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Die Diva Inspiration ist ein Mitglied der Dreifaltigkeit der schreibenden Zunft. Sie ist die gutaussehende Schwester der Schreibblockade. Während erstere ständig im Weg steht, laut dazwischenruft oder mal wieder Kaffee über die Tastatur gekippt hat, hat letztere die Grazie einer Hollywooddiva.

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Hallo liebe Leser von Augenschelm.de!

Wir kommen zum vorletzten Interview von Staffel 1. Inzwischen habe ich einiges dabei: Thrillerautoren, Kurzgeschichtenautoren, Fanatsyautoren, Fanfiction Autoren, Krimiautoren, Autoren, die historische Romane schreiben, Selfpublisher und Verlagsautoren. Was fehlt noch? Kinderbücher!

Da ich selbst Papa und somit auch Intensivkonsument von Kinderbüchern bin, freue ich mich, Anja Kiel für ein Interview auf meinem Blog gewinnen zu können. Anja Kiel wurde 1973 in Tübingen geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihre Kinderbücher „Mein Freund, der Superheld“, „Ein Stern für Finja“, die bisher dreibändige Reihe um „Lara und die freche Elfe“ sowie den All-Age-Roman „Die Hüter des Schwarzen Goldes“ findest Du auf allen gängigen Plattformen.

Wenn ihr wissen wollt was Anja Kiel so treibt, könnt ihr das auf www.anjakiel.de  oder bei www.twitter.de/anjakielautorin herausfinden.

Viel Spaß beim Lesen!

Fragen

Teil 1: Über Dich

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was
machst Du, außer zu schreiben?

Meine Familie könnte ich mit dem Schreiben nicht ernähren, auch wenn ich schon ein bisschen was mit meinen Büchern, Lesungen und Schreibwerkstätten verdienen konnte. Aber das Schreiben ist trotzdem mein Hauptberuf. Allerdings nur halbtags. Der Rest der Zeit gehört meiner Familie. Zum Glück bin ich nicht der Alleinverdiener.

2.    Wie bist Du dazu gekommen zu schreiben und seit wann schreibst du?

Ursprünglich hatte ich gar nicht vor, Autorin zu werden, obwohl ich schon immer wie eine Verrückte gelesen habe. Und das Schreiben – ob Tagebuch, Briefe oder Aufsätze für die Schule – hat mir auch Spaß gemacht. Aber da meine Mutter bereits als Autorin arbeitete, wollte ich – natürlich! – lieber etwas anderes machen. Ballerina werden oder Köchin. Auch Buchillustration hat mich gereizt. Aber das hat alles nicht geklappt. Nach dem Studium absolvierte ich dann einige Praktika und bin schließlich in der Redaktion einer Zeitschrift gelandet. 2002 verfasste ich meinen ersten Artikel – und ab da war es um mich geschehen.

3.    Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu veröffentlichten?

Veröffentlicht hatte ich schon einiges an Artikeln, als meine Mutter (Inge Meyer-Dietrich) auf die Idee kam, mit mir gemeinsam den Urban-Fantasy-Roman „Die Hüter des Schwarzen Goldes“ zu schreiben. Dort werden zwei Kinder in die unterirdische Welt der „Schwarzmännchen“ geholt, um eine uralte Prophezeiung zu erfüllen. Hintergrund war eine Zwergensage aus dem Ruhrgebiet, die eine Rolle in Inges Roman „Plascha“ spielt. Weil ich damals als Gästeführerin auf der Zeche Zollverein in Essen arbeitete und mich dementsprechend viel mit Bergbau und der Welt „unter Tage“ beschäftigte, lag die Idee nahe. Der Roman erschien 2010.

4.    Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Für die meisten war es wohl keine große Überraschung. Viele reagierten nach dem Motto „Liegt ja in der Familie“. Mein Leben hat sich aber erst mal kaum geändert, weil ich damals sowieso in Elternzeit war.

5.    In welchem Genre schreibst Du und was begeistert Dich an diesem Genre?

Ich schreibe Kinderbücher, habe mich da aber auf kein bestimmtes Genre festgelegt.

Teil 2: Publikation und Marketing

6.    Ist Verlagspublikation oder Self-Publishing dein Weg?

Bis jetzt ausschließlich Verlagspublikation und momentan sehe ich keinen Grund, das zu ändern.

