auch immer gerne unabhängig wären und was Asha sogar von Denaerys eingefordert hatte) eins bekommt. Ehrlich gesagt ist das schon wieder ein Schritt in Richtung Korruption und Vetternwirtschaft und einfach nicht sauber aufgelöst.

Die Erklärung von Tyrion, er habe die beste Geschichte und dass diese Begründung alle anderen Lords überzeugt, ist derart stumpfsinnig und zurechtgebogen, dass ich zwar das Ergebnis verstehe vor dem thematischen Hintergrund, der Weg dahin mir allerdings völlig dilletantisch erscheint. Genau das macht auch die Verwirrung aus, die ich anfangs nicht greifen konnte. Es fühlte sich zweitweise richtig und falsch zur gleichen Zeit an und ich brauchte eine Weile um zu verstehen, wieso.

Die anderen Figuren

Kommen wir nun zu den anderen Plots, den Auflösungen und den Punkten, wieso sich manches so richtig angefühlt hat, obwohl man nicht weiß wieso.

Jon ist die meiste Zeit ein Bastard und am Ende der rechtmäßige Thronfolger. Sein Gang in den Norden ist logisch, allerdings wäre für mich weitaus logischer, wenn er ihn selbst angetreten hätte. Wieso? Erstmal haben die Unbefleckten keinerlei ausübende Gewalt. Es sind Eunuchen und sie sterben irgendwann aus. Hinzu kommt, dass sie Westeros verlassen (und von Grey Worm in den Tod geschickt werden *hust*) und es einfach niemanden interessieren würde, wenn Jon NICHT an der Mauer wäre. Dann müsste man sich auch nicht ausdenken, wieso es noch eine Nachtwache gibt, die niemand mehr braucht und warum alle Wildlinge da scheinbar auf ihn gewartet haben. Jon geht dorthin, wo er schon in Staffel eins hinwollte. Er hat dort sein eigenes Königreich. Jon ist für mich eine Figur, die nie führen wollte und er bricht aus dem Themenkomplex Macht und Familie/Erwartungen/Regel aus, indem er in den Norden geht, der noch über dem Norden der Starks liegt. Und damit lässt er gleich zwei Familien und deren Erwartungen an ihn hinter sich.

Tyrion ist zur Hand ernannt worden, was schon mehrfach der Fall war. Damit hat er als letzter lebender Lannister die Grenzen seiner Familie überwunden, in der er immer der letzte in der Rangordnung war. Durch Brans Desinteresse am regieren, dürfte Tyrion der heimliche Herrscher der Sechs Königslande sein. Tyrion war stets jemand, der das Wort dem Kampf vorzog und dürfte damit eine gute Wahl aus thematischer Sicht sein. Eine massive Figurenentwicklung haben wir bei ihm aber nicht, weder persönlich noch thematisch. Die ist ab Staffel 7 im wesentlichen abgeschlossen und in Staffel 8 geschieht nichts Relevantes mehr, mit Ausnahme, dass er seinen besten Freund verrät und dass er freiwillig von seiner Macht als Hand der Königin ablässt und damit (wohl eigentlich) seinen Tod in Kauf nimmt. Jetzt darf man natürlich darüber nachdenken, ob sein Einreden auf Jon Snow nicht auch sein Mittel der Machtausübung ist, das ihm nicht nur die Haut rettet, sondern ihn auch noch zum (zweit)mächtigsten Mann in Westeros macht, nachdem er selbst den Vorschlag gemacht hat, die desinteressierteste Person der Welt auf den Thorn zu setzen (bin ich da jetzt etwa was auf der Spur??).

Sansa bekommt, was sie immer wollte. Der Norden ist unabhängig. Sie ist dabei eine potente Führerin, die nie Ambitionen auf die große Regentschaft hatte und damit ganz nach ihrem Vater kommt. Ich sehe sie nicht als „kleine Königin“. Sie hat ihr Ziel erreicht. Figurenentwicklung hat in der Staffel allerdings kaum noch stattgefunden und der einzige Bezug zur Entwicklung ist diese unsägliche Aussage zu ihrer Misshandlung, ohne die sie nicht die wäre, die sie ist. Sansa hat über die gesamte Serie hinweg genug Dinge mitgemacht an denen sie gewachsen ist, dass es ausgerechnet dieses Ereignis war, ist zweifelhaft.

Arya hatte mit dem Thema Korruption durch Macht nie was zu tun. Sie hatte nie ein Machtmotiv, sondern nur Rache. Sie durchbricht das Thema Familie/Erwartungen/Regeln, in dem sie sich ganz aus Westeros verabschiedet. Passend. Sie ist Königin ihres persönlichen Reichs.

Brienne huldigt Jamie im weißen Buch, der damit auch von einem Ritter der Königsgarde reingewaschen wird. Sie hat mit dem Ritterschlag im wesentlichen ihre Charakterentwicklung abgeschlossen und damit das Thema Familie/Erwarungen/Regeln hinter sich gelassen. Brienne hatte nie ein Machtmotiv.

Weitere Figuren bekommen ihre persönlichen Happy Endings, wie Sam, der als Maester auftritt, Bronn und auch Podrick, der nun ein Ritter ist. Bittersüß fand ich diese Enden nicht, sie waren überaus positiv und stellen für keine einzige Person eine richtige Strafe dar. Man könnte sagen, dass sie unterm Strich viel zu positiv für Game of Thrones sind.

Was war das mit dem Nachtkönig?

Und der Nachtkönig? Die ultimative Bedrohung, das Sinnbild des Todes? Ich rätsel noch. Die Bedeutung der Weißen Wanderer, die letztlich erschaffen wurden, um die Menschen zu vernichten, weil diese die Kinder des Waldes vernichteten. Die Weißen Wanderer sind eine Negierung des Menschlichen Lebens. Sie wollen keine Macht und über nichts herrschen, sie wollen einfach alles vernichten und töten. Sie werden als Brans Gegenteil bezeichnet und wären damit in der Machtallegorie der allesvernichtende Machthunger. Aber der Erzählstrang hat mich etwas ratlos hinterlassen, so dass ich hier nur vor mich hinspekulieren kann.

Tatsächlich merkt man hier, dass die meisten Endstränge vermutlich von George R. R. Martin kamen, der schon wusste, wo er mit seinen Figuren und dem Thema der Geschichte hinwill. Darum ist mein Gefühl zu der Folge auch so ambivalent, denn die Auflösung ist eigentlich stimmig, aber irgendwie – wenn man sich die letzten Folgen anguckt – auch nicht. Klar ist jedenfalls, in welche Richtung Weiss und Benioff die Figuren dann zwingen wollten. Manches ist und bleibt dabei fürchterlich zurechtkonstruiert und schadet leider nahezu sämtlichen Figuren. Einer der Hauptgründe ist und bleibt für mich dabei die viel zu schnelle Erzählweise, aber auch Entscheidungen bei einigen Charakteren, die ich nicht nachvollziehen kann. Von Logiklöchern, offenen Enden, zu vielen seltsamen Schnitten ganz zu schweigen. So hinterlässt mich die letzte Staffel und das Ende zwiegespalten. Allerdings war ich durchaus unterhalten. Ich habe mir die Folgen teilweise mehrfach angesehen und ich selbst war keine Sekunde gelangweilt. Außerdem hat mir die Staffel noch einmal viel über das Schreiben beigebracht. Darüber sich Zeit zu lassen, das Fehler passieren und wie wichtig es ist, Charaktere nicht auf Biegen und Brechen in den Plot hineinzubiegen. Staffel 8 stimmt mich traurig, weil ich der Serie ein sehr viel mächtigeres Ende gewünscht hätte. Es ärgert mich, weil so vieles vorbereitet und eingeführt wurde, was genau so einem Ende geführt hätte. Stattdessen sieht man enttäuschte Fans, die der eigentlichen Thematik nicht merh folgen können, Figuren, die scheinbar mit jeder ausgestrahlten Folge einen IQ-Punkt verloren haben und sich dämlich und anders verhalten, als man es von ihnen kennt.

Was ich noch mitnehme

Positiv werte ich die tollen Effekte und das hohe handwerkliche Niveau. Für mein Schreiben bin ich dankbar für diesen, vielleicht nie wiederkehrenden Einblick in die unterschiedlichen Herangehensweisen einer Geschichte. Das ist WIRKLICH Gold wert. An Game of Thrones kann man so viel als Autor lernen, wie man Dinge gut und wie man sie schlecht macht. Wie man Figuren zerstört, wie man den Zuschauer verwirrt und was passiert, wenn Figuren plötzlich Out of Character handeln. Ebenso wichtig ist das Thema Konsistenz, die so oft mit Füßen getreten wurde, dass der Zeh blau sein müsste. Auch über das Zeigen oder nicht zeigen von Szenen hat mit die letzte Staffel einiges beigebracht. Erzählökonimie ist wichtig und sinnvoll, aber Benioff und Weiß haben es damit derart übertrieben, das manche Dinge schlichtweg unter den Tisch gekehrt wurden. Und zum Schluss: Der Leser (oder Zuschauer) ist schlauer, als man meint. Er versteht die Dinge und er setzt sie richtig zusammen.

So bedanke ich mich für viele tolle Jahre mit einer tollen Serie, die mich zudem weiter hoffen lässt, dass auch die Buchreihe noch ihren Abschluss findet. Und das stimmt mich dann wirklich versöhnlich. Was sind eure Gedanken zur abschließenden Staffel von GOT? Was waren eure größten Aufreger? Was fandet ihr richtig gut?

Die aktuelle Season von Game of Thrones erhitzt die Gemüter. Die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss sind dabei von gefeierten Helden zu Antagonisten herangereift. Die Kritiker formieren sich inzwischen derart, dass sogar eine Petition in Leben gerufen wurde, die aktuell 720.000 Unterschriften bekommen hat und damit mehr als Zehnfache davon, was zumeist deutlich gesellschaftlich relevantere Petitionen bekommen (change.org).

Auch ich bin kein riesen Fan der aktuellen Staffel und sehe viele Fehler und Dinge, die man besser hätte machen können. Die meisten Kritikerstimmen treffen den Ton und kritisieren das, was ich auch kritisiere. Hinzu kommt eine tatsächlich nicht erklärbare und unnötige Schlamperei von Benioff und Weiss. Dennoch finde ich, dass die „Fans“ inzwischen übertreiben. Letztlich haben wir hier zwei Kreative, die eine ganze Reihe Fehler gemacht haben, aber deren Arbeit auch unter völlig unfairen Mitteln verglichen wird. Immerhin haben wir hier noch eine Kreativleistung zweier Personen, die 99% der Kritiker nicht besser hinbekommen hätten.

