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Hallo liebe Leser von Augenschelm.de!

Wir kommen zum vorletzten Interview von Staffel 1. Inzwischen habe ich einiges dabei: Thrillerautoren, Kurzgeschichtenautoren, Fanatsyautoren, Fanfiction Autoren, Krimiautoren, Autoren, die historische Romane schreiben, Selfpublisher und Verlagsautoren. Was fehlt noch? Kinderbücher!

Da ich selbst Papa und somit auch Intensivkonsument von Kinderbüchern bin, freue ich mich, Anja Kiel für ein Interview auf meinem Blog gewinnen zu können. Anja Kiel wurde 1973 in Tübingen geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihre Kinderbücher „Mein Freund, der Superheld“, „Ein Stern für Finja“, die bisher dreibändige Reihe um „Lara und die freche Elfe“ sowie den All-Age-Roman „Die Hüter des Schwarzen Goldes“ findest Du auf allen gängigen Plattformen.

Wenn ihr wissen wollt was Anja Kiel so treibt, könnt ihr das auf www.anjakiel.de  oder bei www.twitter.de/anjakielautorin herausfinden.

Viel Spaß beim Lesen!

Fragen

Teil 1: Über Dich

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was
machst Du, außer zu schreiben?

Meine Familie könnte ich mit dem Schreiben nicht ernähren, auch wenn ich schon ein bisschen was mit meinen Büchern, Lesungen und Schreibwerkstätten verdienen konnte. Aber das Schreiben ist trotzdem mein Hauptberuf. Allerdings nur halbtags. Der Rest der Zeit gehört meiner Familie. Zum Glück bin ich nicht der Alleinverdiener.

2.    Wie bist Du dazu gekommen zu schreiben und seit wann schreibst du?

Ursprünglich hatte ich gar nicht vor, Autorin zu werden, obwohl ich schon immer wie eine Verrückte gelesen habe. Und das Schreiben – ob Tagebuch, Briefe oder Aufsätze für die Schule – hat mir auch Spaß gemacht. Aber da meine Mutter bereits als Autorin arbeitete, wollte ich – natürlich! – lieber etwas anderes machen. Ballerina werden oder Köchin. Auch Buchillustration hat mich gereizt. Aber das hat alles nicht geklappt. Nach dem Studium absolvierte ich dann einige Praktika und bin schließlich in der Redaktion einer Zeitschrift gelandet. 2002 verfasste ich meinen ersten Artikel – und ab da war es um mich geschehen.

3.    Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu veröffentlichten?

Veröffentlicht hatte ich schon einiges an Artikeln, als meine Mutter (Inge Meyer-Dietrich) auf die Idee kam, mit mir gemeinsam den Urban-Fantasy-Roman „Die Hüter des Schwarzen Goldes“ zu schreiben. Dort werden zwei Kinder in die unterirdische Welt der „Schwarzmännchen“ geholt, um eine uralte Prophezeiung zu erfüllen. Hintergrund war eine Zwergensage aus dem Ruhrgebiet, die eine Rolle in Inges Roman „Plascha“ spielt. Weil ich damals als Gästeführerin auf der Zeche Zollverein in Essen arbeitete und mich dementsprechend viel mit Bergbau und der Welt „unter Tage“ beschäftigte, lag die Idee nahe. Der Roman erschien 2010.

4.    Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Für die meisten war es wohl keine große Überraschung. Viele reagierten nach dem Motto „Liegt ja in der Familie“. Mein Leben hat sich aber erst mal kaum geändert, weil ich damals sowieso in Elternzeit war.

5.    In welchem Genre schreibst Du und was begeistert Dich an diesem Genre?

Ich schreibe Kinderbücher, habe mich da aber auf kein bestimmtes Genre festgelegt.

Teil 2: Publikation und Marketing

6.    Ist Verlagspublikation oder Self-Publishing dein Weg?

Bis jetzt ausschließlich Verlagspublikation und momentan sehe ich keinen Grund, das zu ändern.

7.    Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Es war für mich der einzige Weg, der in Frage kam. Selfpublishing hatte ja einerseits lange einen nicht ganz so guten Ruf. Andererseits fehlt mir auch das Selbstbewusstsein für Selfpublishing. Und nicht zuletzt profitiere ich als Verlagsautor davon, dass mir Illustratorensuche, Satz, Lektorat etc. abgenommen wird. Das ist nicht unerheblich, wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht.

8.    Wie lange musstest Du warten, bis ein Verlag ein Manuskript von Dir genommen hat?

Das Manuskript zu „Die Hüter des Schwarzen Goldes“ haben wir mehreren Kinderbuchverlagen angeboten, die aber alle vor dem Thema „Ruhrgebiet“ zurückgeschreckt sind. Dann haben wir schließlich Henselowsky Boschmann angefragt, der zwar eigentlich keine Kinderliteratur veröffentlicht, aber gerade an Ruhrgebiets-Themen interessiert ist. Ein paar Monate hat die Suche schon gedauert.
„Lara und die freche Elfe“ hatte ich nur an eine Lektorin bei Ravensburger geschickt, die tatsächlich wenige Tage später begeistert anrief. Das war natürlich toll für eine Anfängerin. Bis das Buch auf den Markt kam, hat es allerdings noch zwei Jahre gedauert.

9.    Was sind Deine besten Tipps, um auf einen Roman aufmerksam zu machen?

Puh, schwierige Frage. Wenn ich sie beantworten könnte, wäre ich vielleicht schon Bestsellerautorin. Sicher ist eine Mischung unterschiedlicher Aktionen gut: Ein schöner Artikel in der lokalen Zeitung mit Foto erhöht zumindest schon mal ein bisschen die Bekanntheit in der eigenen Stadt. Leserunden, etwa auf LovelyBooks oder ähnlichen Plattformen bringen Rezensionen, die häufig zusätzlich bei den Online-Buchhändlern gepostet werden und auf das Buch aufmerksam machen. Lesungen sind auch nicht schlecht. Ich lese allerdings meistens in Schulklassen oder Bibliotheken, wo es dann keine Büchertische mit Kaufexemplaren gibt. Aber ich verteile immer „Autogrammkarten“ mit Infos zu meinen Büchern und hoffe dann, dass das eine oder andere auf einem Wunschzettel landet. Einige Leser konnte ich auch über Social Media gewinnen.

10.    Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Die ergibt sich automatisch aus der Art der Geschichte, die ich erzählen will. Im Kinderbuchbereich sind die Protagonisten idealerweise ein bis zwei Jahre älter als die Leser. Um die richtige Sprache zu finden, orientiere ich mich an meinen eigenen Kindern und deren Freunden. Und natürlich lese ich selbst ganz viele Kinderbücher.

