Mirja S. (24, Name von der Redaktion geändert) reibt sich die Augen. Dunkle Ringe und aufgequollene Tränensäcke sind Zeugen einer kurzen Nacht.
„Es hat mich in den Bann gezogen und ich konnte es die ganze Nacht nicht zur Seite legen. Jetzt bin ich müde.“
Sie gähnt und holt sich einen Kaffee, ehe sie fortfährt: „Früher hatte ich ein, zwei Bücher und habe mir das Lesen eingeteilt. Heute ist mein ganzer Reader voll.“
Fälle wie der von Mirja S. sind keine Seltenheit in Deutschland. Landein, landaus schlagen sich Leser aller Altersgruppen Nächte um die Ohren. Was auf den ersten Satz banal klingt, hat System und ungeahnte Auswirkungen auf unser Zusammenleben.
Self Publishing – das unerkannte Problem
Glaubt man Prof. Dr. Anders Athik von der Universität Jyväskyla in Finnland, liegt das vor allem am Phänomen „Self Publishing“. Darunter versteht man Bücher, die ohne Verlage, direkt von den Autoren selbst angeboten werden
„Wir haben berechtigten Grund zu der Annahme, dass Selfpublishing verheerenden Einfluss auf unsere Gesellschaft hat“, so der Professor, der mit seiner bulligen Gestalt eher an einen Footballspieler als an einen Literaturprofessor erinnert.
Dr. Athik und eine Gruppe junger Forscher haben in einer großangelegten Studie nachgewiesen, dass Self Publishing mit einer ganzen Reihe sozialer Phänomene in Zusammenhang steht.
„Schauen sie doch einmal in die Welt. Seit Amazon seinen eReader auf den Markt gebracht hat, erhalten Populisten Einzug in alle Parlamente. Der Terror ist heute präsenter als je zuvor.“
Dr Athik empfiehlt einen Blick in die USA zu werfen, wo der Anteil selbstverlegter Bücher einen Großteil des Marktes ausmacht.
„In den USA verkaufen die sogenannten „Indie-Autoren“ schon jetzt mehr Bücher als die Big Five (die 5 großen Verlage in den USA, Anm. d. Red.) zusammen. Was haben wir davon? Trump im Weißen Haus und Hurrikane, so groß wie nie zuvor.“
Zudem steht Selfpublishing im Zusammenhang mit Übergewicht. In den USA nahm Fettleibigkeit seit Erscheinen des ersten eReaders um 6% zu. Im Jahr 2015 waren 38% der Amerikaner übergewichtig – die Charts der einschlägigen Belletristik werden von Selfpublishern beherrscht – mit einem Anteil von 35%.
„Das sind Zusammenhänge, die sich nicht wegreden lassen“, so Prof. Dr. Athik.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Stehen uns in Deutschland ähnliche einschneidende Erlebnisse bevor?
„Die Verlage und der Feuilleton weisen seit Jahren immer wieder darauf hin. Nicht umsonst werden Selfpublisher häufig von wichtigen Preisen oder Stipendien ausgeschlossen“, urteilt der Professor.
In der Tat finden sich häufig Warnhinweise in gängigen Kulturzeitschriften, auf Internetseiten oder Messen, die auf mangelnde Qualität der Werke hinweisen. Aus vielen Wettbewerben werden Self Publisher ausgeschlossen. Aber die Mauer bröckelt.
„Diese Hinweise sind richtig, aber nicht vehement genug. Man lässt sich einlullen.“
So gibt es inzwischen Zahlreiche Indie Autoren Preise. Sogar auf der Frankfurter Buchmesse gibt es eine eigene Self-Publishing Area.
„Eine verheerende Entwicklung“, so Prof. Dr. Athik.
Wer sich die Mühe macht, auf Amazon die Rezensionen zu lesen, bekommt schnell das Gefühl, dass der Professor richtig liegt.
„Konnte das Buch nicht mehr zu Seite legen“, steht da oder auch „Ein Buch wie eine Achterbahnfahrt.“. Wenn niemand mehr ein Auge darauf hat, was die Gehirne der Leser vertragen, wie soll man die Konsequenzen abschätzen können?
Es geht nur um den Absatzweg
Wenn Prof. Dr. Athik richtig liegt, dann ist nicht die Qualität des Produktes entscheidend, sondern der Veröffentlichungsweg.
„Es geht einzig und allein darum, ob ein Buch über einen Verlag oder selbst Veröffentlicht wird.“
So haben Bücher wie „der Marsianer“ oder „ 50Shades of Grey“ ihre schädliche Wirkung in dem Moment verloren, wo sie zu einem Verlag gewechselt sind.