Gründe für den Qualitätsabfall

Gründe dafür werden inzwischen viele genannt. Ich möchte in diesem Artikel mit einem aktuell populären, aber aus meiner Sicht unvollständigen Erklärungsversuch aufräumen und aufzeigen, wieso es Benioff und Weiss überhaupt nicht gelingen konnte, eine Staffel in der Qualität von George R. R. Martin zu Stande zu bringen.

Aktuell kursiert ein beliebter Artikel aus der Wired, der als Ursache für den Qualitätsabfall zwischen den Büchern von George R. R. Martin und den Drehbüchern von Benioff und Weiss den Unterschied zwischen Plottern und Pantsern zu Grunde legt. So interessant dieser Ansatz auch ist, so sehr halte ich ihn für einen Einseitigkeitsfehlschluss. Zwar schreibt der Autor des Artikels, dass auch Plotter erinnerungswürdige Charaktere erschaffen können und es nicht heißt, dass Outliner die schlechteren Autoren sind – aber genaugenommen sagt er dann doch genau das.

Dabei werden einige Punkte außer Acht gelassen. Zunächst einmal die Rahmenbedigungen, die schon alleine dazu führen, dass Benioff und Weiss nicht gegen Martin ankommen können und dazu noch der Schreibtechnische Ansatz.

Völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen

Kommen wir zuerst zu den äußeren Bedingungen, die für sich genommen schon ausreichen, um diesen Ungleichen Kampf der Kreativen auszutragen. Wie eingangs geschrieben bin ich der Meinung, dass 99% der Kritiker es nicht besser machen würden. Denn es wird zwar zurecht immer wieder das Schreiben kritisiert, aber eine Staffel Game of Thrones zu drehen besteht eben nicht nur aus Schreiben.

Benioff und Weiss sind den Regeln des Business unterworfen, denen George R.R. Martin sich weitesgehend entziehen kann. Kurz gesagt, es geht um Zeit und Geld und damit um Zeit- und Kostendruck. HBO hat den beiden sicherlich nicht gesagt: „Schreibt die Geschichte, nicht schlimm, wenn es zehn Jahre dauert.“ TV oder Kino sind Business. Die Autoren müssen produzieren. Jeder Drehtag kostet Geld.

Faktor Zeit

Die erste Staffel wurde im April 2011 ausgestrahlt, man kann also von einem Drehbeginn irgendwann in 2010 ausgehen. Dass sind inzwischen also gut 8-9 Jahre, in denen die Autoren bereits vorhandene Bücher umgeschrieben und adaptiert haben – und das zum Teil herausragend – und schlussendlich auch noch zwei völlig eigene Staffeln erschaffen haben. Wie viele Bücher hat Goerge R.R. Martin in dieser Zeit fertig gestellt? 0.

Das ist keine Kritik an George R.R. Martin. Er hat eben den Luxus, sich dise Zeit nehmen zu können. Aber hier sprechen wir von völlig anderen Ausgangssituationen.

Faktoren Geld und Logistik

Wisst ihr, wie viele Personen an Game of Thrones etwa beteiligt sind? Es sind 3.589 Beteiligte. Wisst ihr, wie viele Angestellte der zweitgrößte Verlag Deutschlands, die Random House Gruppe, hat? 900 Angestellte. Eine Staffel Game of Thrones beschäftigt also knapp vier mal so viele Leute, wie der zweitgrößte Publikumsverlag Deutschlands. Laut der allgemeinen Definition ist ein Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern ein Großunternehmen.

Game of Thrones ist ein Großunternehmen. Nehmen wir nur an, dass diese 3.589 Beteiligten nur jeder 2.000 Euro pro Monat verdienen (was angesichts der Schauspielergehälter und anderer Dinge illusorisch ist) und dies über knapp 24 Monate, die die aktuelle Show gekostet hat, dann kommen wir nur für Personal auf einen Kostenblock von 172.272.000 Euro. George R. R. Martins Kostenblock dürfte in dieser Zeit geringer gewesen sein.

Hinzu kommen aber noch die anderen Produktionskosten, Effekte, Drehorte. Und man muss die ganze Leute choreographieren, dass sie alle zur gleichen Zeit genau da sind, wo sie sein sollen. Ich habe irgendwo gelesen, dass jede Folge der Staffel rund 15 Millionen Euro kostet, was deutlich weniger wäre als ich oben alleine für Personal hochgerechnet habe (vermutlich weil man nie alle 3.589 über alle Zeiträume benötigt), aber es wären immer noch knapp 90.000.000 Euro. Denn die Show ist immer aufwändiger geworden und HBO, da bin ich mir sicher, hat ziemlich penibel darauf geachtet, dass die Entstehung sich nicht unnötig in die Länge zieht.

Ein Buch von George Martin ist nicht teurer als Deins

Ein Buch von George R. R. Martin kostet in der Produktion genau so viel wie Dein Buch. Es ist nicht teurer geworden, weil es mehr Drehorte, Effekte oder Personen gibt. Das einzige, was hier mehr geworden ist, ist die Gewinnspanne. Das Buch ist ein goldenes Kalb – darum darf sich George R. R. Martin auch 8 Jahre Zeit lassen. Und ich und ihr – alle Kreativen wissen, dass Zeitdruck zwar hilfreich ist um eine Geschichte zu Ende zu bekommen, aber er hilft der Kreativität nur maximal phasenweise. Von dem Problem, dass manche Szenen einfach nicht gedreht werden können, weil das Geld fehlt mal ganz abgesehen (Stichwort Direwolf).

Der Dreh beginnt oft schon, noch während die Bücher geschrieben werden und es muss einfach viel schneller geliefert werden. Für mich der Hauptgrund für die Hudelei, die einen Großteil der Serie kaputt macht. Also merke Dir als Autor: Vermeide Zeitdruck und genieße die Freiheit, dass Du nicht auf Produktionskosten achten musst für das, was du erschaffst. Ist das nicht eine tolle Nachricht? Ist das nicht unglaublich befreiend zu wissen?

Ich bin also nicht verwundert, dass diese Staffel nicht die Qualität der Bücher von George R. R. Martin hat. Allein die Rahmenbedingungen sprechen dagegen.

Pantser versus Plotter

Aber was ist mit dem Ansatz, dass Martin eben ein Pantser ist, der nur die Samen sät und dann seinen Figuren beim gärtnern zuschaut, wohingegen Benioff und Weiss Outliner (Plotter) sind und das zu so einem Ergebnis führt.

Die Beobachtung ist erstmal richtig. Ich glaube auch, dass wir es hier mit genau diesen beiden unterschiedlichen Herangehensweisen zu tun haben. Dennoch ist dies nur der Arbeitsweg, die Art zu arbeiten. Vielleicht trinkt George R. R. Martin auch immer grünen Tee beim Schreiben und Benioff und Weiss trinken Kaffee und vielleicht ist das deswegen schlechter.

Okay, etwas provokant. Worauf ich hinaus will: Auch Outliner können ihre Outline und Ihre Figuren wie einen Garten wachsen lassen. Eine Outline entsteht ja auch irgendwie. Die kommt nicht aus dem Nichts, sondern sie entsteht im Zusammenspiel zwischen Autor und Figuren. In meinem Fall ist die Outline nichts anderes, als der völlig unausgereifte erste Entwurf eines Buchs. Doch wie sich die Outline entwickelt, das entwickele ich mit meinen Figuren zusammen.

Auch Martin hatte das Ende schon im Kopf.

Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass auch George R. R. Martin von Beginn an wusste, in welche Richtung er die Geschichte entwickeln will. Es gibt einen 25 Jahre alten Entwurf von George R. R. Martin zum Ende der Serie. Damals war sie noch als Trilogie gedacht. Er hat also durchaus auch ein Ende im Kopf, denn anders lassen sich die vielen Hinweise und das frühe Foreshadowing mancher Ereignisse kaum erklären. Zudem war ER es, der Benioff und Weiss gesagt hat, wie die Serie etwa enden soll. Das ist nämlich auch so ein Punkt, dass die beiden ihre Figuren an den Fixpunkten von Martin entlanghangeln mussten. So gesehen hat Martin also auch geplottet

Was treibt die Geschichte an?

Was ist dann also das eigentliche Problem? Es ist nicht die Art zu Arbeiten (Tee oder Kaffee, Plotter oder Pantser), sondern die Frage nach dem Drive der Geschichte. Das war eines der ersten Dinge, die ich über Stories gelernt habe. Es gibt Geschichten, die Character-Driven sind und es gibt Geschichten, die Plot-Driven sind. Diesen Unterschied herauszuarbeiten fiel mir vor allem zu Beginn meiner Autorenkarriere nicht leicht – aber wer ein perfektes Besipiel dafür haben will, muss sich Game of Thrones ansehen.

Während Martins Erzählungen zu 99% Character-Driven sind, änderte sich das mit dem Punkt, wo Benioff und Weiss wussten, dass sie auf ein Ende zusteuerten und dabei noch die Punkte a) b) und c) abzuarbeiten hatten. Was passierte? Die Figuren begannen sich OOC, out of character, zu verhalten und erstahlten in glänzender Plot-Armor, dass heisst sie sterben nicht, egal wie unwahrscheinlich das ist, weil sie für den Plot gebraucht werden.

Es sind genau diese Brüche, welche die Figuren überhastet oder unglaubwürdig wirken lassen, und die D&D zu völlig idiotischen Argumentationen brachten (Die Glocken machen mich verrückt, wir lassen die Dothraki zuerst losreiten, wir fangen nur Missandei, oh ich habe die Eiserne Flotte irgendwie vergessen!). Ich wiederhole aber an dieser Stelle, dass das absolut NICHTS damit zu tun hat, ob ich vorher eine Outline schreibe oder vor mich hinpantse.

Das Risiko Plotdriven zu schreiben steigt, je mehr ich mich an externen Plotpunkten entlanghangele, die meine Figuren irgendwie erreichen sollen. Genau das haben D&D getan. Sie hatten ihre Eckpunkte, die es irgendwie zu erreichen gab und was nicht passend war, wurde passend gemacht. Das fällt in einer Geschichte, die für sich alleine steht gar nicht so auf. Aber bei Game of Thrones, das so liebevoll und breit mit vielen Figuren auserzählt wurde, wirkt es, als hätte man die Seele der Serie gleich mit entsorgt.