Teil 3: Gewohnheiten

11.    Wie sieht sein gewöhnlicher Schreibtag von morgens bis abends aus?

Sobald die Kinder in der Schule sind, setze ich mich an den Schreibtisch. Wenn ich gerade an einem neuen Buch arbeite, lese ich mir meist das zuletzt Geschriebene erst noch einmal durch, bevor ich weitermache. Auch überarbeite ich zwischendurch schon Szenen, bevor das ganze Buch fertig ist. Ich schreibe nicht nur, sondern bereite Lesungen und Schreibwerkstätten vor, recherchiere, telefoniere mit Lektoren oder Illustratoren … Dann ist so ein Vormittag immer schnell vorbei. Nachmittags komme ich kaum zum Schreiben. Und abends bin ich zu müde.

12.    Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

Oft ist da erst mal so eine Grundidee. Die wälze ich manchmal wochenlang im Kopf. Ich mache mir Notizen in ganz normalen Notizbüchern. Hin und wieder fertige ich Mindmaps oder Cluster an oder kleine Zeichnungen. Aber ein festes Konzept habe ich nicht. Es ist auch ein ziemlicher Unterschied, ob ich eine Kurzgeschichte, ein Erstleserbuch oder einen Kinderroman schreibe. Ganz wichtig sind mir aber die Gespräche mit meiner Familie über die Ideen. Da merke ich schnell, wo etwas unlogisch ist oder wie sich etwas weiterentwickeln könnte.

13.    3-Akte, 5-Akte, 8 Sequenzen. Wie strukturierst Du Deine Geschichte?

Ehrlich gesagt halte ich mich nicht an solche Gerüste. Ich weiß meistens im Vorfeld, wie lang ein Text werden darf oder muss. Die Struktur entwickelt sich automatisch mit der Geschichte. Aber ich habe eben auch noch nie einen 500-Seiten-Roman verfasst, bei dem eine feste Struktur sicher wichtig ist.

14.    Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

Schwer zu sagen. Ich arbeite meistens an mehreren Projekten gleichzeitig. Ich versuche, jeden Tag zwei bis drei Stunden für das Schreiben freizuhalten. Wenn ich unterwegs bin oder die Kinder krank sind, geht das natürlich nicht.

15.    Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Hab ich noch nie gezählt! So oft wie nötig. Und meistens ist es auch dann noch mal nötig, wenn ich denke, alles sei fertig. Meistens überarbeite ich selbst ein bis zweimal, bevor ich die Texte anderen befreundeten Autoren gebe. Auf der Grundlage von deren Anmerkungen überarbeite ich wieder. Und lese dann noch mehrfach Korrektur, bevor die Texte an den Verlag gehen. Die Lektoren senden mir die Texte mit ihren Anmerkungen zurück, die ich auch entweder umsetze oder ablehne. Am Schluss lese ich die Druckfahnen mehrfach Korrektur.

16.    Wie gehst Du bei der Überarbeitung vor? Hast Du ein bestimmtes System?

Nein. Aber mir hilft es sehr, mir (oder anderen) den Text laut vorzulesen. Dann finde ich meistens noch einiges, das geändert werden muss.

17.    Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Die knappe Zeit ist meine Motivation.

18.    An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Meistens sind es mindestens zwei.

19. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im
Bezug auf das Schreiben?

–    Vor dem Einschlafen lesen (schult das Sprachgefühl für das eigene Schreiben)
–    Über das Schreiben sprechen (erhöht den Druck, auch was zu tun)
–    Morgens an den Schreibtisch setzen (einfach machen)

20.    Wie viel der Zeit die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel ist eher harte Arbeit?

Es ist harte Arbeit, die mir aber zu neunzig Prozent Spaß macht.

21.    Wie lange hast Du an Deinem ersten fertig geschriebenen Roman gearbeitet?

Der erste Roman („Die Hüter des Schwarzen Goldes“) entstand ja als Gemeinschaftsprojekt mit Inge Meyer-Dietrich. Die Vorarbeit zog sich mit großen Pausen über Monate, wenn nicht Jahre. Richtig geschrieben haben wir ein paar Monate. Wie viele genau, habe ich verdrängt.

Teil 4: Inspirationen

22.    Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt weiterempfehlen?

Für Kinderbuchautoren empfehle ich:
Silvia Englert: Handbuch für Kinder- & Jugendbuchautoren

23. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben
erhalten hast?

Nicht aufgeben! Manchmal kommen die Ideen nur zäh, manche Sätze müssen reifen, viele Texte finden nicht auf Anhieb einen Verlag. Da braucht es Geduld und den Glauben an sich selbst.

24.    Welche drei Romane haben dich am meisten inspiriert und warum?

Ich fürchte, das kann ich nicht an drei Romanen festmachen. Ich finde die Vielseitigkeit von Kinderbuchautoren wie Astrid Lindgren, Michael Ende oder Kirsten Boie bewundernswert. Sicher inspirieren sie mich auch, aber eher indirekt.

Teil 5: Organisation und Persönlichkeit

25.    Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

Geduld, Kritikfähigkeit, Beobachtungsgabe, Zuhören können, Fantasie

26.    Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat?

Zeig deine Texte Experten (zum Beispiel anderen Autoren, nicht nur Freunden und Familie), lass
Kritik auf dich wirken, auch wenn sie dir im ersten Moment ungerecht erscheint.

27. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social
Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen dabei?

Das Studium liegt ja schon einige Jahre zurück und das Schreiben ist glücklicherweise gleichzeitig mein Beruf. Trotzdem wird es manchmal ganz schön viel. Ich versuche, den Überblick nicht zu verlieren (ich liebe To-Do-Listen!) und mit Sport auszugleichen. Das klappt mal besser, mal schlechter.

Teil 6: Ausblicke und Einblicke

28. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir einen
Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu tun haben. Was wünschst du dir?

Ich wünsche mir eine zusätzliche Stunde pro Tag, die ich ohne schlechtes Gewissen (und ohne zufallende Augen) für‘s Lesen verwenden darf.

29.    Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

Ich verstehe, dass für Verlage und Buchhandlungen (und letztlich natürlich auch für den Autor) Verkaufszahlen unheimlich wichtig sind. Doch der Markt ist manchmal unbarmherzig schnelllebig. Wenn ein Buch in einer gewissen Zeit nicht so und so oft verkauft wird, wirft man es aus dem Programm, anstatt ihm die Chance zu geben, ein Longseller zu werden. „Stille“ Bücher haben es deshalb heutzutage schwer. Das finde ich sehr schade.

