Ideen sind für Autoren überlebenswichtig. Doch manche Ideen hindern Dich mehr an der Arbeit, als das sie Dir helfen. Wie geht man am besten damit um?


Jeder Autor kennt sie. Plotbunnies. Du sitzt gerade an der Ausarbeitung des nächsten Dilemmas Deiner Hauptfigur. Leider tut keiner Deiner Helden was er soll, die Prämisse ist doof und sowieso fängt das ganze Projekt an zu nerven. Wieso wollte ich das noch mal schreiben? Ich bin ein echt mieser Autor! Die Idee ist sowieso Mist.

Das Gras auf der anderen Seite

Plötzlich kommt es angehoppelt. Die Rettung aus dem schnöden Alltagsleben der festgefahrenen Story. Das Fell glänzt flauschig, es zwinkert Dir zu. Dann setzt es sich hin und sagt:

„Hey, wie wäre es, wenn …“

Sofort beginnt Dein Kopf zu arbeiten. Super Idee! Dann könnte ich eine Figur entwickeln, die … und ich würde in der Welt … dann könnte ich auch…

Vor Deinem geistigen Auge entsteht die Geschichte. DIE Geschichte. Die, die Du schon immer schreiben wolltest. Nicht dieses langweilige Stück festgefahrener Möchtegernliteratur, das da vor Dir liegt. Nein, eine richtig gute Story.

Das halbleere Blatt vor Dir wedelt noch einmal kraftlos mit den Armen, wohlwissend, dass Du ihm bereits keine Beachtung mehr schenkst.

Du kramst derweil eines Deiner siebenhunderteinundreißig Notizbücher heraus, die alle irgendwann vollgeschrieben werden wollen und fängst an, Deine neue – DIE – Geschichte zu brainstormen.

Nächster Halt: Bestseller

Diesmal wird alles besser. Die Figuren werden sauberer ausgearbeitet, die Story wird besser durchdacht. Auch beim Worldbuilding mache ich diesmal keine Fehler und ich werde auch richtig recherchieren. So mit anderen Leuten anschreiben und so.

Und natürlich wird der Schreibstil nicht so einfältig und flach sein wie jetzt. Mir sprudeln schon jetzt die Ideen. Das wird Super! Die Geschichte werde ich dann verlegen. Oder an einen Agenten geben, der mich dann zu einem großen Verlag bringt.

Sagen wir so in sechs Monaten, das schaffe ich, wenn ich ab morgen 5.000 Wörter pro Tag schreibe…

Willenskraft adé

Glückwunsch. Du bist gerade in eine klassische Willenskraft-Falle getappt. Wer von uns kann sich davon freisprechen? Wer von euch hat nicht mindestens zwei Projekte, die irgendwann gleichzeitig angegangen wurden? Wer von euch fand nicht mal den Gedanken an ein neues, frisches Projekt sexy? Eines, bei dem alles viel besser laufen wird, weil wir viel disiplinierter, fleißiger und einfach auch klüger sein werden als beim aktuellen?

Wer von uns hat nicht die Euphoriewelle genossen, die bei den ersten Ideen einer neuen Geschichte über einem zusammenschwappt? Wenn die Geschichte noch nicht richtig greifbar ist, aber quasi nur noch vom Baum der Schreiberkenntnis geplfückt werden muss?

Sei beruhigt. Das betrifft alle Menschen. Es ist sogar ein so populärer Effekt, das er erforscht wurde. 

Man kann sagen, es gibt einen guten Grund dafür, dass Plotbunnies und andere Projekte genau dann in Deinen Gedanken auftauchen, wenn Du Dich eigentlich mit dem Text vor Dir beschäftigen solltest.

Gutes Gefühl und falsche Hoffnungen

Janet Polivy und C. Peter Herman von der Universität Toronto fanden heraus, dass wir uns zu einer Veränderung entschließen, wenn wir an einem Tiefpunkt sind.

Das muss nicht zwingend das Schreiben sein. Das gilt auch für alle anderen Dinge, mit denen wir unzufrieden sind. Wir fassen also einen Entschluss, uns nicht mehr so zu verhalten – uns besser zu verhalten. Klüger, schlauer, disziplinierter.

Allein der Vorsatz sich zu verändern, verleiht uns ein besseres Gefühl. Wir fühlen uns stärker, stellen uns vor, wie wir plötzlich als Autoren anerkannt werden, die Verlage uns die Manuskripte aus der Hand reißen oder es künftig nur noch 5-Sterne-Rezensionen im Internet gibt,

Zum Leidwesen der meisten Menschen, hält weder das Veränderungsversprechen noch die erhofften Belohnungen. Die Folge: Enttäuschung.