Meine ganz persönliche Meinung ist auch, dass das übermäßige Nutzen von Beatsheets ein großes Risiko von Plot-getriebenem Erzählen mit sich bringt, aber hier scheiden sich die Geister.

Geschichten aus den Figuren heraus entwickeln

Auch ein Outliner, der zuerst seine Figuren ergründet, deren Motive, Ängste, Needs und Glaubenssätze, der wird eine Character-Driven Outline schreiben und damit nicht so etwas abliefern, wie Benioff und Weiss. Der Hautpgrund liegt in meinen Augen an den Rahmenbedigungen – beide haben schon bewiesen, dass sie es besser können – Zeitdruck, Geld und einfach 3.000 Menschen und die damit verbundenen Unwägbarkeiten haben ihnen aber wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Man kann also zu dem Schluss kommen, dass Geschichten, die aus den Figuren heraus entwickelt werden, einen höheren emotionalen Impact beim Zuschauer hervorrufen. Genau diese Kritik höre ich nämlich immer wieder; die Figuren verhalten sich so dämlich oder so anders, als wir sie kennen gelernt haben, dass den Zuschauern das Schicksal schlichtweg egal geworden ist.

Wenn man also eines aus der letztes Staffel mitnehmen kann, dann dass sie ein gutes Anschauungsmaterial für Autoren abgibt, wie unterschiedlich verschiedenen Herangehensweisen auf die Zuschauer wirken und wie man sorgfältig geknüpfte Verbindungen sehr leicht zerstören kann.

Quintessenz: Entspannt euch.

Also lehnen wir uns als Autoren einen Moment zurück. Genießen wir, dass wir nur unseren Figuren und unseren Geschichten verpflichtet sind und freuen wir uns über unsere Freiheit, in unseren Köpfen unendliche Welten entstehen lassen zu können, ohne auf 3.000 andere Menschen achten zu müssen. Manchmal kann Erfolg auch ein Fluch sein. Ich hoffe, auch diese Seite sieht man am Schaffen von Benioff und Weiss – denn so sehr ich auch mit der aktuellen Staffel hadere, so sehr haben die beiden auch Gutes für diese Serie getan.

Mit diesem Gedanken freue ich mich jetzt auf die letzte Folge, auch wenn ich mir wieder die Haare raufen werde. Was sind Eure Gedanken dazu? Wie schreibt ihr? Seid ihr Pantser oder Plotter? Habt ihr bei euren eigenen Geschichten schon mal den Unterschied zwischen Character und Plot-driven bemerkt? Ich freue mich auf Eure Kommentare.

Hallo liebe Leser,

der folgende Artikel ist ein Gastkommentar von Ron Kellermann und auf Auftakt meiner Zusammenarbeit mit dem Dramaturgieblog filmschreiben.de.

Ich bin dankbar für diese Möglichkeit. Der tiefe Fundus an Wissen, den dieses Blog bereithält ist lesenswert für jeden, der sich mit dem Schreiben beschäftigt, ganz gleich ob es sich dabei um Drehbuch- oder Prosaautoren handelt.

Der Originalartikel erschien am 08. Januar 2017 auf filmschreiben.de

Studium der Philosophie, Germanistik, Medien- und Kommunikationswissenschaften; seit 2001 in der Drehbuchentwicklung (u.a. als Dramaturg und Lektor bei Wüste Film, Hamburg); seit 2004 freiberuflicher Filmdramaturg und Drehbuchdozent; annähernd 300 Dramaturgie-Seminare und Stoffentwicklungs-Workshops; ca. 250 dramaturgische Beratungen von Autorinnen und Autoren; seit 2013 als Senior Consultant Storytelling im Experten-Netzwerk von die firma . experience design, Wiesbaden; Autor des Buches Fiktionales Schreiben – Geschichten erfinden, Schreiben verbessern, Kreativität steigern, Emons Verlag, Köln; sein Buch Das Storytelling-Handbuch: Inhalte professionell entwickeln erscheint im Frühjahr 2017 beim Midas Verlag, Zürich


Eine der Hauptschwierigkeiten beim Entwickeln und Erzählen einer Geschichte besteht darin, aus der riesigen Fülle von Ideen und den Möglichkeiten an Figuren, Konflikten, Handlungen, Themen, Ereignissen, Szenen und Dialogen die „richtigen“ auszuwählen und die „falschen“ wegzulassen. Die Kriterien, an denen sich Autorinnen und Autoren orientieren können, um diese Entscheidungen zu treffen, lassen sich mit dem Begriff Erzählökonomie bezeichnen: Welche dramatischen Elemente braucht eine Geschichte, um erzählt und als bedeutsames Ganzes verstanden zu werden? Und welche nicht?

WELCHE DRAMATISCHEN ELEMENTE BRAUCHT EINE GESCHICHTE, UM ERZÄHLT UND ALS BEDEUTSAMES GANZES VERSTANDEN ZU WERDEN? UND WELCHE NICHT?

Erzählökonomisches Arbeiten unterstützt Autorinnen und Autoren dabei, Klarheit über das zu gewinnen, was sie erzählen wollen, ihre Geschichten effizienter zu entwickeln und sich auf das erzählerisch Notwendige zu fokussieren. Dadurch vermeiden sie, ins Blaue abzudriften und Zeit zu verschwenden, den Erzählfaden zu verlieren und unnötig herumzueiern, die Geschichte irgendwann entsorgen zu müssen oder ein oberflächliches, nichtssagendes Heititeiti zu erzählen, das niemanden interessiert.

Filmisches Erzählen ist in genau diesem Sinne ökonomisch – Ausnahmen bestätigen natürlich das Gegenteil –, da Aus- und Abschweifungen hier schnell dazu führen, dass das Publikum nicht mehr folgen kann, weil es die Geschichte nicht versteht oder schlimmer noch: langweilig findet. Das hat mit den spezifisch filmischen Rezeptionsgewohnheiten und -bedingungen zu tun. Schauen funktioniert anders als Lesen. Man nimmt eine andere Haltung ein. Dennoch ist Erzählökonomie auch für Prosa-AutorInnen ein relevantes Thema.

Ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry drückt sehr schön aus, was Erzählökonomie meint: Perfektion entsteht nicht, wenn nichts mehr hinzuzufügen ist, sondern wenn man nichts mehr entfernen kann.

Dramatische Relevanz
Dieses Zitat ist gewissermaßen das Mantra der Erzählökonomie, deren übergeordnetes Kriterium die sogenannte „dramatische Relevanz“ ist: Welche Elemente sind dramatisch relevant, müssen also erzählt werden, damit die Geschichte Sinn ergibt und verständlich wird? Es gibt einen einfachen Test, um die dramatische Relevanz eines Elements zu ermitteln: Man lässt dieses Element einfach weg und betrachtet die Auswirkungen: Wie verändert sich die Geschichte, wenn ich dieses Element nicht erzähle? Bricht sie zusammen und wird unverständlich, ist das Element dramatisch hochrelevant. Verändert sie sich nicht, ist es dramatisch irrelevant und kann weggelassen werden – egal wie interessant und/oder originell es ist. Denn nicht alles, was interessant und originell ist, muss auch relevant sein. Und dramatische Relevanz sollte immer über der Verliebtheit in die eigenen Ideen stehen:

In writing, you must kill your darlings, soll William Faulkner gesagt haben.

NICHT ALLES, WAS INTERESSANT ODER ORIGINELL IST, MUSS AUCH DRAMATISCH RELEVANT SEIN.

Um über dramatische Relevanz entscheiden zu können, braucht es Kriterien: Nach welchen Kriterien lässt sich entscheiden, welche dramatischen Elemente gebraucht werden, um eine Geschichte zu entwickeln und zu erzählen und welche nicht? Die Spielfilmdramaturgie liefert diese Kriterien für alle drei Dimensionen einer guten Geschichte: der charakterzentrierten Dimension, der konfliktbasierten und der werteorientierten.

Einige der zentralen Werkzeuge und Kriterien werde ich nun vorstellen:

Dramatisches Ziel und dramatische Frage
Wesentliche Voraussetzung für eine aktive Hauptfigur und einen interessanten Konflikt ist das dramatische Ziel der Hauptfigur: Sie will etwas, etwas in der äußeren Welt. Das dramatische Ziel ist ein „äußeres Wollen“. Es ist immer konkret in dem Sinne, dass am Ende der Geschichte eine Situation eintritt, in der eindeutig entschieden wird, ob die Hauptfigur ihr Ziel erreicht oder nicht. Glück kann also nicht das Ziel einer Hauptfigur sein, weil es zu abstrakt ist. Publikum und Leserschaft wissen nicht, wann genau dieser Zustand erreicht ist. Das Glück müsste also konkretisiert werden: Wann genau ist die Figur glücklich – oder glaubt, glücklich zu sein?

NUR WER WEISS, WAS DIE HAUPTFIGUR WILL, KANN WISSEN, WIE SIE HANDELT UND WELCHE IHRER HANDLUNGEN DRAMATISCH RELEVANT SIND

Der Kommissar will den Mörder überführen. Die Liebenden wollen zusammen sein. … In dem Spielfilm LITTLE MISS SUNSHINE – der erzählökonomisch betrachtet nahezu ideal entwickelt ist – wollen Olive und ihre Familie rechtzeitig in Kalifornien ankommen, damit Olive an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen kann.

Nur wer weiß, was die Hauptfigur will, kann wissen, wie sie handelt oder welche ihrer Handlungen für das Erzählen der Geschichte relevant sind.

Aus dem dramatischen Ziel ergibt sich die dramatische Frage, die immer die Grundform hat: Wird die Hauptfigur ihr Ziel erreichen? Sie wird am Ende der Geschichte beantwortet: ja, nein, ja aber, nein aber. Ja, die Hauptfigur bekommt alles, was sie will; nein, sie verliert alles; ja, sie bekommt es, aber anders als sie dachte; nein, sie bekommt es nicht, erhält dafür aber etwas viel Wertvolleres, von dem sie zu Beginn noch gar nichts wusste.

Die dramatische Frage erzeugt den grundlegenden Spannungsbogen einer Geschichte. Der Prozess ihrer Beantwortung hält unser Interesse aufrecht und steigert es nach Möglichkeit sogar. Die Antwort auf sie befriedigt unser Interesse.

