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Wer es noch nicht wusste: Ich bin Fußballfan. Als geborener Dortmunder wurde mir das in die schwarz-gelbe Wiege gelegt. Ich habe zehn Jahre lang eine Dauerkarte besessen und mehr als ein Wochenende im Westfalenstadion verbracht.

Ich erinnere mich an Spiele, die sich eingebrannt haben, als hätte man mir ein Brandeisen ins Gehirn gedrückt. Der BVB gegen Malaga, ein 3:3 des BVB gegen Schalke. Ein 3:2 gegen die Bayern in den 90ern. Ein 1:1 gegen Hoffenheim und ein 4:4 gegen Stuttgart, der BVB gegen Rom im UEFA Pokal, gegen Juventus Turin im Finale der Champions League.

In all diesen Spielen gingen die  Emotionen wie in einer Achterbahn auf und ab, von einem Moment zum nächsten. Mit Herzrasen, Schweiß auf der Stirn und allem, was dazu gehört.

Aber das hier ist ein Autorenblog, wieso spreche ich über Fußball?

Die Antwort ist simpel: Was treibt jedes zweite Wochenende 80.000 Menschen dazu, ihr sauer verdientes Geld auszugeben um elf Männer dabei anzugucken wie sie gegen einen Ball treten?

Ich weiß, diese Frage stellen sich einige von euch.

Du wirst Dich wundern, es sind nämlich die gleichen Dinge die Deine Leser dazu bringen, Dein Buch zu Ende zu lesen.

Wat??– fragt der geneigte Ruhrpottler an dieser Stelle. Ich werde Dir das verdeutlichen, zunächst eine kurze Rechnunge dazu:

Eine Bundesligasaison hat 34 Spieltage plus Pokalspiele. Ich bin BVB Fan seit ich etwa zehn Jahre alt bin, das macht 26 Jahre á ca. 40 Spiele.

Ich habe in meinem Leben also deutlich über eintausend Fußballspiele meiner Lieblingsmannschaft gesehen. Davon habe ich bestimmt neunhundert wieder vergessen. Einige Spiele waren einfach grausam, andere okay oder auch gut, aber der Gegner war zu schwach oder das Ergebnis war einfach „erwartungsgemäß“. Einige wenige Spiele wurden zu Legenden.

Um meine kühne Behauptung von oben zu untermauern, nehme ich exemplarisch das Spiel Borussia Dortmund gegen FC Malaga aus der Saison 2012/13.

Was hat dieses Spiel mit Deinem Buch zu tun?

Wir beginnen am Anfang. Du stehst in der Bücherei oder an der Kinokasse. Welches Buch hole ich mir? Welchen Film schaue ich mir an? Du drehst das Buch herum und liest Dir den Klappentext durch und instinktiv weißt Du, ob das Buch etwas für Dich ist, denn als erstes schaust Du nach:

Dem Genre

Wenn ein spanischer Spitzenclub gegen einen deutschen Aussenseiter im Finale der Basketball Championsleague steht, habe ich fast die gleichen Voraussetzungen wie sie das kommenden Beispiel liefern wird. Nur etwas fehlt: Die Sportart interessiert mich nicht.

Jojo Moyes und Cecilia Ahern schreiben vielleicht tolle Bücher. Trotzdem werde ich ihnen womöglich nie die Chance geben, mich zu fesseln. Ich greife eher zu Heitz, Fitzek, Nesbo.

Der Klappentext verrät mir schon, worum es geht. Schlachten? Geil. Sadistische Mörder? Her damit! Was zieht mich an? Die Antwort:

Das Setting

Wir befinden uns im Viertelfinale der Champions League. Das ist die höchste Spielklasse des

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europäischen Vereinsfußballs. Es geht um Image und um viel, viel Geld. Wir haben das Rückspiel, welches in Dortmund stattfindet. Es gab ein Hinspiel, welches 0:0 ausging.

Im europäischen Pokal ist es so, dass ein Tor einer Auswärtsmannschaft doppelt zählt. Am Ende dieses Tages wird es einen Sieger und einen Verlierer geben. Ein Unentschieden ist nicht möglich, denn es würde sonst bis zum Elfmeterschießen weiter gespielt. Malaga genügt also ein 1:1, während der BVB gewinnen muss.

Damit haben wir Grundlagen, die auch für Deine Geschichte wichtig sind.

Das böse intergalaktische Imperium kontrolliert die Galaxis. Die Rebellen haben die Pläne des Todessterns, der ultimativen Waffen, erbeutet.

Ein hungriger weißer Hai terrorisiert einen kleinen Badeort und verspeist die Touristen. Ein Sheriff der Angst vor Wasser hat stellt sich der Aufgabe.

Okay. Das Setting gefällt mir. Aber es genügt nicht, dass das Spiel im Westfalenstadion stattfindet. Es muss auch die richtige Mannschaft darin spielen. Oder anders gesagt:

Ich habe Sympathie mit einem der Beteiligten

Malaga ist bestimmt eine schöne Stadt. Ich mag Spanien und ich mag Spanier. Aber an diesem Abend waren sie die Bösen, die es aus dem Weg zu räumen galt.

Ich persönlich bin unentschlossen, ob es wirklich Sympathie sein muss, oder ob Empathie nicht viel passender ist. Die Figur kann ein Arschloch sein, ich muss nur aus irgendeinem Grund mit ihr mitfühlen. Siehe Greg House oder Francis Underwood.

Im Fußball sind die Gründe dafür anders als in Geschichten, zumindest zum Teil. Aber so unterschiedlich dann doch nicht. Es gibt folgende Aspekte, die sich ähneln:

Ich bin BVB Fan, weil ich hier geboren bin – Ich habe Sympathie mit den Figuren des Ruhrgebietskrimis, weil ich hier geboren bin.

Ich bin Fan des FC Bayern, weil ich auf schönen und erfolgreichen Fußball stehe – ich mag Chuck Norris, weil ich es toll finde, wie elegant er seine Gegner fertig macht.