7.    Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Es war für mich der einzige Weg, der in Frage kam. Selfpublishing hatte ja einerseits lange einen nicht ganz so guten Ruf. Andererseits fehlt mir auch das Selbstbewusstsein für Selfpublishing. Und nicht zuletzt profitiere ich als Verlagsautor davon, dass mir Illustratorensuche, Satz, Lektorat etc. abgenommen wird. Das ist nicht unerheblich, wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht.

8.    Wie lange musstest Du warten, bis ein Verlag ein Manuskript von Dir genommen hat?

Das Manuskript zu „Die Hüter des Schwarzen Goldes“ haben wir mehreren Kinderbuchverlagen angeboten, die aber alle vor dem Thema „Ruhrgebiet“ zurückgeschreckt sind. Dann haben wir schließlich Henselowsky Boschmann angefragt, der zwar eigentlich keine Kinderliteratur veröffentlicht, aber gerade an Ruhrgebiets-Themen interessiert ist. Ein paar Monate hat die Suche schon gedauert.
„Lara und die freche Elfe“ hatte ich nur an eine Lektorin bei Ravensburger geschickt, die tatsächlich wenige Tage später begeistert anrief. Das war natürlich toll für eine Anfängerin. Bis das Buch auf den Markt kam, hat es allerdings noch zwei Jahre gedauert.

9.    Was sind Deine besten Tipps, um auf einen Roman aufmerksam zu machen?

Puh, schwierige Frage. Wenn ich sie beantworten könnte, wäre ich vielleicht schon Bestsellerautorin. Sicher ist eine Mischung unterschiedlicher Aktionen gut: Ein schöner Artikel in der lokalen Zeitung mit Foto erhöht zumindest schon mal ein bisschen die Bekanntheit in der eigenen Stadt. Leserunden, etwa auf LovelyBooks oder ähnlichen Plattformen bringen Rezensionen, die häufig zusätzlich bei den Online-Buchhändlern gepostet werden und auf das Buch aufmerksam machen. Lesungen sind auch nicht schlecht. Ich lese allerdings meistens in Schulklassen oder Bibliotheken, wo es dann keine Büchertische mit Kaufexemplaren gibt. Aber ich verteile immer „Autogrammkarten“ mit Infos zu meinen Büchern und hoffe dann, dass das eine oder andere auf einem Wunschzettel landet. Einige Leser konnte ich auch über Social Media gewinnen.

10.    Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Die ergibt sich automatisch aus der Art der Geschichte, die ich erzählen will. Im Kinderbuchbereich sind die Protagonisten idealerweise ein bis zwei Jahre älter als die Leser. Um die richtige Sprache zu finden, orientiere ich mich an meinen eigenen Kindern und deren Freunden. Und natürlich lese ich selbst ganz viele Kinderbücher.

Teil 3: Gewohnheiten

11.    Wie sieht sein gewöhnlicher Schreibtag von morgens bis abends aus?

Sobald die Kinder in der Schule sind, setze ich mich an den Schreibtisch. Wenn ich gerade an einem neuen Buch arbeite, lese ich mir meist das zuletzt Geschriebene erst noch einmal durch, bevor ich weitermache. Auch überarbeite ich zwischendurch schon Szenen, bevor das ganze Buch fertig ist. Ich schreibe nicht nur, sondern bereite Lesungen und Schreibwerkstätten vor, recherchiere, telefoniere mit Lektoren oder Illustratoren … Dann ist so ein Vormittag immer schnell vorbei. Nachmittags komme ich kaum zum Schreiben. Und abends bin ich zu müde.

12.    Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

Oft ist da erst mal so eine Grundidee. Die wälze ich manchmal wochenlang im Kopf. Ich mache mir Notizen in ganz normalen Notizbüchern. Hin und wieder fertige ich Mindmaps oder Cluster an oder kleine Zeichnungen. Aber ein festes Konzept habe ich nicht. Es ist auch ein ziemlicher Unterschied, ob ich eine Kurzgeschichte, ein Erstleserbuch oder einen Kinderroman schreibe. Ganz wichtig sind mir aber die Gespräche mit meiner Familie über die Ideen. Da merke ich schnell, wo etwas unlogisch ist oder wie sich etwas weiterentwickeln könnte.

13.    3-Akte, 5-Akte, 8 Sequenzen. Wie strukturierst Du Deine Geschichte?

Ehrlich gesagt halte ich mich nicht an solche Gerüste. Ich weiß meistens im Vorfeld, wie lang ein Text werden darf oder muss. Die Struktur entwickelt sich automatisch mit der Geschichte. Aber ich habe eben auch noch nie einen 500-Seiten-Roman verfasst, bei dem eine feste Struktur sicher wichtig ist.