Wird der Kommissar den Mörder überführen? Werden die Liebenden zusammenkommen? Wird es Olive und ihrer Familie gelingen, rechtzeitig in Kalifornien anzukommen und den Wettbewerb zu gewinnen?

Im Hinblick auf die Erzählökonomie sind nur die Handlungen dramatisch relevant, die die Hauptfigur ausführt, um ihr Ziel zu erreichen und die damit zur Beantwortung der dramatischen Frage beitragen, kurz: Alles, was die Figur tut, tut sie, um ihr Ziel zu erreichen. Ob sie sich in der Konsequenz ihrer Handlungen ihrem Ziel nähert oder sich von ihm entfernt, spielt dabei keine Rolle. Würde Olives Familie plötzlich eine Bank überfallen, dann könnte das zwar spannend sein, es wäre aber nicht dramatisch relevant, weil der Banküberfall nichts mit ihrem Ziel zu tun hat. Anders wäre es, wenn sie Geld bräuchte, um ihren Weg fortzusetzen, beispielsweise für Benzin.

Geht es um die handlungsbasierte Dimension einer Geschichte, ist die Frage „Versucht die Hauptfigur mit dieser Handlung ihr Ziel zu erreichen?“ also ein wichtiges Kriterium für dramatische Relevanz. Dieser Dimension liegt die Frage „Um was geht es?“ zugrunde. In einer guten Geschichte geht es jedoch nicht nur um etwas, vielmehr erzählt sie auch über etwas. Erst dadurch erhält sie Bedeutung:

Die werteorientierte Dimension
Gute Geschichten sind immer auch Wertediskurse. Sie unterstützen uns dabei, Antworten auf zwei existenzielle Fragen zu finden: „Wie soll ich leben?“ und „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“. Die zentralen dramaturgischen Werkzeuge in dieser Dimension einer Geschichte und damit Kriterien für ihre dramatische Relevanz sind: das inhaltliche Thema, das emotionale Thema, die zentrale Frage und die Aussage einer Geschichte.

GUTE GESCHICHTEN SIND IMMER AUCH WERTEDISKURSE.

Inhaltliches Thema
Inhaltliche Themen können sein: aktive Sterbehilfe, die alternde Gesellschaft, illegale Einwanderung, Drogen, Inklusion, Integration, Gewalt, Spionage, Unterdrückung, Überwachung, Selbstjustiz, Patchwork-Familien, der Kalte Krieg und so weiter. Sie können kultur- und gesellschaftsspezifisch sein. Das Thema „alternde Gesellschaft“ beispielsweise wird in Deutschland immer bedeutender, in Ländern mit jungen Bevölkerungen spielt es hingegen keine Rolle.

Aus dem inhaltlichen Thema ergibt sich die Handlungsebene einer Geschichte. Es kann noch so interessant sein – ohne emotionales Thema, das ihm zugrunde liegt, bleibt es leblos.

DAS INHALTLICHE THEMA KANN NOCH SO INTERESSANT SEIN – OHNE EMOTIONALES THEMA BLEIBT ES LEBLOS.

Emotionales Thema
Zu den emotionalen Themen gehören: Liebe, Freiheit, Selbstbestimmung, Nähe, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Loyalität, Vertrauen, Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Unversehrtheit, Respekt, Heimat, Identität, Anerkennung und ihre Gegenteile: Hass, Sklaverei, Unsicherheit, Chaos, Fremdbestimmung, Distanz, Einsamkeit, Verrat, Krankheit, Orientierungslosigkeit, Verachtung, Identitätsverlust, Ausgeschlossensein, Ablehnung.

Emotionale Themen sind universell, archetypisch, transhistorisch, transkulturell, funktionieren also unabhängig von Zeit- und (Kultur)raum. Hollywood-Filme sind nicht wegen ihrer Stars oder großen Budgets weltweit erfolgreich, sondern weil sie überall auf der Welt emotional „verstanden“ werden können. Aus dem emotionalen Thema ergibt sich die emotionale oder Beziehungsebene.

Die zentrale Frage
Die zentrale Frage einer Geschichte – nicht zu verwechseln mit der dramatischen Frage – stellt das inhaltliche und das emotionale Thema in Form einer Frage dar, die die Autorin oder der Autor mit der Geschichte beantworten will. Dramatische und zentrale Frage geben einer Geschichte Richtung. Die Antwort auf die zentrale Frage ist die Aussage der Geschichte.

Die Aussage der Geschichte ist das, was dem Publikum mitgeteilt werden soll. Jede Geschichte – sofern sie als sinnvolles Ganzes verstanden wird und alle Fragen, die sie aufwirft, beantwortet – trifft eine Aussage, vertritt also einen bestimmten Standpunkt zu den Themen, über die sie erzählt – ob die Autorin oder der Autor will oder nicht. Denn eine sinnvolle Geschichte ist ein kommunikativer Akt und jedem kommunikativem Akt liegt ein bestimmtes Thema zugrunde, zu dem Stellung bezogen wird.

JEDE GUTE GESCHICHTE VERTRITT EINEN BESTIMMTEN STANDPUNKT ZU DEN THEMEN, ÜBER DIE SIE ERZÄHLT – OB DIE AUTORIN ODER DER AUTOR WILL ODER NICHT.

In LITTLE MISS SUNSHINE geht es auf der Handlungsebene um das inhaltliche Thema Erfolg, um Gewinnen und Verlieren: Die Familie fährt nach Kalifornien, damit Olive den Wettbewerb gewinnt. Ihre Handlungen sind auf dieses Ziel ausgerichtet. Die Beziehungsebene erzählt von den emotionalen Themen Gemeinschaft, Familie, Zugehörigkeit: Zu Beginn der Geschichte ist die Familie kaputt. Nur Olive versteht sich mit allen gut, die anderen wollen nichts mehr miteinander zu tun haben, belügen sich, feinden sich an. Am Ende funktioniert die Familie wieder, ihre Mitglieder halten zusammen und stehen füreinander ein.

Die zentralen Fragen lauten „Was ist ein Gewinner?“ (inhaltliche Ebene), „Was macht eine gute Familie aus?“ (emotionale Ebene) und „Was macht glücklich: Erfolg oder Familie?“ (inhaltliche und emotionale Ebene, aus der sich die Zuspitzung des Wertekonflikts in Form eines Dilemmas ergibt). Die Aussagen des Filmes sind: „Ein Verlierer ist jemand, der so viel Angst vorm Verlieren hat, dass er es noch nicht einmal versucht. Ein Gewinner versucht es, egal ob er erfolgreich und der Beste ist oder nicht“, „Eine Familie funktioniert, wenn ihre Mitglieder zusammenhalten und füreinander einstehen“ und „Familie ist wichtiger als Erfolg“.

Wie hilft mir das alles nun in Sachen dramatische Relevanz? In der werteorientierten Dimension stellt man sich die Frage, ob ein bestimmtes Element die Themen, die zentrale Frage und die Aussage transportiert beziehungsweise spiegelt oder nicht: Transportiert dieses Element das inhaltliche oder das emotionale Thema? Stellt es einen Standpunkt dar? Zeigt es eine andere Perspektive auf? Trägt es zur zentralen Frage und ihrer Beantwortung bei? Lauten die Antworten auf diese Fragen „nein“, kann man auf dieses Element verzichten.

FIGUREN SIND TRÄGER THEMATISCHER STANDPUNKTE.

In der charakterorientierten Dimension helfen diese Werkzeuge (die zwei Themen, die zentrale Frage und die Aussage), die Figuren stimmig und effizient zu entwickeln. Und zwar, indem ihnen bestimmte Standpunkte zugeordnet werden und sie damit thematische Aspekte transportieren: Auf der Beziehungsebene in LITTLE MISS SUNSHINE steht die Mutter für das positive Bild einer funktionierenden Familie („Wir sind eine Familie, und was immer auch geschieht, wir lieben uns, und das ist das allerwichtigste“). Der Sohn steht für die Negation von Familie, indem er mit seinem anfänglichen Schweigegelübde seinen Hauptkanal für Kommunikation verschließt – bis er dann doch irgendwann lauthals zum Ausdruck bringt, was er denkt und fühlt: „Ihr seid nicht meine Familie, ich will überhaupt nicht zu eurer Familie gehören, ich hasse euch: Geschieden, Selbstmord, Bankrott. Ihr seid Verlierer, beschissene Verlierer.“ Womit dieser Dialog nicht nur das emotionale, sondern zugleich das inhaltliche Thema bedient. Das ist gute Dialogarbeit.

Auf der Handlungsebene steht der Vater für das Thema Erfolg: Er hat ein Neun-Stufen-Konzept entwickelt, das garantierten Erfolg verspricht, ist damit jedoch selbst erfolglos. Er denkt an nichts anderes als an Erfolg und er spricht von nichts anderem. Seine Weltsicht ist klar definiert und unterscheidet zwischen „zwei Arten von Menschen: Gewinnern und Verlierern.“ Der Opa und der Onkel stehen für das Thema Verlieren: Der Opa hat in seinem Leben nie etwas auf die Reihe bekommen und fliegt sogar aus dem Pflegeheim. Der Onkel hat seine Liebe, seinen Job, seine Wohnung und seinen sozialen Status verloren und wollte sich deshalb das Leben nehmen.

Dass die Figuren als Familie wieder zusammenwachsen müssen, um glücklich zu werden, ist nicht der Grund, warum sie aufbrechen, warum sie aktiv werden. Aber es ist das, was sie am Ende bekommen: Sie gewinnen sich als Familie wieder, nachdem jeder einzelne zuvor alles verloren hat. Auf diese Weise sind inhaltliches Thema und emotionales Thema, Handlungsebene und Beziehungsebene miteinander verknüpft.

Fehlt Figuren der Bezug zu den Themen, der zentralen Frage und der Aussage einer Geschichte, wirken sie willkürlich und bleiben oberflächlich – egal, wie detailliert ihre Biografie ausgearbeitet ist und ob die Autorinnen und Autoren sogar wissen, welche Zahnpasta ihre Figuren benutzen. Insbesondere hier – in der Figurenentwicklung – sind dramatische Relevanz und Erzählökonomie von großer Bedeutung. Eine Figur zu entwickeln – ihre physiologische, soziologische und psychologische Dimensionen und ihre Biografie – macht zwar Spaß. Es kann aber auch schnell zu einer perfiden Vermeidungsstrategie werden: Man wähnt sich produktiv, tatsächlich vermeidet man jedoch, die Geschichte weiterzuentwickeln. Mit den Kriterien der dramatischen Relevanz können sich Autorinnen und Autoren immer selbst hinterfragen, ob sie gerade produktiv sind oder nur so tun.