Sie fanden heraus, dass uns allein die Entscheidung zur Veränderung ein unmittelbares Glücksgefühl gibt. Die Entscheidung, das miese, lückenhafte Manuskript liegen zu lassen und gegen die eine, richtige Geschichte zu tauschen, gibt uns Kraft und Motivation – ohne dass wir überhaupt irgendetwas getan haben.

Allerdings kommen wir auch mit diesem Manuskript unweigerlich an den Punkt, an dem wir vor Problemen stehen. Das positive Gefühl ist aufgezehrt. Wir zetern und schimpfen. Das flauschige Plotbunny ist  zu einem zotteligen, zerrupften Hamster der Dich Nachts wach hält und auf die Hand pinkelt zusammengeschrumpft. Und dann, ganz unerwartet, kommt ein plüschiger frischer Plothase von irgendwo angehoppelt, blinzelt und sagt:

„Hey, wie wäre es denn…?“

Und sofort beginnt Dein Kopf, die eine Geschichte zu entwickeln….

Plothasenjagd

Diesen Zyklus nannten Polivy und Herman das „false hope Syndrom„. Es ist keine Strategie der Veränderung oder führt dazu, dass wir wirklich etwas besser tun oder in etwas besser werden, sondern eine Strategie des Gehirns, sich besser zu fühlen.

Dabei muss man beachten, dass Verhalten, die wir immer und immer wieder ausführen, irgendwann gelernt werden.

Es kann also passieren, dass wir uns eh wir uns versehen in einer reinen Plothasenjagd und einem Haufen angefangener Texte bewegen, ohne wirklich von der Stelle zu kommen.

Du kannst Dir vorstellen, was für Auswirkungen das auf die langfristige Motivation hat. Es ist, als würdest Du den 12 Anlauf nehmen, endlich ins Fitnessstudio zu gehen, wobei Du, Dein Unterbewusstsein und alle anderen Beteiligten wissen, dass Du es eh nicht durchhälst.

Oder um es einfacher zu sagen: Wenn Du bereits an Deinem vierten Projekt sitzt ohne je eines davon fertig geschrieben zu haben, dann schreibe dieses jetzt zu Ende! Pronto!

Plotbunnies sind nicht böse

Plotbunnies sind natürlich etwas tolles und weit entfernt von Monty Pythons Killerkanninchen. Es kommt auf die Richtige Haltung und Pflege an.

Ich empfehle Dir eine Software oder ein Notizbuch, in dem Du alle Plotbunnies sofort aufschreibst. Nimm dafür nur einen einzigen Ort, damit du sie immer wiederfindest.

Das Aufschreiben hilft Dir, dass Du die Ideen griffbereit hast, wenn Du sie wirklich brauchst – wenn Du Deine Geschichte zu Ende geschrieben hast zum Beispiel. Zum anderen verhindert es den sogenannten „Zeigarnik Effekt„. 

Dieser Effekt besagt, das wir uns Dinge besser merken, die unabgeschlossen sind. Unferiges bleibt im Kopf und kommt immer wieder hoch. Durch das Aufschreiben signalisiertst Du deinem Gehirn, dass alles okay ist und Du Dich später mit diesem Plotbunny beschäftigen kannst.

Und dann kannst Du Dich wieder Deinem Text widmen.

Natürlich gibt es Punkte, an denen es keinen Sinn mehr ergibt, sich mit einem völlig toten Mauskript auseinander zu setzen. Ich selbst hatte so einen Moment. Wichtig ist, dass Du es gut überlegt tust. Dass Du abwägst, ob Du nur einen Motivationstiefpunkt hast, oder ob das Manuskript wirklich unrettbar ist. Lass eine andere Person drüber schauen und hole Dir Feedback.

Und meine Empfehlung: Arbeit nicht an zu vielen Projekten zugleich. Ich schreibe immer nur an einer Geschichte und dazu maximal an einer Kurzgeschichte. Außerdem zerteile ich meine Projekte in vier Abschnitte, so dass ich immer wieder einzelne Prozesse (Recherche, Schreiben, Korrektur) von vorne beginne.

Das hilft mir, den Faden zu behalten und auch längere Phasen des Nichtschreibens motiviert zu überstehen.

Mit diesem Wissen entlasse ich Dich jetzt an Dein Manuskript.

Hab einen schönen Tag und immer schön am Stift bleiben!

Dein Bruno

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