30.    Zum Schluss was Handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge, Coverdesigner, Lektoren oder Korrektoren kannst du aus Deiner bisherigen Arbeit empfehlen?

Ich selbst habe keine speziellen Lehrgänge besucht, abgesehen von denen, die direkt mit meiner Ausbildung als Journalistin zu tun hatten. Und als Verlagsautorin bekomme ich Lektoren, Korrektoren und Coverdesigner zugeteilt. Mit meinen bisherigen Illustratoren (Elke Broska, Steffen Gumpert, Nina Dulleck) bin ich sehr glücklich. Aber ob die auch freie Aufträge annehmen?

Liebe Anja, vielen Dank für diese tollen Einblicke in den Alltag einer Kinderbuchautorin. Ich hoffe, Du hattest so viel Spaß beim Antworten wie ich beim Bekommen der Antworten.

Die Rechte der Fotos liegen bei der Autorin.

Talent ist nur große Geduld.

~ Anatole France ~

Ganz leer läßt der liebe Gott keinen ausgehn; die Eltern und Erzieher müssen nur ausfindig machen, wo die Spezialbegabungen liegen.

~ Theodor Fontane ~

Es gibt schlechte Eigenschaften, welche große Talente machen.

~ François VI. Duc de La Rochefoucauld  ~

Das Beste findet sich dort, wo sich Fleiß mit Begabung verbindet.

~ Johannes Keppler ~

 


Daniel Tammet wirkt schüchtern mit seiner Nerdbrille und seinem zu groß wirkenden Mund. Er malt mit seiner Hand unsichtbare Zahlen auf den Tisch und murmelt leise. Dann gibt er seine Antwort und schiebt das verschmitzte Lächeln eines kleinen Jungen hinterher. So beginnt der Film „Brainman“. Tammet sollte die Zahl 37 mit sich selbst multiplizieren und zwar vier mal. Im Kopf.

Tammet ist Autist, ein sogenannter „Savant“. Seit einem Schlaganfall schweren epileptischen Anfall im zarten Alter von drei entwickelte der Junge

Copyright: Death to the Stockphoto

außergewöhnliche Fähigkeiten. Er hat für den Film eine Sprache gelernt, mit der er zuvor nie Kontakt hatte. Isländisch. Zeitrahmen: Eine Woche. Danach konnte er ein Interview im isländischen TV gegeben. In der Landessprache, wohlbemerkt.

Er spricht elf Sprachen und hat eine eigene (Mänti) erfunden. Er hat über Stunden 22.514 Nachkommastellen von PI referiert und damit einen neuen Europarekord aufgestellt.

Tammet gehört zu den wenigen Autisten, die über Ihre Fähigkeiten sprechen können. Wie merkt er sich das alles? Für den Normalsterblichen sind seine Ratschläge wenig hilfreich, denn Tammet ist Synästhet – Zahlen, Wörter, das alles hat für ihn eine Farbe oder Form.

Ohne Zweifel verfügt er über eine außergewöhnliche Begabung, ein schier unglaubliches Talent. Er hat Fähigkeiten, an die Normalsterbliche nicht heranreichen können.

Sie kamen über ihn, mit dem Schlaganfall epileptischen Anfall als Kind. Was ihm auf der einen Seite etwas nahm, verlieh ihm auf der anderen Seite jenen göttlichen Funken, den wir als Talent, Genie oder Hochbegabung verstehen.

Josuha Foer ist Wirtschaftsjournalist. Er gewann 2005 den US Championschip beim“Speed Card“-Wettbewerb, in dem er sich 52 Karten in 1 Minuten und 40 Sekunden merkte. Mit Hilfe sogenannter Mnemotechniken. Dabei behauptet Foer von sich selbst, eher vergesslich zu sein.

Er ist Journalist, aufgewachsen in einer Literatenfamilie als Bruder von Jonathan Safran Foer, den Du vielleicht durch das Buch und den Film „extrem Laut und unglaublich nah …“ kennst.

Foer kritisierte Tammet wegen Ungereimtheiten in seiner Vita. So behauptet Tammet, er könne sich wegen seines Autismus keine Namen merken. Im Jahr 2000 jedoch nahm er unter seinem bürgerlichen Namen „Daniel Corney“ an der Weltmeisterschaft im Gedächtnissport teil – und gewann in der Kategorie „Namen und Gesichter merken“.
Auf seiner Website schrieb Tammet damals, dass er diesen Sieg dem Einsatz von Mnemotechniken zu verdanken hatte – und löschte diese Beiträge später, als er begann sein Savant-Syndrom nach außen darzustellen. Die Inhalte konnte allerdings mit Hilfe von Webarchiven wiederhergestellt werden.

Ist Tammet möglicherweise gar kein Savant? Oder ist er Savant, hat seine unglaubliche Gedächtnisleistung aber dennoch antrainiert? Ich mag das kaum glauben, aber der Disput dieser beiden ist sinnbildlich für das Forschungsfeld der Talente.

Der zwischen ihnen ausgetragene Streit, ob eine Fähigkeit angeboten oder erlernt wurde, teilt die Wissenschaft seit vielen Jahrzehnten.

Aber nicht nur die Wissenschaft. Er teilt auch das Autorenlager.

Ohne Talent kein Buch

Einen Roman zu schreiben ist harte Arbeit. Das wissen wir alle. Wir brauchen Einfälle, Kreativität, Fleiß und wir müssen all unsere Ideen auch so auf Papier bringen, dass sie jemand lesen möchte.

In einem Forum las ich: „Entweder ich habe das Talent, dem Leser Dinge vor dem inneren Auge zu erzeugen, oder nicht. Dann sollte ich aber keine Bücher schreiben.“

Dieser Meinung sind auch 58% meiner Twitterfollower, die zum Großteil aus Autoren bestehen. Nur 37% sind der Meinung, dass Talent durch Übung ersetzbar ist. Überschaubare 5% sind der Meinung, Talent spiele gar keine Rolle

Es scheint kein Weg daran vorbei zu führen: Wenn Du kein Talent hast, wirst Du keinen Roman schreiben. Zumindest keinen, den irgendjemand lesen will.

Wie siehst Du das? Bist Du auch der Meinung, dass Talent Voraussetzung ist?

Das Problem mit dem Talent

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Unter meiner Umfrage gab es zahlreiche Wortmeldungen. Viele ergänzten meine Umfrage um den Punkt: „Talent ist nötig, aber ohne Lernen nutzlos.“ Ich habe das nicht ergänzt, da es für eine Twitterumfrage zu lang war. Auf diesen Punkt komme ich später noch.