Ich bin Fan vom FC Schalke, obwohl wir seit über 50 Jahren keine Meisterschaft feiern durften – Ich liebe Harry Potter, weil er mir am Anfang so leid tut, wie er da unter seiner Treppe lebt (sorry liebe Schalker, das musste sein ;-))

Im Fußball wie auch im Roman hat der Underdog häufig viele Sympathien. Aber das alleine reicht nicht, sonst könnte ich mir die sympathischen Leute ja auch auf dem Trainingsgelände anschauen, statt ins Stadion zu rennen.

Was also noch?

Es steht etwas auf dem Spiel

Der Einzug ins Halbfinale. Es fehlen noch drei Spiele bis zum großen Sieg. Das ist kein Freundschaftsspiel, in dem es egal ist wer gewinnt. Es geht um Geld, Image, Selbstvertrauen.

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Gelingt es den Rebellen nicht die Pläne des Todessterns zu verstecken, wird die ganze Galaxis unterjocht.

Gelingt es Harry nicht Voldemort zu stoppen, wird er die in seinen Augen minderwertigen Muggel ausrotten

Ja, das klingt wichtig. Und bringt uns direkt zum nächsten Punkt. Wenn nur eine Mannschaft auf dem Spielfeld steht, ist das öde, denn zu einer guten Geschichte gehört:

Zwei Parteien wollen ein und dasselbe und der jeweils andere hindert ihn daran, sein Ziel zu erreichen.

Hier gibt es einen Sieger. Keine Kompromisse, keine Übereinkunft am Ende. Einer gewinnt, einer verliert. Der BVB kann sich nicht mit Malaga das Geld teilen und beide kommen weiter.

Die Rebellen können nicht mit dem Imperium einen Deal machen und so die Galaxis retten. Harry kann Voldemort nicht überzeugen, einfach aufzuhören, böse zu sein.

Im Fußball gibt es sogenannte Fernduelle. Die Mannschaften spielen nicht direkt gegeneinander, sondern gegen andere Gegner, aber es geht um Punkte, die dort geholt werden. Auch spannend, aber nicht so, wie ein direkter Vergleich.

Der Konflikt findet unmittelbar an ein und demselben Ort statt.

Es gibt jetzt 90 bzw 120 Minuten um zu klären, wer gewinnt. Im direkten Vergleich. Die Spannung ist ungleich dichter, als wenn erst der BVB antritt und eine Woche später der Gegner ;-)

Aristoteles spricht von der Einheit von Handlung und Zeit. Kein Muss, aber es schadet der Spannung nicht.

Man kann es auch kurz fassen. Der Drehbuchlehrer Dan Decker schreibt dazu:

„When two (or more) people want something from each other that they cannot have, right here and right now, you have drama“
Was brauchen wir sonst noch? Bis jetzt haben wir „nur“ die Rahmenbedingungen. Dabei hat noch niemand gegen den Ball getreten.

Allein dieses Wissen und es genügt, um mich ins Stadion zu ziehen, mich zu „verkleiden“ und fröhlich singend zu 80.000 anderen zu quetschen. Ich komme nicht vernünftig an Getränke, zahle für alles den dreifachen Preis und muss mich auf dem Rückweg in eine überfüllte Bahn drängen.
Tatsächlich war ich aufgeregt, aber nicht so sehr, wie das Spiel im Nachhinein glauben lässt. Der BVB hatte in den Jahren davor 2 Meisterschaften und einen DFB-Pokal gewonnen und war in guter Form. Malaga hingegen hatte Probleme mit einem Finacier der abgesprungen war und viel Unruhe im Umfeld des Vereins. Schon im Hinspiel hatte der BVB das Spiel klar in der Hand und scheiterte nur an den eigenen vergebenen Chancen. Zudem war Dortmund als einziges Team noch ohne Niederlage in der laufenden Championsleague Saison.

Es sprach also eigentlich alles für einen Sieg des BVB und entsprechend war meine Haltung.

Was bedeutet das für eine Geschichte? Was hat aus diesen nur mäßigen Rahmenbedingungen ein Spiel für die Ewigkeit gemacht? Veränderung.

Das „Inciting Incident“

Um eine Geschichte in Fahrt zu bringen, braucht es Veränderungen. Eine IST Situation, die sich in irgendeiner Form ändert. Auch hier scheiden sich die Geister, ob man das wirklich braucht, aber meiner Erfahrung nach gibt es immer einen Anstoß. Es gibt allerdings Geschichten, bei denen der Anstoß VOR der Geschichte stattfindet, so dass er aus der reinen Erzählung ausgespart bleibt.

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In meinem Fall war es die Erwartungshaltung. 80.000 Fans gingen davon aus, dass der BVB relativ elegant im eigenen „Tempel“ gewinnen würde. Auf dem Papier war man der Favorit.

Malaga wusste jedoch auch um was es ging. Aus Sicht der Spanier war man der Underdog, die Sensation rief und man machte es den Borussen schwer.

Robert McKee kennzeichnet einen Konflikt als „eine Kluft zwischen Erwartung und Ergebnis“. Ich nehme ein Telefon und rufe meine Freundin an. Ich erwarte, dass sie ran geht. Stattdessen meldet sich eine fremde Männerstimme und sagt mir, dass ich sie nicht sprechen kann. Da könnte man schon mal nervös werden…

Also auf in den 1. Akt. Das Spiel beginnt mit dem Anstoss.

Die Dortmunder Mannschaft kam von Beginn nicht gut in das Spiel. Sie war nervös und fahrig. Insgesamt hatte der BVB zwar einige Erfahrung, aber International war der BVB eine unbekannte. Noch in der letzten Saison schied man als Gruppenletzter in der Vorrunde aus.

Der Gegner (Antagonist) aus Malaga war aggressiv und nichts funktionierte, wie es sollte.

Der BVB spielte 25 Minuten lang nach vorn, fand jedoch kein Mittel das Tor zu treffen. Es gab Chancen, aber nichts Zwingendes.

Dann schoss Malaga das erste Mal aufs Tor…

… und traf in der 25. Minute.