„Diese Aussage konnten wir in 99% der Fälle belegen. Nur bei Shades of Grey ließ sich dieser Zusammenhang nicht zweifelsfrei nachweisen“, gibt Prof. Dr. Athik zu. Scheinbar können in wenigen Fällen auch Verlage den negativen Einfluss nicht stoppen.
Wie kommt es zu einer derartigen Schädlichkeit von selbstveröffentlichten Titeln?
Die Gene sind schuld
Die Forscher vermuten den Ursprung in den Genen.
„Geschichten sind ein Kulturgut. Wer gut Geschichten erzählen konnte, hat es schon in archaischen Gesellschaften weit gebracht. Mystiker und Schamanen, das waren eigentlich nur Geschichtenerzähler auf Drogen und sie gehörten stets zu den angesehensten Personen eines Klans. Das verlegte Buch ist seit Menschengedenken ein Gütesiegel für Qualität und das findet sich in unserem Erbgut. Unsere Gene warnen uns quasi: ‚Halt, da will Dir jemand eine Geschichte verkaufen, die kein Verlag haben wollte. Halt dich lieber fern, das ist ein Scharlatan‘. Das hat Früher gut funktioniert, aber heute geht das nicht mehr so leicht.“
In der Tat lassen sich viele Self-Publishing-Titel im Kindle Store nicht mehr von Verlagswerken unterscheiden. Die Cover wirken professionell, die Klappentexte sind kurz und eingängig. Einige bezahlen sogar Lektoren, um die Qualität eines Verlagsbuches vorzutäuschen.
„Wenn man sich das mal genau anschaut, handelt es sich hier um eine Verbrauchertäuschung“, meint Herbert Siebenstein von der „Schutzgesellschaft Verlagsbuch“.
„Self-Publisher imitieren Verlagsbücher, nehmen dann aber vielfach geringere Preise und zwingen den Leser somit grade zu, diese Bücher zu kaufen. Oftmals bemerkt der Leser nicht mal, dass er gar kein Qualitätsprodukt gekauft hat.“
Siebenstein ist der Meinung, dass das menschliche Gehirn nicht dazu in der Lage ist, die vielfältigen Eindrücke zu verarbeiten und mit einer Art Schutzabschaltung reagiert, die zu den genannten Nebenwirkungen führt.
„Unser Gehirn ist auf vorselektierte, marktgerechte Inhalte ausgelegt. Darum sind diese auch so erfolgreich. Es schadet uns, zu viele Meinungen und Inhalte zu bekommen, die nicht zuvor von Verlagslektoren und anderen Fachmenschen geprüft wurden.“
Schutzlos ausgeliefert
Wie also kann man sich schützen?
„Wir setzen uns seit Jahren für Warnhinweise auf Self-Publishing Titeln ein. Wir könnten uns aber auch eine Ampel vorstellen, allerdings hätte die dann nur grün oder rot. Auch eine Obergrenze wäre denkbar.“
So könne man eine geringe Anzahl an Self Publishingtiteln pro Jahr zulassen, da diese in der Menge der normalen Bücher integriert werden könne. So ließe sich verhindern, dass Self Publishingtitel ihre eigenen Charakteristika in den Markt einbringen und so das Kulturgut Buch verwässern.
Siebenstein hat auch schon eine Idee, wie ein Warnhinweis aussehen könnte
„Vorsicht Self Publisher. Lesen auf eigene Gefahr.“
Die Politik hat das Thema bislang noch nicht für sich entdeckt, Siebenstein rechnet aber spätestens in der nächsten Legislaturperiode damit.
„Schließlich können auch Ausländer und Flüchtlinge einfach so und ungehindert Bücher veröffentlichen. Spätestens da hört ja für viele der Spaß auf.“
Die Empfehlung der Experten ist klar: Finger weg von Büchern, die man nicht eindeutig einem bekannten Verlag zuordnen kann. Am besten nur gedruckte Bücher in Büchereien kaufen, keinesfalls eBooks.
Sonst sind sie es am Ende, der von Self Publishing Büchern in den Bann gezogen und nicht mehr losgelassen wird.
Lobend möchte ich in diesem Zusammenhang auch die FAZ erwähnen. Dessen voll kluger Köpfe steckendes Feuilleton schrieb mir schon vor über zwanzig Jahren weit vorausschauend, selbst verlegte Bücher erzeugten »Ekelverdacht«.