Was niemand fragte – und das wunderte mich, denn es war die erste Frage, die mir selbst in den Sinn kam – war, was Talent eigentlich bedeutet. Was ich darunter verstünde.

Ein Fußballprofi braucht andere Talente als ein Schachspieler, ein Musiker andere als ein Autor. Ja selbst ein Torwart braucht andere Talente als ein Feldspieler, ein Lehrer andere als ein Verkäufer.

Was ist denn „das Talent“, das man benötigt, um Autor zu sein? Sprachfertigkeiten? Welche davon genau? Ist es wichtig, dass ich möglichst viele Wörter kenne? Ist Imagination vielleicht wichtiger? Hängt das womöglich sogar von dem Genre ab, in dem ich schreibe?

Wie stellt man denn fest, ob jemand Talent besitzt? Am Wordcount? In der Anzahl der Rechtschreibfehler pro Seite? Anzahl der Adjektive? Verkaufte Bücher? Eine Geschichte ohne Logikfehler?

Was in Deinem Kopf ein tolles Bild auslöst, kann an mir spurlos vorbei gehen, folglich würden wir beiden womöglich das Talent ein und desselben Schriftstellers völlig unterschiedlich einschätzen.

Wer entscheidet über Talent?

Ein weiterer wichtiger Faktor ist, wer Dein Talent einschätzt.

Wenn Du Dein laienhaftes Umfeld fragst, ob Du Talent fürs Schreiben hast, werden Dir 80% antworten, dass Du talentiert bist. Fragst Du dagegen Andreas Eschbach oder, Gott hab ihn selig, Marcel Reich-Ranicki, wäre die Einschätzung womöglich anders ausgefallen. Fatal anders.

Es kommt darauf an, wer das Talent misst und wie er es misst. Gibt es eine objektivierbare Antwort darauf? Gibt es einen Talentmesser? Im Zweifel kann nur eine Person, die selbst fähig ist, über andere urteilen. Aber das ist ein Zirkelbezug: Wann ist denn jemand fähig?

Ein Großteil der Autoren meint, Talent sei nötig für das Schreiben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle diese Autoren der Meinung sind, sie selbst besäßen Talent. Andernfalls würden sie es ihrer eigenen Angabe nach keine oder nur schlechte Bücher fabrizieren.

80% der Autofahrer meinen übrigens, sie fahren besser Auto als der Durchschnitt.

Ich freue mich über das gesunde Selbstvertrauen in meiner Zunft. Die Fähigkeit an sich zu glauben, ist in jedem Fall ein Erfolgsfaktor, also bleibt dabei.

Es gibt aber noch ein weiteres Problem wenn Du herausfinden möchtest, wer Talent besitzt.

Ob jemand ein Talent ist oder nicht, lässt sich nur im Nachhinein herausfinden.

Wenn Du Talent hast, wird sich der Erfolg zeigen und wenn du Erfolg hast, dann bist Du talentiert.
Man kann auch sagen: Wenn Du ein Buch geschrieben hast, dann hast du das Zeug zum Autor, weil du ein Buch geschrieben hast.

Das ist tautologisch und hilft Dir nicht dabei, die Frage zu beantworten, ob Du Talent benötigst um ein Buch zu schreiben. Aber es ist exakt der Grund dafür, wieso die meisten Autoren auch der Meinung sind, sie hätten Talent.
Unter Autoren wird Verkaufserfolg sehr häufig nicht mit Talent gleichgesetzt. Teilweise werden kommerziell erfolgreiche Werke und das Talent des Autors eher diametral entgegengesetzt eingeschätzt. Der Trend, das Gespür war lediglich das richtige.

Ich könnte jetzt ketzerisch fragen: Ist das nicht auch ein Talent?

Was also ist Talent?

Von der Etymologie ist Talent erstmal eine Maßeinheit. In der Bibel ist ein Talent eine Menge an Silbermünzen. Also etwas sehr zählbares. Erst im 16. Jahrhundert kam in England der Begriff im Zusammenhang mit Fähigkeiten auf.
Es ist nicht leicht, Talent von Begabung abzugrenzen. Der Forscher Albert Ziegler tat das, indem er ein Talent als jemanden bezeichnete, der „möglicherweise Leistungsexzellenz erzielt“, wohingegen ein Hochbegabter „wahrscheinlich Leistungsexzellenz erzielt“.

Was klar und eindeutig in der Forschung voneinander abgegrenzt wird sind Talente (oder Begabungen) und Leistung. Talentierte Menschen, die Leistungsexzellenz erzielen, werden Experten genannt.

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Der Begabungsforscher William Stern sagte 1916: „Begabungen sind immer Möglichkeiten zur Leistung, unumgängliche Vorbedingungen, sie bedeuten jedoch nicht Leistung selbst.“

Damit hat er eine bis heute gültige Beschreibung dafür geliefert, dass es zwar hilft Talent zu haben, man aber trotzdem am Ende Taxifahrer statt Physiker werden kann (ohne einem Taxifahrer auf die Füße treten zu wollen).
Es sagt aber wenig darüber, was Talent eigentlich ist.

Lange Zeit verortete man Talente in den sogenannten „intellektuellen Begabungen“, also sprachlich, räumlich oder logisch-mathematisch.

Der Wissenschaftler Howard Gardner prägte die Theorie der „multiplen Intelligenzen“, indem er den Begabungsbegriff um weitere Intelligenzen erweiterte, so beispielsweise um emotionale, interpersonale (wie gut kann ich mich in jemanden hineinversetzen), soziale oder köperlich-kinästhetische (Bewegung) Begabung.

Christian Fischer, Begabungsforscher an der Uni Münster, fasst das wohlwollend für uns alle zusammen: „Völlig untalentiert ist niemand.“

Er hat daraus ein Modell entwickelt, das neben dem vorhandenen Potential noch Persönlichkeitsfaktoren (Leistungsmotivation, Selbstregulierung) und Umweltfaktoren (Leistungstraining, Lehrcoching, Familie und Umfeld) ergänzt. Talent, also Anlagen, plus Persönlichkeitsfaktoren plus Umweltfaktoren ergeben Leistungsexzellenz.

Wissen wir jetzt, was ein Talent ist?

Wie misst man Talent?

Es gibt zwei Möglichkeiten. „Klassische“ Intelligenzen werden über einen IQ-Test ermittelt, Untertests ermittelt dann, ob es räumliche oder numerische Hochbegabungen gibt.