Es ist übrigens herrlich Drehbuchreif. Die Teams haben sich bei diesem Spiel sogar daran gehalten hat, die Akte in etwa einzuhalten. 25 Minuten bei einem 90-Minuten Spiel entspricht etwa dem Ende des ersten Aktes.

Dank des ersten Aktes wissen wir: Der BVB ist nicht in Topform und der Antagonist ist gewillt alles zu geben. Nun das 0:1 und somit das „auslösende Ereignis“.

Streng genommen ist bei einem Fußballspiel das auslösende Ereignis natürlich der Anstoß. Allerdings gehört dieser zum Spiel dazu und wäre eher als Inciting Incident geeignet, wenn er NICHT kommen würde (Erwartung/Ergebnis). Aus diesem Grund habe ich in diesem Fall den großen Bruch mit der Erwartung (Sieg BVB) als Inciting Incident genommen. Dass man 25 Minuten schlecht spielte ist nicht so schlimm, solange man trotzdem ein Tor schießt. Aber jetzt standen die Zeichen auf Sturm.

Die nächsten 13 Minuten torkelte der BVB wie ein angeschlagener Boxer über das Spielfeld. Die Einsätze waren klar. Es konnte keine Verlängerung mehr geben, denn Auswärtstore zählen doppelt. Durch das 0:0 im Hinspiel war ein Sieg in der regulären Spielzeit nun die einzige Möglichkeit, weiterzukommen.

Die Spannung stieg, die Einsätze waren noch einmal erhöht. Genügte bis eben noch ein Tor um weiter zu kommen, müssen es jetzt zwei sein.

Die ticking Clock

Ein Spiel dauert 90 Minuten. In der Liga können sich Teams unentschieden trennen. Im Pokal können sie es unter bestimmten Bedingungen schaffen, in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen zu gehen, wo es mehr auf Glück ankommt. Das wird gerne von schwächeren Mannschaften versucht, um die technischen Nachteile auszugleichen.

Das geht jetzt nicht mehr. Der BVB hat noch 65 Minuten um mindestens zwei Tore zu schießen. Noch

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klarer kann man ein dramatisches Ziel nicht formulieren.

Agent Bauer hat noch 16 Stunden um den Attentäter zu finden und den Anschlag auf den Präsidenten zu verhindern.

Kurz vor Mitte des zweiten Aktes  taucht der damalige Borusse Robert Lewandowski vor dem Torwart auf. Marco Reus spielt ihm per Hacke zu und der Pole umspielt den Torwart mit seiner ganzen Klasse. Das war der BVB, wie wir ihn erwartet hatten. Technisch brilliant und effektiv.

1:1 – es fehlt noch ein Tor. Hoffnung keimt auf. 45 Minuten Zeit, ein Tor. Das ist machbar.

Auch hier hielten die Mannschaften sich an die Regeln der Dramaturgie: Der Midpoint einer Geschichte (beim Fußball die Halbzeit, das ist eher langweilig), etwas Wichtiges passiert. Es kann die Situation verschlimmern oder verbessern.

Nach der Halbzeit lieferten sich beide Seiten wilde Konflikte, Chancen Hüben wie Drüben. Der BVB rannte an, denn sie brauchten noch ein Tor. Aber es gelang nicht. Ohne die richtigen Ideen versandete das technisch gute Spiel der Borussen am Abwehrbollwerk der Spanier, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten nicht schön zu spielen, sondern zu gewinnen. In der 70. Minute wäre beinahe das Tor für die Gäste gefallen, aber der Dortmunder Torwart konnte im letzten Moment retten. Dem Leser oder Zuschauer stehen die Haare zu diesem Zeitpunkt zu Berge. Immer wieder bange Blicke zur Uhr. Kommt Jungs, das kann doch nicht so schwer sein.

Der Held begeht Konflikt für Konflikt um sein Ziel zu erreichen. Dabei versucht er es mit immer neuen Ideen, aber die Zeit läuft weiter und weiter und wenn sie bei 0 steht, ist es vorbei. Schafft er es, einen Konflikt zu lösen (Chance) tut sich der nächste auf (Konter!).

Die Dortmunder scheitern an diesem Abend vor allem an Willy Caballero, dem Torwart von Malaga, der eine Glanztat nach der nächsten vollbringt. Wie ein unüberwindbarer Fels hat er immer einen Fuß, eine Hand oder sonst ein Körperteil dazwischen und lässt die Borussen ihm wahrsten Sinn verzweifeln.

All is lost – Dark Night of the Soul

Das kennt ihr, wenn ihr „Save the Cat“ gelesen habt oder das 7-Punkte System von Dan Wells benutzt. Der Held kommt an seinen Tiefpunkt, alles scheint verloren. Wir sind am Ende des zweiten und im Übergang zum dritten Akt.

In der 82. Minute trifft Malaga aus einer irregulären Abseitsposition, aber der Schiedsrichter gibt das Tor.

Hier bekommen wir sogar eine zusätzliche Form des Antagonismus. Bislang steht es Spieler gegen Spieler, nun greift auch noch der Schiedsrichter durch eine Fehlentscheidung in das Spiel ein – alles scheint sich verschworen zu haben.

Robert McKee beschreibt 3 Ebenen des Konflikts. Den Inneren (Körper, Selbst, Emotionen), den Persönlichen (Freunde, Familie, „nahe“ Personen) und den Außerpersönlichen (Gesellschaft, Institutionen, Umwelt)

Die Fans raufen sich die Haare. Viele verlassen bereits jetzt das Stadion, enttäuscht. Verzweiflung macht sich breit. Wie kann das sein? Die Leute um mich haben hängende Schultern, die Minen zu Stein erstarrt. Das kann doch alles nicht wahr sein. Es mussten zwei Tore her – in acht Minuten. Das schafft man so gut wie nie.

Storming the Castle und Erkenntnis

Dein Held und seine Gruppe sammeln alle Kräfte um das Schloss zu erstürmen. So tut es der BVB.