14.    Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

Schwer zu sagen. Ich arbeite meistens an mehreren Projekten gleichzeitig. Ich versuche, jeden Tag zwei bis drei Stunden für das Schreiben freizuhalten. Wenn ich unterwegs bin oder die Kinder krank sind, geht das natürlich nicht.

15.    Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Hab ich noch nie gezählt! So oft wie nötig. Und meistens ist es auch dann noch mal nötig, wenn ich denke, alles sei fertig. Meistens überarbeite ich selbst ein bis zweimal, bevor ich die Texte anderen befreundeten Autoren gebe. Auf der Grundlage von deren Anmerkungen überarbeite ich wieder. Und lese dann noch mehrfach Korrektur, bevor die Texte an den Verlag gehen. Die Lektoren senden mir die Texte mit ihren Anmerkungen zurück, die ich auch entweder umsetze oder ablehne. Am Schluss lese ich die Druckfahnen mehrfach Korrektur.

16.    Wie gehst Du bei der Überarbeitung vor? Hast Du ein bestimmtes System?

Nein. Aber mir hilft es sehr, mir (oder anderen) den Text laut vorzulesen. Dann finde ich meistens noch einiges, das geändert werden muss.

17.    Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Die knappe Zeit ist meine Motivation.

18.    An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Meistens sind es mindestens zwei.

19. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im
Bezug auf das Schreiben?

–    Vor dem Einschlafen lesen (schult das Sprachgefühl für das eigene Schreiben)
–    Über das Schreiben sprechen (erhöht den Druck, auch was zu tun)
–    Morgens an den Schreibtisch setzen (einfach machen)

20.    Wie viel der Zeit die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel ist eher harte Arbeit?

Es ist harte Arbeit, die mir aber zu neunzig Prozent Spaß macht.

21.    Wie lange hast Du an Deinem ersten fertig geschriebenen Roman gearbeitet?

Der erste Roman („Die Hüter des Schwarzen Goldes“) entstand ja als Gemeinschaftsprojekt mit Inge Meyer-Dietrich. Die Vorarbeit zog sich mit großen Pausen über Monate, wenn nicht Jahre. Richtig geschrieben haben wir ein paar Monate. Wie viele genau, habe ich verdrängt.

Teil 4: Inspirationen

22.    Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt weiterempfehlen?

Für Kinderbuchautoren empfehle ich:
Silvia Englert: Handbuch für Kinder- & Jugendbuchautoren

23. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben
erhalten hast?

Nicht aufgeben! Manchmal kommen die Ideen nur zäh, manche Sätze müssen reifen, viele Texte finden nicht auf Anhieb einen Verlag. Da braucht es Geduld und den Glauben an sich selbst.

24.    Welche drei Romane haben dich am meisten inspiriert und warum?

Ich fürchte, das kann ich nicht an drei Romanen festmachen. Ich finde die Vielseitigkeit von Kinderbuchautoren wie Astrid Lindgren, Michael Ende oder Kirsten Boie bewundernswert. Sicher inspirieren sie mich auch, aber eher indirekt.

Teil 5: Organisation und Persönlichkeit

25.    Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

Geduld, Kritikfähigkeit, Beobachtungsgabe, Zuhören können, Fantasie

26.    Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat?

Zeig deine Texte Experten (zum Beispiel anderen Autoren, nicht nur Freunden und Familie), lass
Kritik auf dich wirken, auch wenn sie dir im ersten Moment ungerecht erscheint.

27. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social
Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen dabei?

Das Studium liegt ja schon einige Jahre zurück und das Schreiben ist glücklicherweise gleichzeitig mein Beruf. Trotzdem wird es manchmal ganz schön viel. Ich versuche, den Überblick nicht zu verlieren (ich liebe To-Do-Listen!) und mit Sport auszugleichen. Das klappt mal besser, mal schlechter.

Teil 6: Ausblicke und Einblicke

28. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir einen
Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu tun haben. Was wünschst du dir?

Ich wünsche mir eine zusätzliche Stunde pro Tag, die ich ohne schlechtes Gewissen (und ohne zufallende Augen) für‘s Lesen verwenden darf.

29.    Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

Ich verstehe, dass für Verlage und Buchhandlungen (und letztlich natürlich auch für den Autor) Verkaufszahlen unheimlich wichtig sind. Doch der Markt ist manchmal unbarmherzig schnelllebig. Wenn ein Buch in einer gewissen Zeit nicht so und so oft verkauft wird, wirft man es aus dem Programm, anstatt ihm die Chance zu geben, ein Longseller zu werden. „Stille“ Bücher haben es deshalb heutzutage schwer. Das finde ich sehr schade.