FEHLT FIGUREN DER BEZUG ZU DEN THEMEN, DER ZENTRALEN FRAGE UND DER AUSSAGE EINER GESCHICHTE, WIRKEN SIE WILLKÜRLICH UND BLEIBEN OBERFLÄCHLICH.

Inhaltliches Thema, emotionales Thema, zentrale Frage und Aussage sind außerdem wesentliche Elemente der sogenannten Erzählintention. Mit „Erzählintention“ sind folgende Fragen gemeint: Warum will ich dieses Thema bearbeiten, diese Idee entwickeln, diese Geschichte erzählen? Was interessiert mich daran? Welche gesellschaftliche Dimension und Relevanz hat das Thema? Was will ich dem Publikum oder den Lesenden mitteilen? Was sollen sie über das Thema lernen? Woran können sie sich reiben?

Story Molecule: Handlungswelt, Beziehungswelt und Innenwelt
Wie der Charakter einer Figur sich entwickelt ist nachvollziehbar, wenn ihre Entwicklung dynamisch gestaltet ist, sich also Schritt für Schritt vollzieht, und nicht lediglich am Ende behauptet wird. Schritt für Schritt heißt, dass sich Ereignisse in der Außenwelt auf die Innenwelt der Figur auswirken und diese Auswirkungen wiederum rückwirkend die Handlungen der Figur und ihre Beziehungen beeinflussen. Ein hervorragendes Werkzeug, um diese wechselseitige Beeinflussung der drei Welten und Konfliktebenen einer Figur – der äußeren Welt der Handlungen, der emotionalen Welt der Beziehungen und der inneren Welt der Identität – zu gestalten, ist das Story Molecule. Es führt Plot und Figur zu einer dramatischen Einheit zusammen.

GUTE GESCHICHTEN SPIELEN IN DREI WELTEN: DER HANDLUNGSWELT, DER BEZIEHUNGSWELT UND DER INNENWELT.

Visualisiert wird es als drei ineinander liegende Kreise, die jeweils für eine Welt stehen: Der äußere Kreis stellt die äußere Welt dar, der mittlere Kreis die Beziehungswelt und der innere Kreis steht für die innere Welt. Mit dem Story Molecule lassen sich diese drei Welten entwickeln und in Beziehung zueinander setzen. Autorinnen und Autoren können es nutzen, um die Entwicklung ihrer Figur nachvollziehbar und dynamisch zu gestalten. Außerdem können sie mit ihm überprüfen, ob eine Geschichte in allen Welten spielt, eine dieser Welten beispielsweise zu dominant ist oder eine überhaupt nicht erzählt wird, und sie können festlegen, welche Fragen sich in ihnen für das Publikum und die Lesenden stellen: In welchen Welten spielt die Geschichte? Welche Fragen stellen sich in der Außen-, Innen- und Beziehungswelt? Habe ich in einem dieser Bereiche zu viele oder noch keine Fragen? Erzählt meine Geschichte mehr im Äußeren, auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen oder im Inneren der Figur? In welchen Szenen werden diese Fragen thematisiert?

In jeder dieser Welten stellt sich zudem eine richtungsgebende Hauptfrage, die für die dramatische Relevanz von Bedeutung ist. In LITTLE MISS SUNSHINE geht es in der äußeren Welt um die Fragen, ob die Familie rechtzeitig in Kalifornien ankommt und Olive den Wettbewerb gewinnen wird. In der Beziehungswelt lautet die Hauptfrage, ob die Familie wieder zu einer funktionierenden Gemeinschaft wird. In der inneren Welt stellt sich die Frage, ob die Familienmitglieder ihre Abneigungen gegeneinander ablegen, sich wieder vertrauen et cetera. Im Idealfall wirkt sich ein dramatisches Element auf alle drei Welten aus. Denn in gut entwickelten Geschichten wird nicht nur von allen drei Welten erzählt, vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig.

SIND DIE DREI WELTEN STATISCH, GIBT ES IM GRUNDE NICHTS ZU ERZÄHLEN, DANN IST DAS, WAS ERZÄHLT WIRD, LANGWEILIG.

Die dramatische Relevanz kann entsprechend mit folgenden Fragen überprüft werden: Verändert ein Ereignis in der äußeren Welt die Beziehungen der Figur zu anderen Figuren und ihr Innenleben? Wirkt sich eine Veränderung in der Beziehungswelt auf das Innenleben der Figur aus und lässt sie in der äußeren Welt anders handeln? Beeinflusst eine Veränderung in der Innenwelt der Figur ihre Beziehungen zu anderen Figuren und ihr Handeln in der äußeren Welt? Positive Antworten auf diese Fragen verleihen diesen drei Welten Dynamik. Sind sie nicht dynamisch, sondern statisch, gibt es im Grunde nichts zu erzählen, dann ist das, was erzählt wird, langweilig.

Fazit
Erzählökonomie und dramatische Relevanz sind keine Gesetze, denen Autorinnen und Autoren folgen müssen, um am Ende des Tages eine gute Geschichte in Händen zu halten. Sie verbieten nicht, eine Geschichte beliebig auszuschmücken, Anekdoten aus der Vergangenheit einer Figur zu erzählen, Neben- und Umwege zu beschreiten. Allerdings sollte man vorher genau wissen, was die Geschichte tatsächlich braucht, um zu funktionieren und verstanden zu werden.

WENN SICH AUTORINNEN UND AUTOREN NICHT KLAR DARÜBER SIND, WAS SIE EIGENTLICH ERZÄHLEN WOLLEN (UND WARUM), WIE SOLLEN ES DANN DAS PUBLIKUM UND DIE LESERSCHAFT SEIN?

Und hierbei helfen die Kriterien der dramatischen Relevanz. Sie unterstützen Autorinnen und Autoren dabei, eine Geschichte effizient zu entwickeln und fokussiert zu erzählen. Vor allem aber können sie mit ihnen eine größere Klarheit über das gewinnen, was sie erzählen wollen. Und eine solche Klarheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Geschichte. Denn wenn sich Autorinnen und Autoren nicht klar darüber sind, was sie eigentlich erzählen wollen (und warum), wie sollen es dann das Publikum und die Leserschaft sein?

Dieser Text ist in leicht veränderter Form zuerst in der AutorInnen-Zeitschrift Federwelt Nr. 113, August / September 2015 erschienen.

Heute geht es um das Thema Prologe, wozu sie gut sind, was einen Prolog kennzeichnet und welche Funktionen sie in einer Geschichte übernehmen können.

Vor einigen Tagen entwickelte sich ein harmloser Tweet zu einer ungeahnten Diskussion.

Dabei ging es um die Frage, ob ich in meine Geschichte einen Prolog einbauen sollte, oder nicht.

Als ich den Tweet schrieb wusste ich nicht, dass Prologe so die Gemüter erhitzen.

Zum ersten mal seit ich schreibe und mich mit Filmen beschäftige, hörte ich, dass Prologe in Schreibratgebern verpönt seien. Möglicherweise habe ich die falschen (oder genau die richtigen) Schreibratgeber gelesen, aber das kannte ich bis dahin nicht. Entsprechend überrascht habe ich reagiert und in mir wuchs der Wunsch, einen Blogbeitrag zu diesem Thema zu verfassen.

Ich beginne zunächst einmal mit der Frage, wieso ich mich, obwohl es zu Beginn nicht vorgesehen war, dazu entschieden habe, einen Prolog in meine Geschichte einzubauen.

Aktuell bin ich etwa in der Mitte meiner Story und stellte fest, dass ich die Motivation meines eignen Helden

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zunehmend unglaubwürdig fand. Ich selbst kannte sie natürlich, aber mir war bewusst, dass es meinen Lesern anders gehen würde. Also entschloss ich mich, einen Prolog voran zu stellen um genau diese deutlich zu machen. Wieso? Weil ein Kern der Motivation in der Kindheit meines Helden liegt, die Geschichte aber in seinem jungen Erwachsenenalter spielt.

Dieses Vorgehen ist nicht selten. Beispiel? Findet Nemo oder auch Batman. Gerade bei letzterem wird das Ereignis in seiner Kindheit immer wieder der eigentlichen Geschichte voran gestellt.

Wieso also sollte das böse sein?

Ich vermute, es liegt daran, dass junge Autoren dazu neigen, zu langsam in die eigentliche Geschichte einzutauchen. Wenn nach einem Prolog noch ein 50 Seiten erster Akt folgen und das Inciting Incident erst auf Seite 70 auftaucht, haben 95% der Leser das Buch gelangweilt zu Seite gelegt.

So weit, so gut. Aber Prologe sind ein Stilmittel, also wann nutzt man sie?

Nach ein wenig Recherche fand ich heraus, wie im deutschsprachigen Raum das Verständnis von Prologen ist und es lautet laut Wikipedia so:

Ein Prolog ist eine Einleitung, Vorrede oder auch ein Vorwort. Bekannt für seine Vorworte war beispielsweise Erich Kästner, der seinen „heiteren Romanen“ für Erwachsene gern ein ausführliches, ironisches und teilweise selbstkritisches Vorwort voranstellte.

Nach dieser Definition stimme ich zu. Einen Prolog, der die Stellungnahme des Autors zum folgenden Text beinhaltet wäre für mich der erste Grund, ein Buch zu Seite zu legen. Das liegt daran, dass ich Unterhaltungsliteratur schreibe.

Das ist aber, zum Glück, keine allgemeingültige Definition.

Dan Wells hat den „Ice Monster Prologue“ sogar zu einem Bestandteil seines 7-Punkte-Systems gemacht. Sein Argument: Den Leser packen und klar machen, das noch etwas kommt, auch wenn die Geschichte jetzt etwas ruhiger wird.

Ich habe meine Definition von Prologen von Ratgebern aus Hollywood. In Filmen sind Prologe ein relativ normales Stilmittel und auf diese Grundlagen möchte ich nun eingehen.

Was macht einen Prolog zu einem Prolog?