Wie Harry Potter im Stein der Weisen erkennt, dass er wegen seines reinen Herzens den Stein in der Tasche hat, erkennt der BVB, dass sie mit Hacke-Spitze-123 nicht weiterkommen und werfen alles was sie haben nach vorne.

Dramaturgisch und mit etwas gutem Willen kann man hier von einem „Need“ sprechen. Die eine, tiefe Erkenntnis die der Held benötigt und die ihm hilft, sein Ziel zu erreichen. Der BVB erkennt, dass es jetzt nur noch hilft, alles nach vorne zu werfen (im Fußball eine ziemlich typische Reaktion, die auch oft nach hinten losgeht – aber dramaturgisch eben höchst wirkungsvoll).

Die 90 Minuten enden, und es steht noch immer 1:2. An der Seitenlinie hält der Schiri die Tafel hoch, auf der die Nachspielzeit angezeigt wird. In dicken, roten Strichen leuchtet dort die Zahl „4″. Die Ticking Clock in unglaublicher Dichte.

Ein Ball wird quer gelegt, es folgt ein Schuss, ein Abwehrspieler kann in letzter Sekunde klären, ich will schon „das gibt´s doch nicht“ brüllen, doch der geklärte Ball landet Marco Reus vor den Füßen und er netzt ein.

Bierduschen ergießen sich über mir und im Stadion passiert etwas. Wie ein unsichtbares Band zwischen Mannschaft und Fans entzündete dieses Tor eine Flamme und 80.000 Fans brüllen ihre Mannschaft nach vorne. Zwei, drei lange Bälle von hinten. Wilde Flanken in die Mitte. Keiner kann mehr ruhig sitzen. Die Fans schreien, 80.000 Herzen hämmern, dass ich es förmlich spüren kann.

Dann kommt von irgendwo eine Flanke in den Strafraum. Der prallt ab, prallt nochmal ab, kullert vor der Linie herum und wird schließlich von einem Borussen über die Linie gedrückt. 3:2 – der Sieg, erkämpft in 4 Minuten. Mannschaft und Stadion rasten aus. Mein Adrenalin pumpt mir durch den Körper, ich zittere und bin erschöpft, als hätte ich gerade einen Halbmarathon gelaufen.

Doch zufrieden mit dem Ergebnis und den unglaublichen Höhepunkten gehe ich nach Hause und habe ein Spiel gesehen, das ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde.

Weil es alle guten Merkmale eines spannenden Dramas hatte – die duch auch für Deine Geschichte nutzen kannst. Jetzt weißt du, was diese Dinge miteinander zu tun haben.

Die letzten 4 Minuten habe ich hier noch einmal auf Video für dich – auch wenn Du kein Fußballfan bist, kannst du das Drama jetzt vielleicht nachvollziehen

Ich danke euch allen, die meine Arbeit mit einem Kaffee unterstützen.

Um in Zukunft nichts zu verpassen, melde Dich doch zu meinem Newsletter an.

https://www.youtube.com/watch?v=gOOKbrJUmf8

 

 

Heute konnte ich Alessandra Reß für ein Interview auf meinem Blog gewinnen. Sie ist 26 Jahre alt und lebt in der Nähe von Köln. Nach diversen Szenepublikationen sind 2012 ihre ersten Kurzgeschichten erschienen, 2013 wurde zudem mit „Vor meiner Ewigkeit“ ihr Debütroman bei Art Skript Phantastik veröffentlicht.

Nachdem bereits Mitte 2016 ihre Novelle „Liminale Personae“ (Amrûn Verlag) erschienen ist, folgte Mitte Oktober auch die Printausgabe des Cyberfantasy-Romans „Spielende Götter“. Den findest Du z. B. im Verlagsshop von Ohneohren oder auch über die meisten Buchhandlungen und Online-Shops. Worum geht es dabei? Der Klappentext verrät’s:

„… Lade Interface …

… Willkommen in Holus …

Username: _

Passwort: _

Das Leben ist ein Spiel. Zumindest in Lucies Freizeit. Die junge Frau sieht sich in ihrem Schulalltag mit Mobbing konfrontiert. Doch wie alle anderen Jugendlichen, deren gesellschaftlicher Stand es erlaubt, entflieht sie der Grausamkeit der Realität mit dem regelmäßigen Einloggen in die Simulation Holus.

Virtuelle Menschen kämpfen hier in blutigen Kriegen. Götter verheeren Landstriche aus kunstvoll angeordneten Pixeln. Die Spieler aus der Primärrealität schwingen sich zu Herrschern auf.

Doch wo endet die Wirklichkeit und an welcher Stelle beginnt das Spiel? Gibt es DIE Wirklichkeit überhaupt? Und wird Lucie Antworten auf diese Fragen finden?“

Wenn ihr Alessandra folgen wollt, könnt ihr das auf dem Blog http://fragmentansichten.wordpress.com oder bei twitter.com/FragmentAnsicht.

Interview

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was machst Du, außer zu schreiben?

Vom Schreiben kann ich schon leben, allerdings nicht als freier Schriftsteller. Hauptberuflich arbeite ich als Redakteurin und Autorin für Lehr- und Lernmedien.

2. Wie bist Du dazu gekommen zu schreiben und seit wann schreibst du?

Ich war vermutlich so 6 oder 7 Jahre alt, als ich das erste Mal meiner älteren Schwester nachgeeifert habe, die das Schreiben vor mir entdeckt hatte. Gemeinsam haben wir uns Geschichten für unsere Spielfiguren ausgedacht und sie aufgeschrieben. Das dürfte so der Knackpunkt gewesen sein, aus dem heraus sich dann auch irgendwann die ersten Romane entwickelt haben.

3. Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu veröffentlichten?

Bezogen auf Prosa: Das erste Mal an einen Verlag gewandt habe ich mich mit 16 im Rahmen des damaligen Wolfgang-Hohlbein-Preises. Das war 2006. Aber erst seit meinen ersten Veröffentlichungen 2012 erstelle ich meine Texte mit dem Vorsatz, sie für die Öffentlichkeit zu schreiben. Mit Artikeln und Sachtexten habe ich allerdings etwas früher losgelegt.

4. Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Da ich nicht die erste Schriftstellerin in meiner Familie war – auch was das Veröffentlichen angeht, war meine Schwester schneller als ich ;) – war die Überraschung nicht so groß. Die meisten meiner szeneexternen Freunde können nicht viel anfangen mit dem, was ich schreibe, aber grundsätzlich ist die Haltung in meinem Umfeld auf jeden Fall positiv. Selbst, als ich angekündigt habe, nur noch Teilzeit arbeiten zu wollen, unter anderem um mich stärker auf die Schriftstellerei konzentrieren zu können, hat meine Familie liberal reagiert. Da haben Kollegen schon von anderen Reaktionen erzählt.

5. Ist Verlagspublikation oder Selfpublishing dein Weg?

Verlagspublikation. Selfpublishing reizt mich zwar, aber momentan bin ich ganz froh, nur eine Milchsau zu sein, ohne auch noch Eier legen zu müssen. Davon abgesehen schätze ich die (Klein-)Verlagsszene und deren Vernetzung.

6. Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Anfangs aus praktischen Gründen. Verlage waren (neben Agenturen) bei meinen ersten Schritten eben noch der klassische Weg, Selfpublishing hieß vor allem Eigenverlag. Davon abgesehen brauchte ich die Bestätigung durch einen Verlag als Qualitätsbeweis, nach dem Motto: Wenn ein Unternehmen bereit ist, Geld in mein Werk zu investieren, bin ich offenbar nicht der Einzige, der Potenzial darin sieht. Mit den heutigen Möglichkeiten des Selfpublishings hätte ich vielleicht auch darauf zurückgegriffen, aber rückblickend bin ich dennoch froh, zunächst den Weg über einen Kleinverlag gewählt zu haben. So konnte ich den ganzen Veröffentlichungsprozess Schritt für Schritt kennenlernen und habe einen stärkeren Einblick in die Szene und Branche bekommen.

7. In welchem Genre schreibst Du?

Hauptsächlich Phantastik – Fantasy, Science Fiction, Postapokalypse und übernatürliche Thriller. Gelegentlich habe ich auch Ausflüge in die Gegenwartsliteratur gewagt, aber das vornehmlich bei Kurzgeschichten und deutlich weniger erfolgreich.

8. Wie sieht dein gewöhnlicher Schreibtag von morgens bis abends aus?

Hm, das kann ich nicht richtig verallgemeinern. Theoretisch sind der Freitag und/oder der Samstag meine Hauptschreibtage außerhalb des „Brotjobs“ (je nachdem, wie viel gerade ansteht). Da sehe ich dann zu, nicht allzu lange zu schlafen – was mir meistens eher schwer fällt ;) – und danach zumindest an einem der beiden Tage einen „klassischen“ Arbeitstag einzulegen. Heißt: Circa vier Stunden an den Projekten arbeiten, danach Mittagspause, eventuell einkaufen, im Anschluss wieder circa vier Stunden schreiben. So Bilderbuch-mäßig klappt das aber nicht immer, deshalb sehe ich zu, dass ich mich den äußeren Umständen anpasse. Zum Beispiel bin ich recht viel mit dem Zug unterwegs und wenn ich weiß, dass etwa sonntags eine längere Fahrt ansteht, lege ich meine Schreibzeit darauf. In manchen Wochen lege ich aber auch nach der Arbeit noch Schreibsessions ein, dafür schaffe ich dann am Wochenende ein Kontrastprogramm. Irgendwann habe sogar ich mal genug Buchstaben gesehen und das Bedürfnis, unter Menschen zu gehen ;) Wenn ein Wochenende durch Cons o. ä. geblockt ist, fällt das Schreiben dadurch auch schon einmal aus oder wird auf die Veranstaltung verlegt.

9. Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

An erster Stelle steht natürlich immer die ominöse Inspiration, die sich bei mir aus unterschiedlichsten Quellen speist: Mal sind es Lieder, mal Träume, mal eine Bahnfahrt, ein Uni-Seminar, das Ende einer (eigenen) Kurzgeschichte oder ein Gemälde, aus dem eine erste Idee entsteht. Ist die vorhanden, schlägt bei mir die Stunde der kryptischen Mind-Maps. Wenn möglich, setze ich mich dazu in Garten oder Park und schaue, ob ich nur eine nette Idee habe, oder auch die Basis für eine Handlung. Ist zweiteres der Fall, geht es an die Details und die eigentliche Plotentwicklung, wenngleich sich während des Schreibprozesses erfahrungsgemäß vor allem in den Nebensträngen noch viel tut.

10. Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

Das ist unterschiedlich. Im Durchschnitt plane ich so 16 Stunden „freie“ Schreibzeit ein, aber darunter fallen neben den Buchprojekten auch Artikel und Blogposts. Außerdem gibt es Phasen, in denen ich mir von alldem eine Pause gönne und wiederum andere, in denen ich deutlich über den 16 Stunden liege.

Während meines Studiums habe ich zeitweise täglich vier Stunden mit der Manuskriptarbeit verbracht, aber das lässt sich inzwischen nur noch selten bewerkstelligen.

11. Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Schon während des Schreibprozesses lege ich immer mal Pausen ein, in denen ich das bisher Geschriebene rekapituliere und überarbeite. Im Durchschnitt gibt es drei solcher Phasen, von denen natürlich die ersten Kapitel mehr profitieren, da sie häufiger überarbeitet werden. Danach folgt meist ein erster Komplettdurchgang, ehe die Testleser das Manuskript bekommen. Pro Testleser gibt es dann einen erneuten Überarbeitungsdurchgang und spätestens danach kann ich den Text erst mal nicht mehr sehen :)

12. Wie wichtig ist für Dich die Struktur Deiner Geschichte?

Schwierige Frage. Sie ist auf jeden Fall wichtiger geworden. Bei meinem Debüt „Vor meiner Ewigkeit“ habe ich noch einfach drauf los geschrieben, aber dadurch entspricht der Roman auch nicht den Lesergewohnheiten. Inzwischen plotte ich auf jeden Fall deutlich mehr im Vorhinein und orientiere mich dabei an irgendeiner Form von Struktur, wobei es sich dabei wie in „Liminale Personae“ auch mal um ethnologische Theoreme handeln kann. Will der Verlag vorher ein Exposé sehen, ist ja ohnehin eine gewisse Vorplanung nötig. Es hängt aber auch davon ab, ob für mich jeweils wie bei „Vor meiner Ewigkeit“ und „Liminale Personae“ eher die Idee, oder wie bei „Spielende Götter“ und meinem aktuellen Projekt die Handlung im Vordergrund steht. Bei letzterem lege ich mehr Wert auf eine Durchstrukturierung.

13. Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt weiterempfehlen?

Keines. Ich bin da eher der Forentyp.

14. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben erhalten hast?

Hm … spontan fällt mir dieser ein, der zumindest für Neulinge nicht schlecht ist: Ich habe vor locker zehn Jahren ein Interview mit Stephan R. Bellem gelesen, in dem er meinte, man solle ein Manuskript erst einmal einige Monate liegen lassen, bevor man es überarbeitet. Wenn man anfängt, das Schreiben (und Veröffentlichen) halbwegs regelmäßig zu betreiben, lässt sich das nicht mehr so leicht bewerkstelligen, aber bei „Vor meiner Ewigkeit“ war das wirklich eine sinnvolle Sache. Die erste Version davon war zwar in Ordnung, aber ich denke, das Manuskript hat deutlich dadurch gewonnen, dass ich es Monate später noch einmal neu angefasst und komplett überarbeitet habe.

15. Welche drei Bücher haben dich am meisten inspiriert und warum? 

Oh je, bei solchen Fragen habe ich immer Angst, ein wichtiges Buch zu vergessen. Also, auf jeden Fall muss ich „Der Sohn der Sidhe“ von Kenneth C. Flint nennen, weil mich dieses Buch erst so richtig zur phantastischen Literatur (und zum Interesse für Mythologie) gebracht hat. Außerdem der „dtv Atlas Ethnologie“ – ein Nachschlagewerk, das meiner Meinung nach bei keinem Autoren fehlen sollte, der sich an der Erfindung neuer Gesellschaften versucht. Ich belasse es mal bei diesen beiden, weil ich bei den restlichen Büchern, die mir zu dem Thema einfallen, keines wirklich dem anderen bevorzugen kann.

16. Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Eine Kanne Tee ist schon mal ein guter Anfang. Wenn es später wird, gelegentlich auch mal eher ein Glas Weißwein. Oder, wenn ich an einer Szene hänge, ein Tapetenwechsel – dann geht es mit Notizbuch aus dem Haus in den Park oder ein Café. Überhaupt ist das manuelle Schreiben mein bester Motivator. Am Laptop hänge ich oft oder lasse mich ablenken – im Notizbuch gehen mir auch schwierige Szenen normalerweise leichter von der Hand. Beim Übertragen habe ich dann außerdem gleich eine Überarbeitung inklusive.

17. Was sind Deine besten Tipps, wenn es darum geht Deinen Roman an den Mann zu bringen?

Ich glaube, das hängt immer vom Roman und vom Autor ab. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass eine gewisse Sichtbarkeit der Person wichtig geworden ist. Netter klingt das, wenn man es als Vernetzung bezeichnet. Da denken wiederum die meisten inzwischen an Social Media. Das ist durchaus wichtig, vor allem, um überhaupt mal einen Überblick über Szene und Branche zu bekommen, wenn man den nicht schon auf anderem Wege erhalten hat. Man sollte aber auch vor die Tür gehen – Lesungen halten, Stände auf Conventions anbieten, gerade als Kleinverlagsautor oder Selfpublisher. Ich bin nun wirklich keine Rampensau, habe aber die Erfahrung gemacht, dass man so am ehesten Leser erreicht, denen man noch kein Begriff war. Um mal aus dem relativ eng gefassten Szenebereich herauszukommen, schadet es außerdem nicht, sich über den Tellerrand hinaus zu vernetzen, vor allem im regionalen Bereich. Ich weiß aber auch, dass das nicht immer so einfach ist. An meinem früheren Wohnort habe ich relativ viel Unterstützung von regionalen Kulturvereinen oder Zeitungen bekommen. Wo ich jetzt wohne, ist das Interesse leider viel geringer. Wahrscheinlich sind die Leute hier im Ballungsgebiet von NRW zu übersättigt, es gibt viel Konkurrenz.

18. Mit welchem Romanhelden möchtest Du gerne einen Tag verbringen?

Nur einen?! Tom Inara aus „Die erste Nacht“ wäre glaube ich ein interessanter Gesprächspartner. Ich hätte allerdings wenig Interesse, ihn beim Zombie-Slashen zu begleiten. Schon aus nostalgischen Gründen wäre auch Fergus MacRogh aus „Der Sohn der Sidhe“ eine gute Option, oder Tiffany Weh aus den Scheibenwelt-Büchern. Ich schätze, mit Tiffany wäre ich am ehesten auf einer Wellenlänge. Geht es um selbst erschaffene Figuren, wären wahrscheinlich Alestyr oder Anpharis am angenehmsten. Eher Anpharis, da ich für ihn kein Futter darstelle.

19. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir einen Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu tun haben. Was wünschst du dir?

„Es muss etwas mit Büchern zu tun haben“ gibt einem ja noch recht viel Spielraum :D Die Fähigkeit, Buchfiguren lebendig machen zu können, wäre natürlich eine sehr ordentliche Sache. Aber wer weiß, was ich da alles in die Welt setzen würde o.O Die weniger gefährliche Option wäre, die Fähigkeit verliehen zu bekommen, Buchszenen visuell so illustrieren zu können, dass es andere als gelungen empfinden. Ich finde es wirklich schade, nicht besonders gut zeichnen zu können.

20. Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

Kreativität, Geduld, Empathie, Talent (kaum zu glauben!) und ein bisschen Durchsetzungsvermögen. Gerade letzteres lässt sich aber auch trainieren. Inzwischen gehe ich an Vertragsverhandlungen schon deutlich selbstsicherer heran als noch beim ersten Roman.

21. Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat?

Probier dich aus. Die wenigsten Leute veröffentlichen direkt das erste Manuskript, und das ist meistens auch ganz gut so. Schreiben braucht Training. Nimm dir die Zeit für Fehler und Entwicklung und lass dich auch nicht entmutigen, wenn es mit dem ersten Text nicht gleich bei Agenturen oder Verlagen klappt.

22. Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Öh. Bin mir nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstehe. Zunächst lasse ich den Text entscheiden, welche Zielgruppe er braucht. Hab ich sie gefunden, versuche ich an ihren Orten eine gewisse Sichtbarkeit zu bekommen.

23. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen dabei?

Mein Kontrapunkt zum Schreiben besteht oft im Schreiben – wenn ich die Schnauze voll von einem Manuskript habe, schreibe ich einen Artikel oder überlege, wen ich interviewen könnte. Im letzten Jahr, seit ich angefangen habe zu arbeiten, ist dieses Konzept aber zugegebenermaßen an seine Grenzen gestoßen. Deshalb gehe ich oft abends erst einmal eine Runde spazieren oder zum Sport. Manchmal male ich auch oder spiele mit Game-Editoren herum. Außerdem fahre ich am Wochenende häufig zu meiner Familie oder nach Koblenz, wo ich studiert habe. Dann lege ich zwar auch ein paar Schreibrunden ein, aber es hat trotzdem etwas von einem kleinen Urlaub.

24. Wie viel der Zeit, die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel ist eher Quälerei?

Noch vor anderthalb Jahren hätte ich geantwortet, dass die Schreibarbeit 100 % Spaß bedeutet. Mit der Professionalisierung und der Redaktionsarbeit hat sich auch das etwas geändert (boah, fühle ich mich gerade alt ;)). Es gibt immer mal Phasen, in denen ich gerne eine „kreative Auszeit“ hätte oder frustriert bin. Da die pro-Schreibphasen überwiegen, würde ich aber immer noch von so 70 %-Schreibspaß sprechen ;) Mehr, wenn man Conventions und Ähnliches dazu zählt, weniger, wenn man strukturierte Social Media-Arbeit darunter fasst.

25. An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Aktuell an 2 1/2 – eines ist im Schreibprozess, bei einem arbeite ich an den Druckfahnen, beim dritten fange ich langsam mit der Grobplanung an. Mit der Planung von neuen Projekten fange ich aber erst an, wenn sich ein anderes auf der Zielgeraden bewegt. Ausgenommen Novellen, Kurzgeschichten oder Auftragsarbeiten, die dürfen sich schon mal dazwischen schieben.

26. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im Bezug auf das Schreiben?

Ich habe es mir zum Glück abgewöhnt, einen Text aufzugeben, sobald die ersten Schwierigkeiten auftauchen. Wenn man merkt, dass eine Handlung überhaupt nicht mehr funktioniert, sollte man sich meiner Meinung nach zwar nicht unnötig an ihr festbeißen und es ruhig wagen, z. B. noch einmal von vorne anzufangen. Aber wenn man bei den ersten Hürden aufgibt, kommt man nie zu einem Ende. Außerdem wirken sich gelöste Probleme erfahrungsgemäß positiv auf Plotentwicklung und Spannung aus.

Eigentlich finde ich es auch gut, dass ich mich von aktuellen Trends nicht besonders beeinflussen lasse. Indirekt kommt das zwar schon vor – beispielsweise konnte ich dem Dystopientrend durchaus was abgewinnen und warum sollte ich dann nichts in der Richtung schreiben, wenn es ohnehin meinen Gewohnheiten entgegenkommt? Aber solange ich es mir leisten kann, halte ich mich z. B. von Romantasy fern, auch wenn das angeblich eine super Chance für weibliche Autorinnen sein soll. Einmal habe ich versucht, eine Romantasy-Novelle für eine Ausschreibung zu schreiben, aber das Beste daran war der Arbeitstitel.

Davon abgesehen halte ich mich für relativ lernfähig. Wenn mir in einem Lektorat etwas gesagt wird, was stilistisch gar nicht geht, versuche ich das in Zukunft auch zu berücksichtigen. Ein Beispiel ist etwa die Verwendung von „dass“-Konstruktionen. Davon hatte ich am Anfang viel zu viele, inzwischen habe ich mir das abgewöhnt. Außerdem haben sich meine Figuren verschiedene Sprachstile angeeignet.

27. Wie stehst du zu den Begriffen Autor, Schriftsteller, Hobbyautor?

Den Schriftsteller verbinde ich stärker mit Büchern, vor allem mit Prosa. Der Autor ist für mich eher ein Verfasser von Texten aller längeren Art. Zum Beispiel werde ich auch in meinem „Brotjob“ oft als Autor bezeichnet, aber ich fände es seltsam, dort als Schriftsteller angesehen zu werden. In der Praxis nehme ich da aber trotzdem nicht so eine genaue Trennung vor.

Mit dem Begriff „Hobbyautor“ habe ich so meine Probleme, weil er so unscharf ist. Woran will man die Linie zwischen Hobby und Professionalisierung festmachen? An einer Veröffentlichung? Am Finanzamt? An der Art der Veröffentlichung? Der Regelmäßigkeit? Heute würde ich mich auf jeden Fall nicht mehr als Hobbyautor bezeichnen, aber ich weiß nicht, wann ich die „Grenze“ überschritten habe.

28. Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

Der Buchmarkt ist ein Sammelsurium an Kategorien, Szenen und Nischen. Ich würde das gar nicht komplett auflösen wollen, das wäre auch völlig unrealistisch. Aber es wäre doch nett, gewisse Vorteile und Gewohnheiten durchbrechen zu können, sowohl außerhalb als auch innerhalb von Genres. Allerdings liegen davor oft nicht nur brancheninterne, sondern auch soziale Hindernisse.