Im künstlerischen Bereich ist es schwieriger. Hier werden in der Regel Diagnosen in Wettbewerben oder Audits gestellt. Beispiel hierfür ist das Vorsprechen bei Schauspielern. Nicht selten werden diese Wettbewerbe mit bestimmten Förderungen verbunden, um Anreize zu schaffen, denn: Wer nicht hingeht, geht nicht hin. Es ist schon jetzt völlig klar, dass es viel weniger inneren Schweinehund braucht, sich zwei Stunden in einen großen Raum zu setzen und einen IQ-Test auszufüllen, als vor einer Jury vorzusprechen.

Jetzt stelle man sich einen Schauspieler vor, der alle Fähigkeiten besitzt. Aber er oder sie ist so schüchtern, dass sie sich nicht traut vorzusprechen. Abgesehen davon, dass das für den Beruf des Schauspielers schwierig ist, wenn man nicht vorspricht, würde diese Person niemals als Talent gesichtet werden. Das alleine zeigt schon, wie unterschiedlich die Begabungen sein müssen, die jemand mitbringt.

Für die Kunst gilt: Talent wird nicht gemessen, sondern eingeschätzt. Von anderen, von Lehrern und Ausbildern. In dem unten angehängten Interview sagt Titus Georgi, Schauspieler und Professor, dass es sich um eine höchst subjektive Bewertung handelt, die dadurch abgemildert wird, dass man mehrere Personen in eine Jury setzt. Ein Indikator: „Die Präsenz auf der Bühne.“ Man merkt in dem Interview, wie schwer es ihm fällt, das greifbar zu machen. Ja, was heißt denn „Präsenz auf der Bühne“… Naja, Talent halt.

Aber gibt es noch andere Möglichkeiten?

Ja. Im Sport nutzt man die Möglichkeiten der Technik.

Talent und Gene

Im Sportbereich wurden inzwischen etwa 200 Genvarianten identifiziert, die Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben könnten. Eindeutig nachgewiesen wurden zwei: ACTN3 und ACE.

Es deutet einiges darauf hin, dass es in vielen Sportarten hilfreich ist, die richtigen genetische Vorbedingungen mitzubringen. So lässt sich zum Beispiel die Muskulatur, die für Schnelligkeit zuständig ist, fast nicht trainieren. Jockeys oder Basketballer brauchen zum Beispiel eine bestimmte Körpergröße.

Aber es geht auch weniger offensichtlich.

Die Volksgruppe der Kalenjin besteht aus etwa 3,5 Millionen Menschen weltweit. Aber sie haben seit 1980 ungefähr 40% aller wichtigen Langstreckenrennen gewonnen. Bis 2016 haben es 17 Amerikaner (von 322 Millionen) geschafft, einen Marathon unter 2:10 Stunden zu laufen. Allein im Oktober 2011 haben 32 Kalenjin diesen Rekord geschlagen.
Es ist ziemlich deutlich, dass diese Volksgruppe eine besondere genetische Veranlagung für den Langlauf besitzt.

Dem entgegengesetzt sei eine Studie des Spaniers Alejandro Lucia von der Universität in Madrid. Er hat 7 Gene von 46 spanischen Athleten betrachtet, die Weltklasseleistungen im Bereich Laufen oder Radfahren erzielten. Die Gene waren unter anderem verantwortlich für einen verbesserten Stoffwechsel und größere Energie-Effizienz in der Muskulatur. Die Theorie: Sollte es nicht wahrscheinlich sein, dass unter Spitzensportlern ein Großteil auf annähernd 100% dieser Genkomponenten kommen muss?

Die besten 20 der 46 Sportler kamen auf einen Anteil von 75% der „optimalen Gene“, der Rest lag darunter. 100% erreichte niemand.

Auf 75% dieses Genprofil kommen aber etwa auch 5,3 Millionen andere, durchschnittliche Spanier, so

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dass Lucia sich zu der Aussage hinreißen ließ: „Ein gesunder, durchschnittlicher Spanier ist nicht durch sein Genprofil begrenzt, bei der Tour de France aufs Podium zu fahren.“

Dazu passt, dass es immer wieder Hochleister gibt, die von sich selbst behaupten, kein Talent zu besitzen. Albert Einstein (ich bin nur sehr neugierig), Jürgen Kohler (Fußball Welt- und Europameister, Champions League Sieger, Deutscher Meister) oder auch Ed Sheeran, der mit jedem neuen Album von Rekord zu Rekord eilt, behauptet, sein Talent betrage „höchstens 30%“.

Doch wie ist das bei Kopfarbeitern? Welche Rolle spielen die Gene hier?

Der IQ gilt gemeinhin bis zu 70% genetisch determiniert.

Aber der Sozialpsychologe James Flynn hat IQ-Test der vergangenen Jahre ausgewertet und ist dabei auf eine

Auffälligkeit gestoßen: Der IQ ist über die Zeit von 100 Jahren im Mittel von 100 auf 130 angewachsen. Die Menschen werden klüger, besagt der „Flynn-Effekt“. Gründe für das Wachstum: Lernstrategien, Wettbewerb, gesundes Essen; Medizin und eine Vielzahl anderer Faktoren.

So gab es mal einen messbaren IQ Unterschied zwischen Männern und Frauen – dieser ist heute in Industrienationen obsolet. Man kann IQ trainieren. Allerdings gibt es ein Plateau – das Skandinavien schon seit einigen Jahren erreicht hat.

Was, wenn nicht die Gene?

Der Schwede Karl Anders Ericsson hat sich in einer heute allgemein anerkannten Studie mit Genies und ihren Lebenswegen beschäftigt. Seine Forschungen führten zu dem Ergebnis, dass jedem noch so Hochbegabten eine Lehrzeit von etwa 10.000 Stunden voraus ging. Das sind etwa 10 Jahre. Erst nach zehn Jahren harter und intensiver Arbeit, wurden herausragende Werke geschaffen – das gilt auch für Mozart, der einfach sehr früh begonnen hat. Ericsson ist der Wegbereiter des „Nuture“-Lagers, also der Idee, dass Genie antrainiert werden kann.

Und er hat gewichtige Argumente.

Genie ist erlernbar, wenn bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das Stichwort: Deliberate Practice, also die hochkonzentrierte Arbeit außerhalb der Komfortzone.

Ericsson hat eine breite Anhängerschaft und es gibt tatsächlich Hinweise darauf, dass seine Theorie richtig ist.

In Asien wächst eine riesige Anzahl von hochbegabten Spitzenmusikern heran. Dort wird geübt, was das Zeug hält, von Kindesbeinen an. Und viele von Ihnen schaffen es, Exzellenz in ihrem Bereich zu erlangen.