Die Grundlegende Struktur eines Prologs liegt darin, dass er

  1. in sich geschlossen ist und
  2. keine kausale Auswirkungen auf die eigentliche Geschichte hat
  3. und somit außerhalb des eigentlichen Plots steht

Das bedeutet – und daher kommt möglicherweise die Ablehnung gegen Prologe – er kann gestrichen werden, ohne

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dass es Auswirkungen auf die eigentliche Geschichte hat. Die Dinge, die in dem Prolog auftauchen, können beispielsweise über Dialoge in die Geschichte eingebaut werden.

Die Struktur kann dabei eine kurze Szene enthalten, etwa wie in „Jäger des verlorenen Schatzes“, in der Indy von einem riesigen Steinball verfolgt wird, oder sie kann einen ganzen Subplot entwickeln.

Beispiel: Rocky 1.

Im Prolog von Rocky 1 passieren eine ganze Reihe Dinge. Wir sehen Rocky, der sich selbst einen Loser nennt, wie er Geld für einen Kredithai eintreibt, Toiletten in einem Boxer-Gym putzt und Schildkröten in einem Zoogeschäft kauft, wo er Adrian trifft und sich in sie verliebt.

Die eigentliche Story beginnt, wenn der Gegner des Schwergewichtschampions Apollo Creed sich die Hand bricht. Statt den Kampf zu vertagen, entscheidet Apollo Creed sich für einen Marketing-Gag und will einem Nobody die Chance geben, gegen ihn anzutreten.

Er sucht sich Rocky aus. Das ist der Auslöser, das Inciting Incident der Story. Alles davor könnte gestrichen werden, aber es hätte erheblichen Einfluss auf unsere Empathie mit der Hauptfigur. In Rocky haben wir eine Vermischung von Akt 1 und Prolog, aber kennzeichnend ist, dass es keinen Kausalzusammenhang gibt.

Das ist auch ein guter Test für jeden ersten Akt, den wir schreiben: Selbst wenn ich mich in Akt 1 befinde, führt das was der Held tut dazu, dass er auf das auslösende Ereignis zusteuert, oder haben wir es mit völlig losgelösten Ereignissen zu tun?

In Alien zum Beispiel haben wir einen ersten Akt, in dem Stimmung, Genre und Thema etabliert werden. Aber alles was passiert, führt direkt zum auslösenden Ereignis. Es kann nicht gestrichen werden, ohne Einfluss auf die Geschichte zu nehmen und ist deswegen ein erster Akt statt eines Prologs.

Welche Funktionen hat ein Prolog?

Robert McKee spricht von 11 unterschiedlichen Funktionen, die ein Prolog erfüllen kann.

1. Er liefert Exposition

Durch einen Prolog kann verhindert werden, dass ungeliebte Flashbacks und lahme Dialoge benötigt werden, in denen sich die Figuren nur Dinge erzählen, die sie ohnehin schon wissen. Klingt logisch? Kommt aber doch immer wieder vor.

Es gibt zwei grundlegende Arten, Exposition in eine Geschichte einzubringen, nämlich

  • so spät wie möglich. Liefere Exposition erst, wenn das Publikum sie unbedingt braucht
  • wenn du sie bringst, dann liefere sie dramatisch, damit das Publikum gar nicht merkt, dass du gerade Exposition ablieferst.

Gelingt beides nicht ohne dass Du die gesamte Story umschreiben musst, könnte ein Prolog die Lösung sein.

So kann eine früh aufbereitete Exposition durch die ganze Story hindurch scheinen, ohne jemals wieder erwähnt zu werden. Beispielsweise wäre jedem klar ist, dass ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit dem Protagonisten noch heute Probleme bereitet. Der Film Copykill beginnt mit dem Mordanschlag auf die Protagonistin und er ist der Grund dafür, dass sie später das Haus nicht mehr verlässt.

2. Stimmung erschaffen

Durch den Prolog kann eine grundlegende Stimmung geschaffen werden. So kann bei einem Stück, das als Komödie startet, aber durchaus etwas derber ist, schon im Prolog klar machen: Hier wird niemandem weh getan, du darfst

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lachen, auch wenn das manchmal böse aussieht. Schon Shakespear nutzte in The Taming of the Shrew diese Technik.

3. Ein einzigartiges Setting etablieren

Manche Geschichten spielen in einer gewöhnungsbedürftigen Umgebung. Das können Traumwelten sein, Fabelwelten oder andere fremdartige Umgebungen, die dem Zuschauer nicht auf Anhieb zugänglich sind. Um das Setting zu etablieren, kann der Prolog herhalten.

4. Variabilität einführen

Beispiel Casablanca. Die ersten 30 Minuten des Films sind Prolog, bevor das auslösende Ereignis eintritt. Diese 30 Minuten liefern Action, politisches Drama, komödiantische Elemente bevor schließlich die eigentliche Love Story beginnt. Es ist klar, dass diese Story mehrere Elemente enthält.

5. Interesse wecken

Wie im Ice Monster Prolog angeführt. Interesse beim Zuschauer wecken für das, was noch kommt.

6. Rekapitulieren

Wird eigentlich nur bei horizontal erzählten Serien verwendet, wie beispielsweise 24 oder Revenge. Beginnt mit dem allseits bekannten „was bisher geschah“. Für Romane eher ungeeignet, wobei bei Tad Williams Shadowmarch-Serie eine solcher Prolog vorangestellt wurde, um das bisher geschehene noch einmal in Erinnerung zu rufen. Mir hat es nicht gefallen, da diese Art Prologe eher schlichte Wiedergaben sind und keinerlei Dramaturgie aufweisen.

7. Set Up für zukünftige Payoffs

Es werden, oftmals im Subtext versteckt, Set Ups gesetzt, die später in der Story genutzt werden. Auch hier als Beispiel Casablanca und Rick Blaines „I stick my neck out for nobody“ und schon klar ist, dass er dieses Versprechen nicht wird halten können.

8. Einen Rahmen für die Story bieten

Es gibt verschiedene Techniken, wie man eine Geschichte beginnt und beendet. Eine dieser Techniken ist das sogenannte „Framing“, also das umrahmen einer Geschichte durch zwei Events. Hierbei wird im Epilog der Prolog mit den dann gültigen Bedingungen gespiegelt um der Geschichte einen befriedigenden Abschluss (bedeutet nicht Happy End!) zu bieten. Meiner Meinung nach schwer zu handhaben, aber eindrucksvoll wenn es gut gemacht ist.

9. Dramatische Ironie entwickeln

Dramatische Ironie bedeutet, das Publikum weiß etwas, dass der Protagonist noch nicht weiß. Es gibt Prologe, die mit einem Event im Leben des Protagonisten anfangen und die eigentliche Geschichte zu einem gigantischen Rückblick machen. Beispiel: Ghandi beginnt mit dem Anschlag auf Ghandi. Boulevard der Dämmerung beginnt mit dem Tod des Protagonisten, Joe Gillis.

Diese Technik dient dazu Empathie mit dem Protagonisten aufzubauen und das Leiden zu verstärken, denn egal was er versucht, wie er sich anstrengt, wir wissen bereits was passiert und hoffen doch so sehr, dass es anders kommen möge.

10. Entwickelt einen Setup Sub-Plot

Siehe Rocky oder auch Predator mit Arnold Schwarzenegger. Zu Beginn des Films landet das Rettungskommando im Dschungel, erledigt den Auftrag, mäht alles um und befreit eine Geisel. Erst danach beginnt das Alien auf die Gruppe Jagd zu machen, der Subplot „Befreiung der Geiseln“ ist vor dem auslösenden Ereignis abgeschlossen.

11. Just for the Laughs

Eine Komödie funktioniert, wenn das Publikum lacht. Deswegen ist es in Komödien erlaubt und durchaus üblich, einen von der Story unabhängig Prolog zu bringen, bei dem der Zuschauer vor Lachen vom Stuhl fällt. Einfach um klar zu machen, dass das jetzt witzig wird und das Zwerchfell zu entspannen.

Ein Prolog hat also durchaus seine Daseinsberechtigung, wenn man ihn sinnvoll einsetzt.

Wie handhabt ihr es? Mögt ihr Prologe? Verzichtet ihr drauf? Wieso?

Trage Dich gerne in meinen Newsletter ein, wenn Dich meine Beiträge interessieren.

 

Wer es noch nicht wusste: Ich bin Fußballfan. Als geborener Dortmunder wurde mir das in die schwarz-gelbe Wiege gelegt. Ich habe zehn Jahre lang eine Dauerkarte besessen und mehr als ein Wochenende im Westfalenstadion verbracht.

Ich erinnere mich an Spiele, die sich eingebrannt haben, als hätte man mir ein Brandeisen ins Gehirn gedrückt. Der BVB gegen Malaga, ein 3:3 des BVB gegen Schalke. Ein 3:2 gegen die Bayern in den 90ern. Ein 1:1 gegen Hoffenheim und ein 4:4 gegen Stuttgart, der BVB gegen Rom im UEFA Pokal, gegen Juventus Turin im Finale der Champions League.

In all diesen Spielen gingen die  Emotionen wie in einer Achterbahn auf und ab, von einem Moment zum nächsten. Mit Herzrasen, Schweiß auf der Stirn und allem, was dazu gehört.

Aber das hier ist ein Autorenblog, wieso spreche ich über Fußball?

Die Antwort ist simpel: Was treibt jedes zweite Wochenende 80.000 Menschen dazu, ihr sauer verdientes Geld auszugeben um elf Männer dabei anzugucken wie sie gegen einen Ball treten?

Ich weiß, diese Frage stellen sich einige von euch.

Du wirst Dich wundern, es sind nämlich die gleichen Dinge die Deine Leser dazu bringen, Dein Buch zu Ende zu lesen.

Wat??– fragt der geneigte Ruhrpottler an dieser Stelle. Ich werde Dir das verdeutlichen, zunächst eine kurze Rechnunge dazu:

Eine Bundesligasaison hat 34 Spieltage plus Pokalspiele. Ich bin BVB Fan seit ich etwa zehn Jahre alt bin, das macht 26 Jahre á ca. 40 Spiele.

Ich habe in meinem Leben also deutlich über eintausend Fußballspiele meiner Lieblingsmannschaft gesehen. Davon habe ich bestimmt neunhundert wieder vergessen. Einige Spiele waren einfach grausam, andere okay oder auch gut, aber der Gegner war zu schwach oder das Ergebnis war einfach „erwartungsgemäß“. Einige wenige Spiele wurden zu Legenden.