Ist diese Ansicht wirklich ernst gemein? Wenn ja, dann würde ich von einer Persönlichkeitsstörung sprechen. 1. Gibt es kaum ein Buch mit Fehlern, egal ob Selfpublishing oder Verlagsbücher,
2. habe ich schon beträchtliche Fehler und unprofessionelle Belanglosigkeiten von Verlagsbüchern aus sogar renommierten Verlagshäusern erfahren, so dass man annehmen könnte, dass gewisse Verlagslektoren auf Drogen waren.
Wenn man so einen Müll in den Raum schmeißt, dann sollte man mal kurz erklären warum ein Verlagsbuch unbedingt ein Qualitätsmerkmal darstellt. Lächerlich vom Feinsten :-).
Das Problem liegt aber woanders: viele Verlage bzw. Verlagslektoren sehen allmählich ihre Fälle davon schwimmen, weil Selfpublishing die Zukunft des Buchmarktes darstellt.
Wenn man Satire nicht versteht, sollte man sie nicht lesen. Manchmal kann man nur den Kopf schütteln.
Und: Welche »Fälle« schwimmen den Verlagen denn weg? Kriminalfälle?
Vielleicht war 1.05 Uhr nachts einfach zu spät, um zu kommentieren.
Alles neumodischer Krempel!1!11!!!
Das gute alte Verlags-Buch wird niemals dem Wahn der Online-Selfpublisher unterliegen! Zu den Fackeln! Ehm… also.. Moment das Feuer ist ja eigentlich eher schädlich für die Büchereien und Buchhandlungen und ehm… Rückzug!
Ein sehr schöner Artikel den ich irgendwie in der Stimme meines Opas gelesen habe (man denke sich einen 80 Jahre alten Holländer der Deutsch mit einem SEHR NRW-ischen Dialekt spricht) für den Selbstveröffentlichung von Büchern bedeutet, dass man ja gar kein richtiges Buch geschrieben hat.
Danke für den Kommentar :-) Schön, dass es dir Bilder (bzw Töne) im Kopf verursacht hat, das sehe ich als Lob für einen Autoren :-)
zu den Fakten. :-D :-D :-D.
Ich lach‘ mich weg.
Ein gutes Verlagsbuch kann ebenso mit einem guten Selfpublishing-Buch konkurrieren.
Eine herrliche Satire über die man schmunzeln hin und wieder sogar lachen kann.
Sollte sie jedoch ernst gemeint sein: Blödsinn vom Feinsten!
Danke, Erwin. Der Beitrag ist nicht umsonst mit „Satire“ getagged ;-)
„Seit Amazon seinen eReader auf den Markt gebracht hat, erhalten Populisten Einzug in alle Parlamente. Der Terror ist heute präsenter als je zuvor.“
Und auch den Zusammenhang mit Übergewicht finde ich fantastisch! Es hat schon einen Grund, warum Bücher wie 50 Shades of Grey in Verlagen veröffentlicht werden. Man liest, glaubt nicht, was da steht, liest nochmal und rennt anschließend so weit weg vom Buch, wie es nur geht. Das verbrennt Kalorien und ist gut für die Wirtschaft, weil nach nur einer Lesestunde bereits ein neues Buch gekauft wird. So macht es Piper auch mit den ganzen Youtuber-Ghostwriting-Büchern vor, bei denen nur eine prominente Persönlichkeit Name und Bild abgeben muss.
Ich bin definitiv für Warnhinweise auf Self-Publishing Titeln! Grandiose Idee. Nicht zu vergessen die Triggerwarnungen, die sind längst überfällig!
Ach, was solls: Wieso machen wir nicht einfach gleich 50 % der Fläche unserer Cover frei für abschreckende Fotos von übergewichtigen Leseratten in verwahrlosten Messie-Wohnungen – idealerweise mit brennender Küche, falls das das Budget der Schutzgesellschaft Verlag nicht übersteigt.
Auch den Hinweis, Bücher bloß nur in Büchereien zu lesen, untermalt die Professionalität und den Wahrheitsgehalt dieses Artikels, halte ich für sehr, sehr wichtig für die ahnungslosen Menschen da draußen!
* in Büchereien zu kaufen.
Mist, da hab ich mich doch vertippt!
Das „Vertippen“ passiert unzählige Male sogar in Verlagsbüchern. :-D
Das mit den Fotos auf den Covern habe ich auch schon überlegt. Vielleicht schlage ich das Herrn Siebenstein mal vor.
Was sollen diese Warnhinweise bringen?
Spätestens dann, wenn der Leser Fehler und dilettantische Holperigkeiten im Verlagsbuch feststellt, sind die Warnhinweise nicht nur überholt, sondern mehr als lächerlich, so dass man annehmen könnte, der Verfechter solcher Hinweise hat aber mal ein ganz starkes Problem. :-D