Eines der eingängigsten Beispiele für Ericssons Theorie aber ist der Pädagoge Láslzló Polgár. Polgár hat, von den Werken des Amerikaners John B. Watson inspiriert, ein unglaubliches Langzeitexperiment an seinen eigenen Töchtern durchgeführt. Er war der festen Überzeugung, dass Talent erlernbar sei und hat seinen drei Töchtern das Schachspiel beigebracht, von Kindesbeinen an mit harten, langen Trainings. Er hat sie von der Schule abgemeldet und Zuhause unterrichtet.

Sein Ziel: Seine Töchter zu weltklasse Schachpielerinnen machen.

Alle drei Polgár Schwestern sind heute Schach-Großmeisterinnen und zählen zu den spielstärksten Frauen weltweit.

Vielleicht kann man auch Britney Spears, Michael Jackson oder Justin Timberlake dazu zählen, die seit Kindesbeinen an von ihren Eltern zu Musikern „erzogen“ wurden. Auch von den Venus-Schwestern im Tennis ist bekannt, dass sie gezielt von Ihren Eltern gefördert wurden. Es sei dahingestellt, wie gut es den Kindern letztlich getan hat, aber in dem trainierten Bereich erreichten sie zweifelsfrei eine Exzellenz und Bekanntheit.

Dr. Ingmar Ahl von der Karg-Stiftung für begabte Kinder fasst es so zusammen: „Die Vorstellung, dass ein Genie vom Himmel fällt, ist absoluter Kitsch. Andererseits wissen wir aus der Expertiseforschung sehr genau, dass Übung alleine nicht reicht. Somit sind wir sozusagen auf das verwiesen, was dazwischen liegt.“

Gemeint sind die Persönlichkeitsmerkmale und Umfeldbedingungen. Fairerweise sagt er selbst: „Wir sind uns alle nicht einig, was Begabung eigentlich ist. Wir wissen auch alle nicht, was ein Talent ist.“

Dieser Blogbeitrag fing mit einer harmlosen Idee an und entwickelte sich zu einem 8 Wochen langen Recherchemarathon. Am besten lässt er sich wohl mit den Worten eines weiteren Genies zusammenfassen:

„Da steh´ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“

Brauchst Du nun Talent als Autor?

Wie viel Talent hat J.K. Rowling. Was genau sind ihre Talente? Was sind die Talente von J.R.R. Tolkien, William Somerset Maugham, George R.R. Martin, Charles Dickens, Jo Nesbo?

Ich bezweifle nicht, dass es sich bei ihnen allen um Hochbegabte oder zumindest stark talentierte Menschen handelt, deren am meisten ausgebildeten Talente aber wahrscheinlich in völlig unterschiedlichen Bereichen liegen.

Jo Nesbo beispielsweise war als Finanzanalyst erfolgreich. Er wäre beinahe Profifußballer geworden, hat mit seiner Band mehrere Top10 Platzierungen in den norwegischen Charts und als Autor Millionen Bücher verkauft. Den meisten fällt es schwer, in nur einem Bereich erfolgreich zu sein – es deutet schon darauf hin, dass er eine gewisse Begabung für das hat, was er tut. Oder er hat die richtigen Lerntechniken bzw. das richtige Umfeld. Seine Mutter ist Bibliothekarin.

J.K. Rowling war alleinerziehende Mutter und Sozialhilfeempfängerin, als sie an ihrem ersten Harry Potter schrieb. Welche Fähigkeiten waren da wichtig, um nicht aufzugeben? Ist es entscheidender gewesen, sich gut organisieren zu können, niemals aufzugeben oder war es ihre Fähigkeit, schöne Sätze zu schreiben?

William Somerset Maugham war früh Waise und stotterte als Kind. Sein frommer Onkel steckte ihn von einem Internat in das nächste. Was hat ihn wohl dazu gebracht, beim Schreiben zu bleiben?

Welche Faktoren nun jeden der oben genannten zu einem außergewöhnlichen Autoren gemacht haben, lässt sich nicht sagen. Wir beobachten wieder einmal nur rückwirkend und was wir sehen ist das Ergebnis, nicht aber die Faktoren, die zum Ergebnis geführten haben.

Was also hat Talent für Dich konkret für eine Bedeutung?

Marie von Ebner-Eschenbach sagte dazu: „Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun“.

Es ist schwer bis unmöglich vorherzusagen, welche Eigenschaften zum Erfolg führen. Es lässt sich aber relativ klar sagen, dass intensives Üben dich besser macht. Schaffst Du es, 10 Jahre lang täglich drei Stunden außerhalb Deiner Komfortzone zu lernen, kannst Du zu einem echten Großmeister werden. Darauf deutet alles hin.

Ericsson meint, dass das Lernen das einzig Entscheidende sei. Oft wird kritisiert, dass man ein Kind eben nicht zu etwas zwingen kann, dass es nicht will und von daher kann das Kind in einem erzwungenen Bereich auch keine Expertise entwickeln. Es kann eben nicht jeder alles lernen und ein Genie werden.

Aber wir beschäftigen uns alle freiwillig mit dem Schreiben. Wir machen das, weil irgendetwas bereits in uns ist. Von Kindesbeinen an haben wir Stunden mit Lesen verbracht, der Grundlage fürs Schreiben. Wir haben Fantasie entwickelt, als wir uns in die Geschichten eingelebt haben, haben spielerisch mit Worten gespielt, Filme gesehen und uns in die Welten geträumt.

Selbst jene wie ich, die erst mit über dreißig auf die Idee kommen, ein Buch zu schreiben, haben diese Grundsteine bereits gelegt. Jo Nesbo hat erst mit 37 seinen ersten Roman veröffentlicht.

Vergeude Deine Zeit nicht damit, dich zu fragen ob du Talent hast oder nicht.

Ich sage es kurz: Dein Talent spielt keine Rolle. Wenn Du jetzt hier stehst, Autor bist oder es werden willst, dann hast du den Grundstein bereits gelegt. Dann ist in Dir irgendwas, das raus will.

Talent spielt keine Rolle, weil Du nicht weißt, welches Talent Du für Deine Lebenssituation genau benötigst. Es spielt keine Rolle, weil Du es vielleicht schon besitzt und es lediglich nicht weißt. Talent heißt nicht: Schön schreiben können. Das kann man lernen. Als wir geboren wurden, konnte keiner von uns schreiben.

Wenn Du gerne schreibst und bereit bist, viel Zeit, Geduld und Übung zu investieren, kannst Du ein guter Autor werden.

Nutze das.