Um meine kühne Behauptung von oben zu untermauern, nehme ich exemplarisch das Spiel Borussia Dortmund gegen FC Malaga aus der Saison 2012/13.

Was hat dieses Spiel mit Deinem Buch zu tun?

Wir beginnen am Anfang. Du stehst in der Bücherei oder an der Kinokasse. Welches Buch hole ich mir? Welchen Film schaue ich mir an? Du drehst das Buch herum und liest Dir den Klappentext durch und instinktiv weißt Du, ob das Buch etwas für Dich ist, denn als erstes schaust Du nach:

Dem Genre

Wenn ein spanischer Spitzenclub gegen einen deutschen Aussenseiter im Finale der Basketball Championsleague steht, habe ich fast die gleichen Voraussetzungen wie sie das kommenden Beispiel liefern wird. Nur etwas fehlt: Die Sportart interessiert mich nicht.

Jojo Moyes und Cecilia Ahern schreiben vielleicht tolle Bücher. Trotzdem werde ich ihnen womöglich nie die Chance geben, mich zu fesseln. Ich greife eher zu Heitz, Fitzek, Nesbo.

Der Klappentext verrät mir schon, worum es geht. Schlachten? Geil. Sadistische Mörder? Her damit! Was zieht mich an? Die Antwort:

Das Setting

Wir befinden uns im Viertelfinale der Champions League. Das ist die höchste Spielklasse des

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europäischen Vereinsfußballs. Es geht um Image und um viel, viel Geld. Wir haben das Rückspiel, welches in Dortmund stattfindet. Es gab ein Hinspiel, welches 0:0 ausging.

Im europäischen Pokal ist es so, dass ein Tor einer Auswärtsmannschaft doppelt zählt. Am Ende dieses Tages wird es einen Sieger und einen Verlierer geben. Ein Unentschieden ist nicht möglich, denn es würde sonst bis zum Elfmeterschießen weiter gespielt. Malaga genügt also ein 1:1, während der BVB gewinnen muss.

Damit haben wir Grundlagen, die auch für Deine Geschichte wichtig sind.

Das böse intergalaktische Imperium kontrolliert die Galaxis. Die Rebellen haben die Pläne des Todessterns, der ultimativen Waffen, erbeutet.

Ein hungriger weißer Hai terrorisiert einen kleinen Badeort und verspeist die Touristen. Ein Sheriff der Angst vor Wasser hat stellt sich der Aufgabe.

Okay. Das Setting gefällt mir. Aber es genügt nicht, dass das Spiel im Westfalenstadion stattfindet. Es muss auch die richtige Mannschaft darin spielen. Oder anders gesagt:

Ich habe Sympathie mit einem der Beteiligten

Malaga ist bestimmt eine schöne Stadt. Ich mag Spanien und ich mag Spanier. Aber an diesem Abend waren sie die Bösen, die es aus dem Weg zu räumen galt.

Ich persönlich bin unentschlossen, ob es wirklich Sympathie sein muss, oder ob Empathie nicht viel passender ist. Die Figur kann ein Arschloch sein, ich muss nur aus irgendeinem Grund mit ihr mitfühlen. Siehe Greg House oder Francis Underwood.

Im Fußball sind die Gründe dafür anders als in Geschichten, zumindest zum Teil. Aber so unterschiedlich dann doch nicht. Es gibt folgende Aspekte, die sich ähneln:

Ich bin BVB Fan, weil ich hier geboren bin – Ich habe Sympathie mit den Figuren des Ruhrgebietskrimis, weil ich hier geboren bin.

Ich bin Fan des FC Bayern, weil ich auf schönen und erfolgreichen Fußball stehe – ich mag Chuck Norris, weil ich es toll finde, wie elegant er seine Gegner fertig macht.

Ich bin Fan vom FC Schalke, obwohl wir seit über 50 Jahren keine Meisterschaft feiern durften – Ich liebe Harry Potter, weil er mir am Anfang so leid tut, wie er da unter seiner Treppe lebt (sorry liebe Schalker, das musste sein ;-))

Im Fußball wie auch im Roman hat der Underdog häufig viele Sympathien. Aber das alleine reicht nicht, sonst könnte ich mir die sympathischen Leute ja auch auf dem Trainingsgelände anschauen, statt ins Stadion zu rennen.

Was also noch?

Es steht etwas auf dem Spiel

Der Einzug ins Halbfinale. Es fehlen noch drei Spiele bis zum großen Sieg. Das ist kein Freundschaftsspiel, in dem es egal ist wer gewinnt. Es geht um Geld, Image, Selbstvertrauen.

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Gelingt es den Rebellen nicht die Pläne des Todessterns zu verstecken, wird die ganze Galaxis unterjocht.

Gelingt es Harry nicht Voldemort zu stoppen, wird er die in seinen Augen minderwertigen Muggel ausrotten

Ja, das klingt wichtig. Und bringt uns direkt zum nächsten Punkt. Wenn nur eine Mannschaft auf dem Spielfeld steht, ist das öde, denn zu einer guten Geschichte gehört:

Zwei Parteien wollen ein und dasselbe und der jeweils andere hindert ihn daran, sein Ziel zu erreichen.

Hier gibt es einen Sieger. Keine Kompromisse, keine Übereinkunft am Ende. Einer gewinnt, einer verliert. Der BVB kann sich nicht mit Malaga das Geld teilen und beide kommen weiter.

Die Rebellen können nicht mit dem Imperium einen Deal machen und so die Galaxis retten. Harry kann Voldemort nicht überzeugen, einfach aufzuhören, böse zu sein.

Im Fußball gibt es sogenannte Fernduelle. Die Mannschaften spielen nicht direkt gegeneinander, sondern gegen andere Gegner, aber es geht um Punkte, die dort geholt werden. Auch spannend, aber nicht so, wie ein direkter Vergleich.

Der Konflikt findet unmittelbar an ein und demselben Ort statt.

Es gibt jetzt 90 bzw 120 Minuten um zu klären, wer gewinnt. Im direkten Vergleich. Die Spannung ist ungleich dichter, als wenn erst der BVB antritt und eine Woche später der Gegner ;-)

Aristoteles spricht von der Einheit von Handlung und Zeit. Kein Muss, aber es schadet der Spannung nicht.

Man kann es auch kurz fassen. Der Drehbuchlehrer Dan Decker schreibt dazu:

„When two (or more) people want something from each other that they cannot have, right here and right now, you have drama“
Was brauchen wir sonst noch? Bis jetzt haben wir „nur“ die Rahmenbedingungen. Dabei hat noch niemand gegen den Ball getreten.

Allein dieses Wissen und es genügt, um mich ins Stadion zu ziehen, mich zu „verkleiden“ und fröhlich singend zu 80.000 anderen zu quetschen. Ich komme nicht vernünftig an Getränke, zahle für alles den dreifachen Preis und muss mich auf dem Rückweg in eine überfüllte Bahn drängen.
Tatsächlich war ich aufgeregt, aber nicht so sehr, wie das Spiel im Nachhinein glauben lässt. Der BVB hatte in den Jahren davor 2 Meisterschaften und einen DFB-Pokal gewonnen und war in guter Form. Malaga hingegen hatte Probleme mit einem Finacier der abgesprungen war und viel Unruhe im Umfeld des Vereins. Schon im Hinspiel hatte der BVB das Spiel klar in der Hand und scheiterte nur an den eigenen vergebenen Chancen. Zudem war Dortmund als einziges Team noch ohne Niederlage in der laufenden Championsleague Saison.

Es sprach also eigentlich alles für einen Sieg des BVB und entsprechend war meine Haltung.

Was bedeutet das für eine Geschichte? Was hat aus diesen nur mäßigen Rahmenbedingungen ein Spiel für die Ewigkeit gemacht? Veränderung.

Das „Inciting Incident“

Um eine Geschichte in Fahrt zu bringen, braucht es Veränderungen. Eine IST Situation, die sich in irgendeiner Form ändert. Auch hier scheiden sich die Geister, ob man das wirklich braucht, aber meiner Erfahrung nach gibt es immer einen Anstoß. Es gibt allerdings Geschichten, bei denen der Anstoß VOR der Geschichte stattfindet, so dass er aus der reinen Erzählung ausgespart bleibt.

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In meinem Fall war es die Erwartungshaltung. 80.000 Fans gingen davon aus, dass der BVB relativ elegant im eigenen „Tempel“ gewinnen würde. Auf dem Papier war man der Favorit.

Malaga wusste jedoch auch um was es ging. Aus Sicht der Spanier war man der Underdog, die Sensation rief und man machte es den Borussen schwer.

Robert McKee kennzeichnet einen Konflikt als „eine Kluft zwischen Erwartung und Ergebnis“. Ich nehme ein Telefon und rufe meine Freundin an. Ich erwarte, dass sie ran geht. Stattdessen meldet sich eine fremde Männerstimme und sagt mir, dass ich sie nicht sprechen kann. Da könnte man schon mal nervös werden…

Also auf in den 1. Akt. Das Spiel beginnt mit dem Anstoss.

Die Dortmunder Mannschaft kam von Beginn nicht gut in das Spiel. Sie war nervös und fahrig. Insgesamt hatte der BVB zwar einige Erfahrung, aber International war der BVB eine unbekannte. Noch in der letzten Saison schied man als Gruppenletzter in der Vorrunde aus.

Der Gegner (Antagonist) aus Malaga war aggressiv und nichts funktionierte, wie es sollte.

Der BVB spielte 25 Minuten lang nach vorn, fand jedoch kein Mittel das Tor zu treffen. Es gab Chancen, aber nichts Zwingendes.

Dann schoss Malaga das erste Mal aufs Tor…

… und traf in der 25. Minute.

Es ist übrigens herrlich Drehbuchreif. Die Teams haben sich bei diesem Spiel sogar daran gehalten hat, die Akte in etwa einzuhalten. 25 Minuten bei einem 90-Minuten Spiel entspricht etwa dem Ende des ersten Aktes.

Dank des ersten Aktes wissen wir: Der BVB ist nicht in Topform und der Antagonist ist gewillt alles zu geben. Nun das 0:1 und somit das „auslösende Ereignis“.