30.    Zum Schluss was Handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge, Coverdesigner, Lektoren oder Korrektoren kannst du aus Deiner bisherigen Arbeit empfehlen?

Ich selbst habe keine speziellen Lehrgänge besucht, abgesehen von denen, die direkt mit meiner Ausbildung als Journalistin zu tun hatten. Und als Verlagsautorin bekomme ich Lektoren, Korrektoren und Coverdesigner zugeteilt. Mit meinen bisherigen Illustratoren (Elke Broska, Steffen Gumpert, Nina Dulleck) bin ich sehr glücklich. Aber ob die auch freie Aufträge annehmen?

Liebe Anja, vielen Dank für diese tollen Einblicke in den Alltag einer Kinderbuchautorin. Ich hoffe, Du hattest so viel Spaß beim Antworten wie ich beim Bekommen der Antworten.

Die Rechte der Fotos liegen bei der Autorin.

Hallo liebe Leser,

der folgende Artikel ist ein Gastkommentar von Ron Kellermann und auf Auftakt meiner Zusammenarbeit mit dem Dramaturgieblog filmschreiben.de.

Ich bin dankbar für diese Möglichkeit. Der tiefe Fundus an Wissen, den dieses Blog bereithält ist lesenswert für jeden, der sich mit dem Schreiben beschäftigt, ganz gleich ob es sich dabei um Drehbuch- oder Prosaautoren handelt.

Der Originalartikel erschien am 08. Januar 2017 auf filmschreiben.de

Studium der Philosophie, Germanistik, Medien- und Kommunikationswissenschaften; seit 2001 in der Drehbuchentwicklung (u.a. als Dramaturg und Lektor bei Wüste Film, Hamburg); seit 2004 freiberuflicher Filmdramaturg und Drehbuchdozent; annähernd 300 Dramaturgie-Seminare und Stoffentwicklungs-Workshops; ca. 250 dramaturgische Beratungen von Autorinnen und Autoren; seit 2013 als Senior Consultant Storytelling im Experten-Netzwerk von die firma . experience design, Wiesbaden; Autor des Buches Fiktionales Schreiben – Geschichten erfinden, Schreiben verbessern, Kreativität steigern, Emons Verlag, Köln; sein Buch Das Storytelling-Handbuch: Inhalte professionell entwickeln erscheint im Frühjahr 2017 beim Midas Verlag, Zürich


Eine der Hauptschwierigkeiten beim Entwickeln und Erzählen einer Geschichte besteht darin, aus der riesigen Fülle von Ideen und den Möglichkeiten an Figuren, Konflikten, Handlungen, Themen, Ereignissen, Szenen und Dialogen die „richtigen“ auszuwählen und die „falschen“ wegzulassen. Die Kriterien, an denen sich Autorinnen und Autoren orientieren können, um diese Entscheidungen zu treffen, lassen sich mit dem Begriff Erzählökonomie bezeichnen: Welche dramatischen Elemente braucht eine Geschichte, um erzählt und als bedeutsames Ganzes verstanden zu werden? Und welche nicht?

WELCHE DRAMATISCHEN ELEMENTE BRAUCHT EINE GESCHICHTE, UM ERZÄHLT UND ALS BEDEUTSAMES GANZES VERSTANDEN ZU WERDEN? UND WELCHE NICHT?

Erzählökonomisches Arbeiten unterstützt Autorinnen und Autoren dabei, Klarheit über das zu gewinnen, was sie erzählen wollen, ihre Geschichten effizienter zu entwickeln und sich auf das erzählerisch Notwendige zu fokussieren. Dadurch vermeiden sie, ins Blaue abzudriften und Zeit zu verschwenden, den Erzählfaden zu verlieren und unnötig herumzueiern, die Geschichte irgendwann entsorgen zu müssen oder ein oberflächliches, nichtssagendes Heititeiti zu erzählen, das niemanden interessiert.

Filmisches Erzählen ist in genau diesem Sinne ökonomisch – Ausnahmen bestätigen natürlich das Gegenteil –, da Aus- und Abschweifungen hier schnell dazu führen, dass das Publikum nicht mehr folgen kann, weil es die Geschichte nicht versteht oder schlimmer noch: langweilig findet. Das hat mit den spezifisch filmischen Rezeptionsgewohnheiten und -bedingungen zu tun. Schauen funktioniert anders als Lesen. Man nimmt eine andere Haltung ein. Dennoch ist Erzählökonomie auch für Prosa-AutorInnen ein relevantes Thema.

Ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry drückt sehr schön aus, was Erzählökonomie meint: Perfektion entsteht nicht, wenn nichts mehr hinzuzufügen ist, sondern wenn man nichts mehr entfernen kann.

Dramatische Relevanz
Dieses Zitat ist gewissermaßen das Mantra der Erzählökonomie, deren übergeordnetes Kriterium die sogenannte „dramatische Relevanz“ ist: Welche Elemente sind dramatisch relevant, müssen also erzählt werden, damit die Geschichte Sinn ergibt und verständlich wird? Es gibt einen einfachen Test, um die dramatische Relevanz eines Elements zu ermitteln: Man lässt dieses Element einfach weg und betrachtet die Auswirkungen: Wie verändert sich die Geschichte, wenn ich dieses Element nicht erzähle? Bricht sie zusammen und wird unverständlich, ist das Element dramatisch hochrelevant. Verändert sie sich nicht, ist es dramatisch irrelevant und kann weggelassen werden – egal wie interessant und/oder originell es ist. Denn nicht alles, was interessant und originell ist, muss auch relevant sein. Und dramatische Relevanz sollte immer über der Verliebtheit in die eigenen Ideen stehen:

In writing, you must kill your darlings, soll William Faulkner gesagt haben.

NICHT ALLES, WAS INTERESSANT ODER ORIGINELL IST, MUSS AUCH DRAMATISCH RELEVANT SEIN.

Um über dramatische Relevanz entscheiden zu können, braucht es Kriterien: Nach welchen Kriterien lässt sich entscheiden, welche dramatischen Elemente gebraucht werden, um eine Geschichte zu entwickeln und zu erzählen und welche nicht? Die Spielfilmdramaturgie liefert diese Kriterien für alle drei Dimensionen einer guten Geschichte: der charakterzentrierten Dimension, der konfliktbasierten und der werteorientierten.

Einige der zentralen Werkzeuge und Kriterien werde ich nun vorstellen:

Dramatisches Ziel und dramatische Frage
Wesentliche Voraussetzung für eine aktive Hauptfigur und einen interessanten Konflikt ist das dramatische Ziel der Hauptfigur: Sie will etwas, etwas in der äußeren Welt. Das dramatische Ziel ist ein „äußeres Wollen“. Es ist immer konkret in dem Sinne, dass am Ende der Geschichte eine Situation eintritt, in der eindeutig entschieden wird, ob die Hauptfigur ihr Ziel erreicht oder nicht. Glück kann also nicht das Ziel einer Hauptfigur sein, weil es zu abstrakt ist. Publikum und Leserschaft wissen nicht, wann genau dieser Zustand erreicht ist. Das Glück müsste also konkretisiert werden: Wann genau ist die Figur glücklich – oder glaubt, glücklich zu sein?

NUR WER WEISS, WAS DIE HAUPTFIGUR WILL, KANN WISSEN, WIE SIE HANDELT UND WELCHE IHRER HANDLUNGEN DRAMATISCH RELEVANT SIND

Der Kommissar will den Mörder überführen. Die Liebenden wollen zusammen sein. … In dem Spielfilm LITTLE MISS SUNSHINE – der erzählökonomisch betrachtet nahezu ideal entwickelt ist – wollen Olive und ihre Familie rechtzeitig in Kalifornien ankommen, damit Olive an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen kann.

Nur wer weiß, was die Hauptfigur will, kann wissen, wie sie handelt oder welche ihrer Handlungen für das Erzählen der Geschichte relevant sind.

Aus dem dramatischen Ziel ergibt sich die dramatische Frage, die immer die Grundform hat: Wird die Hauptfigur ihr Ziel erreichen? Sie wird am Ende der Geschichte beantwortet: ja, nein, ja aber, nein aber. Ja, die Hauptfigur bekommt alles, was sie will; nein, sie verliert alles; ja, sie bekommt es, aber anders als sie dachte; nein, sie bekommt es nicht, erhält dafür aber etwas viel Wertvolleres, von dem sie zu Beginn noch gar nichts wusste.

Die dramatische Frage erzeugt den grundlegenden Spannungsbogen einer Geschichte. Der Prozess ihrer Beantwortung hält unser Interesse aufrecht und steigert es nach Möglichkeit sogar. Die Antwort auf sie befriedigt unser Interesse.