Und dann heisst die Devise: Üben, üben, üben. Lerne, hole Dir Feedback. Tausche Dich aus. Notiere Dir Fehler, guck was Du falsch gemacht hast, mach es besser. Schau auf gute Autoren, versuche zu verstehen, was sie getan haben in ihren Büchern. Und dann fang von vorne an. Lies Ratgeber, mach Kurse mit. Finde alles scheiße was dort gelehrt wird und finde deinen eigenen Weg.

Womöglich hilft es auch, Dein erstes Buch nicht zu veröffentlichen. An Scheitern wächst man – gibt Dein Werk an Agenten und Verlage und hole Dir Körbe ab. Wachse daran und mache weiter.

Aber verdammt nochmal: Mach weiter.

Niemand kann sagen, was ein wirklich guter Autor ist. Niemand weiß, welcher der veröffentlichten und erfolgreichen Autoren talentiert ist oder wer einfach viel gelernt hat. Es sind auch nicht alle gleich gut, aber viele sind gut genug um tolle Literatur zu schreiben. Es muss ja auch nicht jeder Cristiano Ronaldo sein. Vielleicht reicht auch Hans Sarpei. Dann kannst du trotzdem vom Schreiben leben und hast eine große Anhängerschaft.

Und dann am Ende, in ein paar Jahren, wenn Du vom Schreiben lebst und die Leute Dich gerne lesen, dann sagen vielleicht einige von ihnen: Du bist ein talentierter Autor. Denn Du hast gute Bücher geschrieben.

 


Danke, dass Du dran geblieben bist. Alle meine Quellen hängen diesem Artikel an. Hörenswert ist dieser Podcast der Volkswagen Stiftung. Für alle, die Lust haben etwas tiefer in die Materie einzutauchen:

Quellen:

https://www.chesspoint.ch/blog/schachgeschichte/das-polgar-experiment

https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article142696789/Warum-der-IQ-der-Menschen-steigt-und-steigt.html

https://www.aponet.de/aktuelles/kurioses/20150413-schulmuffel-lernunlust-ist-zum-teil-vererbt.html

http://www.stangl-taller.at/TESTEXPERIMENT/testintelligenzhochbegabt.html

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PSY/HBF/terman.pdf

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PSY/HBF/mindmag79-tgb.pdf

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PSY/HBF/mindmag74-tgb.pdf

https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PSY/HBF/mindmag75-tgb.pdf

https://www.uni-due.de/imperia/md/content/dia/mindmag101-tgb.pdf

http://www.deutschlandfunkkultur.de/das-erlernbare-talent.950.de.html?dram:article_id=137876

http://www.zeit.de/2015/44/talent-uebung-musik-lernen-forschung/seite-2

http://www.spektrum.de/news/wenn-krankheit-kreativ-macht/1221371

http://jmg.bmj.com/content/45/7/451.full

http://www.tagesspiegel.de/wissen/ursachen-von-dyslexie-und-dyskalkulie-lesen-rechnen-und-die-gene/10176936.html

http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/636576/artikel_kohler-wird-50_ich-brauche-die-bundesliga-nicht.html

http://www.businessinsider.de/anders-ericsson-how-to-become-an-expert-at-anything-2016-6?r=US&IR=T

http://www.zeit.de/2016/35/sportliches-talent-sport-training-olympia-psyche-erfolg-gene/seite-2

http://www.focus.de/wissen/mensch/psychologie/tid-14115/psychologie-alles-nur-uebung_aid_387226.html

http://www.wiwo.de/erfolg/management/gastbeitrag-was-ist-talent-und-wie-kann-man-es-foerdern/8699514.html

Langsam geht es mit Staffel 1 meiner Interviews dem Ende entgegen.

Heute habe ich Benjamin Spang interviewt, der sich seinen Traum vom Buch auf unkonventionelle Art erfüllt hat, nämlich durch Crowd Funding.

Sich das Buch von künftigen Leser „vorfinanzieren“ zu lassen ist eine gute Idee, die dem Selfpublisher Überblick verschafft, was er Investieren kann, ohne zu seinem eignen Druckkostenzuschussverlag zu werden. Es ist ein weiteres Zeichen dafür, wie agil und kreativ die Branche ist.

Benjamin schreibt „Dark Fantasy“ mit Steampunkelementen. Sein Buch „Blut gegen Blut“ könnt ihr auf allen gängigen Plattformen erwerben. Teil 2 ist aktuell in Arbeit und wird seine nächste Veröffentlichung werden.

Darüber hinaus ist Benjamin Spang einer meiner Schreibbuddies, ich hatte also schon die Ehre seine Geschichte vor Veröffentlichung testlesen und kommentieren zu dürfen.

Er hat mir noch eine alte Version meines Interviews beantwortet, weswegen heute einige Fragen mehr enthalten sind als sonst.

Ihr könnt (und solltet) Benjamin auf so ziemlich allen Social Media Kanälen folgen, bestimmt auch auf solchen, die es aktuell noch gar nicht gibt. Die wichtigsten habe ich hier für euch zusammengestellt:

Homepage: http://benjaminspang.de/

Twitter

Facebook

Instagram

YouTube

Viel Spaß beim Lesen

Interview mit Benjamin Spang

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was
machst Du, außer zu schreiben?

Leider noch nicht, ich arbeite aber daran ;).
Ich habe einen Brotjob als Mediengestalter, in dem Beruf habe ich
eine Ausbildung gemacht.

2. Wie bist Du dazu gekommen zu Schreiben und seit wann Schreibst du?

Ich war schon immer kreativ. Früher Comics gezeichnet, dann
Computerspiele gebastelt und über ein solches Spieleprojekt dann zum
Schreiben gekommen. Das war so Mitte 2011.

3. Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu
veröffentlichten?

Ich habe schon immer mit diesem Vorsatz geschrieben :). Ich wollte
schon immer raus in die Öffentlichkeit mit meinen Texten.

4. Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Positiv.

5. Ist Verlagspublikatiom oder Selfpublishimg dein Weg?

Selfpublishing.

6. Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Weil ich die volle Kontrolle habe und selbst entscheiden kann wo die
Reise hingeht.

 

7. In welchem Genre schreibst Du und was begeistert Dich an diesem
Genre?

Dark Fantasy. Zum einen das düstere, melancholische, was ich schon immer
mehr mochte als Fantasy im Auenland. Und an Fantasy allgemein mag ich, dass
ich mir auch die verrücktesten Dinge ausdenken kann, um den Leser zu
faszinieren.

8. Wie sieht sein gewöhnlicher Schreibtag von Morgens bis abends
aus?

Ich stehe um 5 Uhr morgens auf, schreibe 2 Stunden und begebe mich
dann zu meinem Brotjob.
Nach Feierabend mache ich meist noch Grafik- oder Videoarbeiten.

9. Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

Das passiert ganz unterschiedlich. Filme, Bücher oder Dinge aus dem
Internet. In letzter Zeit habe ich oft auch Nebencharaktere erstellt,
die mir so gut gefallen haben, dass ich weitere Storys mit ihnen
schreiben werde.

10. Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

10 bis 14 Stunden.

11. Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Kann ich pauschal nicht sagen, hängt vom Plot, der Erstfassung und
dem Feedback der Testleser ab.

12. Wie wichtig ist für Dich die Struktur Deiner Geschichte?

Sehr wichtig. Der Leser soll sich ja nicht langweilen.

13. 3-Akte, 5-Akte, 8 Sequenzen. Wie strukturierst Du Deine Geschichte?

Ich schreibe nach dem 7-Punkte-System.

14. Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt
weiterempfehlen?

„Die 50 Werkzeuge für gutes Schreiben“ heißt es glaube ich. Das ist
sehr prakrisch und bietet kompaktes Wissen.

15. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben
erhalten hast?

Meine Autorenkollegin Sabine Osman hat mir mal einen Tipp gegeben wie
ich ganz einfach mit Scrivener und dem Tool Sigil ein sauberes Ebook
ausgeben kann. Das hat meine Arbeit enorm erleichtert!

16. Welche drei Bücher haben dich am meisten inspiriert und warum?

Die ersten beiden Bücher der Darkblade-Reihe was meine
Genreausrichtung „Dark Fantasy“ angeht. Ansonsten lese ich auch sehr
viele „psychologische“ Sachbücher zum Thema Kreatives Arbeiten.
Aktuell lese ich die Steve Jobs Biografie. Auch sehr inspirierend!

17. Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Ich werde irgendwann sterben. Vielleicht schon morgen. Was will ich
dieser Welt hinterlassen? Das motiviert mich. Ich will lieber bekannt
dafür sein, gute Bücher geschrieben zu haben als dafür, viel TV
oder Youtube geguckt zu haben. Für mich ist es keine Option nach der
Arbeit auf die Couch zu fallen und mein Leben an mir vorbeizehen zu
lassen.

18. Wie gehst Du bei der Überarbeitung vor? Hast Du ein bestimmtes
System?

Ich mache alles am Computer. Nach der Erstfassung lasse ich das Manuskipt
erst einmal eine zeitlang liegen und schreibe an einem anderen Projekt
weiter. Dann geht es mit frischen Augen zurück und dann wird Satz für Satz
gelesen und überarbeitet.
Danach folgen Testleserunden mit befreundeten Autoren und „normalen“ Lesern.
Dann wird das Manuskript wieder überarbeutet aufgrund deren Feedback.

19. Wie lange hast Du an Deinem ersten fertig geschriebenen Roman
gearbeitet?

Drei Jahre.

20. Was sind Deine besten Tipps, wenn es darum geht Deinen Roman an
den Mann zu bringen?

Accounts auf Twitter, Facebook, Snapchat, Instagram und Youtube. Und
darüber dann täglich deinen Schaffensprozess und deinen Weg zum
Bestsellerautor dokumentieren.
Content, Content, Content!

21. Mit welchem Romanhelden möchtest Du gerne einen Tag verbringen?

Malus Darkblade. Rumhuren und Brandschatzen.

22. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir
einen Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu
tun haben.
Was wünscht du dir?

Vom Schreiben leben zu können.

23. Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

1. Geduld.
2. Geduld.
3. Geduld.
4.Geduld.
5.Den Willen, hart an sich selbst und dem eigenen Text zu arbeiten.

24. Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst
mit dem Schreiben begonnen hat?

Lerne dein Handwerk! Gewöhne dir ab, deine Zeit mit TV oder Internet
zu vergeuden.
Beginne gleichzeitig deinen Weg zum Autor via Social Media für die
Öffentlichkeit zu dokumentieren. Dadurch bildest du mit der Zeit
deine eigene Fanbase, die lesen will was du schreibst.

25. Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Durch Recherche. Ich schaue mir an, wer das liest, was ich schreiben
will und konzentriere mich dann auf diese Zielgruppe.

26. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social
Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen
dabei?

Ich liebe das was ich mache. Das bewahrt mich davor. Ich meine jeder
von uns hat 24 Std. Zeit am Tag. Wenn dir das abendliche TV-Programm
wichtiger ist, okay! Du hast dich dafür entschieden.

Mir macht mein Selfpublisher-Dasein zu viel Spaß, um meine Zeit mit
anderem Kram zu verplempern. Ich meine ich sitze gerade im Flugzeug in
den Urlaub, während ich diese Interviewfragen beantworte ;). Solche
Wartezeiten kann man auch immer produktiv nutzen.

Ansonsten natürlich auch wirklicher Urlaub. Wenn ich gleich lande
werde ich auch zwei Wochen nicht schreiben. Aber meine Social Media
Kanäle werde ich weiter bedienen.
Solche Erholungsphasen sind auch wichtig. Wer das ganze Jahr über
100% gegeben hat, darf das :).

27. Wie viel der Zeit die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel
ist eher Quälerei?

Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Man kann sich selbst
sehr viel Leid ersparen, wenn man vor dem Schreiben ordentlich
plottet! :)

28. An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Unterschiedlich. Zuletzt an vier gleichzeitig.

29. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im
Bezug auf das Schreiben?

1. Meine Routine. Jeden Morgen um 5 Uhr aufstehen und 2 Std.
schreiben.

2. Meine Ausdauer. Mein Text wird erst veröffentlicht, wenn ich
damit zufrieden bin.

3. Meine Passion zum Marketing. Ich liebe es, meine Bücher zu
vermarkten :).

30. Wie stehst du zu den Begriffe. Autor, Schriftsteller, Hobbyautor?

Die ersten beiden wollen vom Schreiben leben.

31. Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

Puh, da fällt mir grad nix ein. Aber da gibt es bestimmt was :).

32. Zum Schluss was handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge,
Coverdesigner, Lektoren und Korrektoren kannst du empfehlen?

Barcamps kann ich empfehlen wie z.B. das Literaturcamp in Heidelberg.
Allgemein auf viele Veranstaltungen gehen wie auch die Frankfurter
Buchmesse und viele Leute kennen lernen! Da gibt es dann auch viele
Workshops usw.

Auch Lektorin Nina C. Hasse kann ich empfehlen. Sie darf aktuell meine
Novellen bearbeiten :).

Lieber Benjamin, vielen Dank für Deine Antworten!