Streng genommen ist bei einem Fußballspiel das auslösende Ereignis natürlich der Anstoß. Allerdings gehört dieser zum Spiel dazu und wäre eher als Inciting Incident geeignet, wenn er NICHT kommen würde (Erwartung/Ergebnis). Aus diesem Grund habe ich in diesem Fall den großen Bruch mit der Erwartung (Sieg BVB) als Inciting Incident genommen. Dass man 25 Minuten schlecht spielte ist nicht so schlimm, solange man trotzdem ein Tor schießt. Aber jetzt standen die Zeichen auf Sturm.

Die nächsten 13 Minuten torkelte der BVB wie ein angeschlagener Boxer über das Spielfeld. Die Einsätze waren klar. Es konnte keine Verlängerung mehr geben, denn Auswärtstore zählen doppelt. Durch das 0:0 im Hinspiel war ein Sieg in der regulären Spielzeit nun die einzige Möglichkeit, weiterzukommen.

Die Spannung stieg, die Einsätze waren noch einmal erhöht. Genügte bis eben noch ein Tor um weiter zu kommen, müssen es jetzt zwei sein.

Die ticking Clock

Ein Spiel dauert 90 Minuten. In der Liga können sich Teams unentschieden trennen. Im Pokal können sie es unter bestimmten Bedingungen schaffen, in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen zu gehen, wo es mehr auf Glück ankommt. Das wird gerne von schwächeren Mannschaften versucht, um die technischen Nachteile auszugleichen.

Das geht jetzt nicht mehr. Der BVB hat noch 65 Minuten um mindestens zwei Tore zu schießen. Noch

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klarer kann man ein dramatisches Ziel nicht formulieren.

Agent Bauer hat noch 16 Stunden um den Attentäter zu finden und den Anschlag auf den Präsidenten zu verhindern.

Kurz vor Mitte des zweiten Aktes  taucht der damalige Borusse Robert Lewandowski vor dem Torwart auf. Marco Reus spielt ihm per Hacke zu und der Pole umspielt den Torwart mit seiner ganzen Klasse. Das war der BVB, wie wir ihn erwartet hatten. Technisch brilliant und effektiv.

1:1 – es fehlt noch ein Tor. Hoffnung keimt auf. 45 Minuten Zeit, ein Tor. Das ist machbar.

Auch hier hielten die Mannschaften sich an die Regeln der Dramaturgie: Der Midpoint einer Geschichte (beim Fußball die Halbzeit, das ist eher langweilig), etwas Wichtiges passiert. Es kann die Situation verschlimmern oder verbessern.

Nach der Halbzeit lieferten sich beide Seiten wilde Konflikte, Chancen Hüben wie Drüben. Der BVB rannte an, denn sie brauchten noch ein Tor. Aber es gelang nicht. Ohne die richtigen Ideen versandete das technisch gute Spiel der Borussen am Abwehrbollwerk der Spanier, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten nicht schön zu spielen, sondern zu gewinnen. In der 70. Minute wäre beinahe das Tor für die Gäste gefallen, aber der Dortmunder Torwart konnte im letzten Moment retten. Dem Leser oder Zuschauer stehen die Haare zu diesem Zeitpunkt zu Berge. Immer wieder bange Blicke zur Uhr. Kommt Jungs, das kann doch nicht so schwer sein.

Der Held begeht Konflikt für Konflikt um sein Ziel zu erreichen. Dabei versucht er es mit immer neuen Ideen, aber die Zeit läuft weiter und weiter und wenn sie bei 0 steht, ist es vorbei. Schafft er es, einen Konflikt zu lösen (Chance) tut sich der nächste auf (Konter!).

Die Dortmunder scheitern an diesem Abend vor allem an Willy Caballero, dem Torwart von Malaga, der eine Glanztat nach der nächsten vollbringt. Wie ein unüberwindbarer Fels hat er immer einen Fuß, eine Hand oder sonst ein Körperteil dazwischen und lässt die Borussen ihm wahrsten Sinn verzweifeln.

All is lost – Dark Night of the Soul

Das kennt ihr, wenn ihr „Save the Cat“ gelesen habt oder das 7-Punkte System von Dan Wells benutzt. Der Held kommt an seinen Tiefpunkt, alles scheint verloren. Wir sind am Ende des zweiten und im Übergang zum dritten Akt.

In der 82. Minute trifft Malaga aus einer irregulären Abseitsposition, aber der Schiedsrichter gibt das Tor.

Hier bekommen wir sogar eine zusätzliche Form des Antagonismus. Bislang steht es Spieler gegen Spieler, nun greift auch noch der Schiedsrichter durch eine Fehlentscheidung in das Spiel ein – alles scheint sich verschworen zu haben.

Robert McKee beschreibt 3 Ebenen des Konflikts. Den Inneren (Körper, Selbst, Emotionen), den Persönlichen (Freunde, Familie, „nahe“ Personen) und den Außerpersönlichen (Gesellschaft, Institutionen, Umwelt)

Die Fans raufen sich die Haare. Viele verlassen bereits jetzt das Stadion, enttäuscht. Verzweiflung macht sich breit. Wie kann das sein? Die Leute um mich haben hängende Schultern, die Minen zu Stein erstarrt. Das kann doch alles nicht wahr sein. Es mussten zwei Tore her – in acht Minuten. Das schafft man so gut wie nie.

Storming the Castle und Erkenntnis

Dein Held und seine Gruppe sammeln alle Kräfte um das Schloss zu erstürmen. So tut es der BVB.

Wie Harry Potter im Stein der Weisen erkennt, dass er wegen seines reinen Herzens den Stein in der Tasche hat, erkennt der BVB, dass sie mit Hacke-Spitze-123 nicht weiterkommen und werfen alles was sie haben nach vorne.

Dramaturgisch und mit etwas gutem Willen kann man hier von einem „Need“ sprechen. Die eine, tiefe Erkenntnis die der Held benötigt und die ihm hilft, sein Ziel zu erreichen. Der BVB erkennt, dass es jetzt nur noch hilft, alles nach vorne zu werfen (im Fußball eine ziemlich typische Reaktion, die auch oft nach hinten losgeht – aber dramaturgisch eben höchst wirkungsvoll).

Die 90 Minuten enden, und es steht noch immer 1:2. An der Seitenlinie hält der Schiri die Tafel hoch, auf der die Nachspielzeit angezeigt wird. In dicken, roten Strichen leuchtet dort die Zahl „4″. Die Ticking Clock in unglaublicher Dichte.

Ein Ball wird quer gelegt, es folgt ein Schuss, ein Abwehrspieler kann in letzter Sekunde klären, ich will schon „das gibt´s doch nicht“ brüllen, doch der geklärte Ball landet Marco Reus vor den Füßen und er netzt ein.

Bierduschen ergießen sich über mir und im Stadion passiert etwas. Wie ein unsichtbares Band zwischen Mannschaft und Fans entzündete dieses Tor eine Flamme und 80.000 Fans brüllen ihre Mannschaft nach vorne. Zwei, drei lange Bälle von hinten. Wilde Flanken in die Mitte. Keiner kann mehr ruhig sitzen. Die Fans schreien, 80.000 Herzen hämmern, dass ich es förmlich spüren kann.

Dann kommt von irgendwo eine Flanke in den Strafraum. Der prallt ab, prallt nochmal ab, kullert vor der Linie herum und wird schließlich von einem Borussen über die Linie gedrückt. 3:2 – der Sieg, erkämpft in 4 Minuten. Mannschaft und Stadion rasten aus. Mein Adrenalin pumpt mir durch den Körper, ich zittere und bin erschöpft, als hätte ich gerade einen Halbmarathon gelaufen.

Doch zufrieden mit dem Ergebnis und den unglaublichen Höhepunkten gehe ich nach Hause und habe ein Spiel gesehen, das ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde.

Weil es alle guten Merkmale eines spannenden Dramas hatte – die duch auch für Deine Geschichte nutzen kannst. Jetzt weißt du, was diese Dinge miteinander zu tun haben.

Die letzten 4 Minuten habe ich hier noch einmal auf Video für dich – auch wenn Du kein Fußballfan bist, kannst du das Drama jetzt vielleicht nachvollziehen

Ich danke euch allen, die meine Arbeit mit einem Kaffee unterstützen.

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https://www.youtube.com/watch?v=gOOKbrJUmf8

 

Hört, hört!

Ich freue mich, euch bald eine neue Kategorie auf meiner Homepage vorstellen zu dürfen.

Eine Autorenhomepage ohne den Bereich „Veröffentlichungen“ fühlt sich unfertig an. Wie der BER. Wie eine Kaffeemaschine ohne Filter. Wie ein Benjaming Spang ohne Döner. Wie ein BroAuthor ohne Bart.

Dank cluewriting.de ändert sich das noch in diesem Jahr, denn ich gehöre zu den 45 Glücklichen, die in die Kurzgeschichtenanthologie aufgenommen wurden. Zu meiner besonderen Freude gehöre ich dabei nicht nur zu den 20 Autoren, die in die gedruckte Ausgabe beim Verlag 3.0 kommen, sondern meine Geschichte „Die Würde des Bal“ wird auch noch als eine von fünf in Hörbuchform vercluecastet.

Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen, denn die Kurzgeschichte war der erste Text, den ich an die Öffentlichkeit gebracht habe. Unter so vielen hervorragenden Autoren (insgesamt 295, darunter auch die #BartBroAuthors Freddy Elting und Michael Behr) zum Kreis der Gewinner zu gehören ist eine Ehre. Jeder von uns Autoren kennt die inneren Stimmen die sagen, dass man nicht gut genug ist, dass man nicht wirklich flüssig schreibt. Sie sind nicht verstummt, aber gerade im Moment rufen sie ein wenig leiser.

Wie geht es weiter? Die Geschichte wird noch einmal redigiert und irgendwann nach dem 15.03.2017 veröffentlicht. Ab da findet ihr dann auch hier eine entsprechende Kategorie.

Bis Ende Februar (28.02.2017) veranstalte ich ein kleines Gewinnspiel: Trag Dich in meinen Newsletter ein. Alle auf der Liste (auch die, die schon jetzt Abonnenten sind) nehmen am Gewinnspiel teil und können eins von drei handsignierten Exemplaren der Antholgie gewinnen (nach Erscheinen, versteht sich). Ich ziehe die Gewinner per Zufallslos und informiere sie per Mail, damit mir die Adressen zugesendet werden können. Der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen. Viel Spaß!

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Wer sich die nervenaufreibende Gewinnverkündigung noch einmal ansehen möchte, kann das hier tun.

Vielen Dank fürs Lesen und bis bald,

Dein Bruno