29. Zum Schluss was Handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge, Coverdesigner, Lektoren und Korrektoren kannst du aus deiner bisherigen Arbeit empfehlen?

Ich hatte bislang zweimal Marion Lembke als Lektorin – einmal bei einer Kurzgeschichte und einmal bei meinem Debütroman. Beide Lektorate haben zu meinen besten im Sinne von lehrreichsten gehört. Sie hat einen besonderen Blick sowohl für inhaltliche Details als auch für grammatikalische Unsauberkeiten, die längst nicht jedem in ihrem Metier auffallen.

Was Coverdesigner angeht – nun, Grit Richter und Mark Freier sind Namen, die man sich durchaus merken kann :)

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Und danke an alle, die mir einen Kaffee spendiert haben, ihr seid toll.

Ich knete meine Stirn während die Landschaft an mir vorbei fliegt. Auf den Bäumen liegt ein grauer Frostreif und ich kann die Kälte förmlich sehen.

Zum dritten mal lese ich den Satz der mich von meinem Bildschirm aus angrinst. Ich bin darüber gestolpert, er hat mich auf dem Lesefluss direkt an die Trockenwerft der Grübelei gespült, nur ich kann nicht sagen, wieso.

mit Dank von Pixabay.de

Ich drücke Strg+Shift+C und das Textfeld für den Kommentar öffnet sich. Ich schreibe erstmal „Lesefluss gestört“ und nehme mir vor, mir das später noch einmal anzusehen.

Ich sitze gerade an „Unstern“, dem Debutroman von Katrin Ils, die mich gebeten hat, darüber zu lesen. Für mich noch immer komisch, ich habe selbst ja noch nie bewiesen, dass ich schreiben kann, aber so ist das in einer Autorengruppe wie den #BartBroAuthors, man hilft sich.

Wie sehr ich helfe, kann ich gerade nicht einschätzen. Ich habe mein erstes Manuskript zum Probelesen gegeben, weil ich das Gefühl hatte, dass etwas damit nicht stimmt. Ich bekam es zurück und fühlte mich in alte Schulzeiten zurück versetzt.

Okay, der Ton unter Kollegen ist netter und am Ende schreibt niemand „Mangelhaft“ drunter, aber es gibt gewisse Parallelen.

Man gibt sein Werk zum ersten Mal an Dritte. Es ist sinnvoll, Autoren in diesen Prozess einzubinden, denn sie wissen wie über welche Probleme man stolpert und wie es sich anfühlt, das Geschriebene, das noch so verwundbar ist wie ein Neugeborenes, an einen Dritten zu geben.

Zurück kommt es bemängelt und kritisiert, rot umkringelt und von Hinweisen vernarbt .Ich gebe zu, das erste Lesen einer kritisierten Version verursacht erstmal Fluch(t)reflexe.

Wir sind es gewohnt, Anmerkungen mit Kritik und diese wiederrum mit einem Mangel an uns selbst gleichzusetzen. Daher resultieren die aufregenden Geschichten von uneinsichtigen Autoren; aber auch ein Lektor benötigt ein gewisses Feingefühl, um die Selbstzweifel seines „Schützlings“ nicht in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen.

mit Dank von Pixabay.de

Dem Autor selbst hilft es erstmal sich klar zu machen, dass diese ganzen Anmerkungen Hilfestellungen sind. Wir sind nicht in der Schule. Ein mit rot ergänzter Kommentar führt nicht dazu, dass meine Arbeit mit „mangelhaft“ bewertet wird. Ich muss sie nichtmal annehmen, doch gut begründete Hinweise helfen ungemein, sich selbst zu verbessern.

Manchmal sieht man etwas selbst nicht oder, auch das kann sein, der andere hat mehr Erfahrung und kann mir Tipps geben.

Dennoch trifft es mich erstmal. Es ist leicht zu sagen, dass man sich nichts zu Herzen nehmen soll und dass der erste Entwurf immer Mist ist. Insgeheim hofft man ja doch, das Feedback wäre durchgehend positiv.

Habe ich Tipps für den Umgang damit?

Gib jedem Vorschlag eine Chance.

Befasse dich mit den Grundlagen des Schreibens, um einordnen zu können, ob der Hinweis berechtigt ist oder nicht.

Gib mehreren Leuten das Buch zum testlesen und achte vor allem auf Punkte, die von mehreren Leuten genannt wurden.

Sei dankbar, dass jemand so viel Zeit und Mühe in dein Buch investiert. Freiwillig.

Ich habe nicht jede Verbesserung meiner Texte angenommen. Es steht jedem frei Kritik anzunehmen oder abzulehnen, aber unterm Strich kann ich jedem nur dringend empfehlen, die eigenen Texte testlesen zu lassen und auch selbst Texte anderer Autoren zu lesen, wenn diese noch vor Veröffentlichungsreife sind. Das hat mir sehr dabei geholfen die Qualität meiner Entwürfe einzuordnen.

Das war für mich der eigentliche Gewinn, denn zuvor habe ich in meiner Blase vor mich hingearbeitet. Ich wusste nicht, ob das was ich schreibe gut ist oder nicht. Das Beta-Lesen bietet hier zwei Möglichkeiten – durch Kritik besser zu werden und durch die Hinweise die ich anderen gebe besser zu werden.

Meine Frau ist Lehrerin. Von ihr weiß ich, dass man die Kinder sich gegenseitig Dinge erklären lässt, weil das Gelernte dadurch besser verstanden und verankert wird. Genau diesen Effekt konnte ich bei mir auch beobachten. Ich verstand mit einmal, wieso eine Sache nicht so gut funktioniert oder was ich anders machen würde und vor allem, warum.

Darum lohnt es sich zuzusagen, wenn dich jemand fragt, ob du ein Buch testlesen willst.  Selbst wenn Dein Zeitplan eng ist, wenn Du dafür die Arbeit an Deinem Buch nicht völlig einstellen musst, sag zu. Du bekommst es mehrfach zurück, als Dank, als Know How, als Karma ;-)

Danke für deine Zeit und bis bald auf meinem Blog.