Wird der Kommissar den Mörder überführen? Werden die Liebenden zusammenkommen? Wird es Olive und ihrer Familie gelingen, rechtzeitig in Kalifornien anzukommen und den Wettbewerb zu gewinnen?

Im Hinblick auf die Erzählökonomie sind nur die Handlungen dramatisch relevant, die die Hauptfigur ausführt, um ihr Ziel zu erreichen und die damit zur Beantwortung der dramatischen Frage beitragen, kurz: Alles, was die Figur tut, tut sie, um ihr Ziel zu erreichen. Ob sie sich in der Konsequenz ihrer Handlungen ihrem Ziel nähert oder sich von ihm entfernt, spielt dabei keine Rolle. Würde Olives Familie plötzlich eine Bank überfallen, dann könnte das zwar spannend sein, es wäre aber nicht dramatisch relevant, weil der Banküberfall nichts mit ihrem Ziel zu tun hat. Anders wäre es, wenn sie Geld bräuchte, um ihren Weg fortzusetzen, beispielsweise für Benzin.

Geht es um die handlungsbasierte Dimension einer Geschichte, ist die Frage „Versucht die Hauptfigur mit dieser Handlung ihr Ziel zu erreichen?“ also ein wichtiges Kriterium für dramatische Relevanz. Dieser Dimension liegt die Frage „Um was geht es?“ zugrunde. In einer guten Geschichte geht es jedoch nicht nur um etwas, vielmehr erzählt sie auch über etwas. Erst dadurch erhält sie Bedeutung:

Die werteorientierte Dimension
Gute Geschichten sind immer auch Wertediskurse. Sie unterstützen uns dabei, Antworten auf zwei existenzielle Fragen zu finden: „Wie soll ich leben?“ und „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“. Die zentralen dramaturgischen Werkzeuge in dieser Dimension einer Geschichte und damit Kriterien für ihre dramatische Relevanz sind: das inhaltliche Thema, das emotionale Thema, die zentrale Frage und die Aussage einer Geschichte.

GUTE GESCHICHTEN SIND IMMER AUCH WERTEDISKURSE.

Inhaltliches Thema
Inhaltliche Themen können sein: aktive Sterbehilfe, die alternde Gesellschaft, illegale Einwanderung, Drogen, Inklusion, Integration, Gewalt, Spionage, Unterdrückung, Überwachung, Selbstjustiz, Patchwork-Familien, der Kalte Krieg und so weiter. Sie können kultur- und gesellschaftsspezifisch sein. Das Thema „alternde Gesellschaft“ beispielsweise wird in Deutschland immer bedeutender, in Ländern mit jungen Bevölkerungen spielt es hingegen keine Rolle.

Aus dem inhaltlichen Thema ergibt sich die Handlungsebene einer Geschichte. Es kann noch so interessant sein – ohne emotionales Thema, das ihm zugrunde liegt, bleibt es leblos.

DAS INHALTLICHE THEMA KANN NOCH SO INTERESSANT SEIN – OHNE EMOTIONALES THEMA BLEIBT ES LEBLOS.

Emotionales Thema
Zu den emotionalen Themen gehören: Liebe, Freiheit, Selbstbestimmung, Nähe, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Loyalität, Vertrauen, Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Unversehrtheit, Respekt, Heimat, Identität, Anerkennung und ihre Gegenteile: Hass, Sklaverei, Unsicherheit, Chaos, Fremdbestimmung, Distanz, Einsamkeit, Verrat, Krankheit, Orientierungslosigkeit, Verachtung, Identitätsverlust, Ausgeschlossensein, Ablehnung.

Emotionale Themen sind universell, archetypisch, transhistorisch, transkulturell, funktionieren also unabhängig von Zeit- und (Kultur)raum. Hollywood-Filme sind nicht wegen ihrer Stars oder großen Budgets weltweit erfolgreich, sondern weil sie überall auf der Welt emotional „verstanden“ werden können. Aus dem emotionalen Thema ergibt sich die emotionale oder Beziehungsebene.

Die zentrale Frage
Die zentrale Frage einer Geschichte – nicht zu verwechseln mit der dramatischen Frage – stellt das inhaltliche und das emotionale Thema in Form einer Frage dar, die die Autorin oder der Autor mit der Geschichte beantworten will. Dramatische und zentrale Frage geben einer Geschichte Richtung. Die Antwort auf die zentrale Frage ist die Aussage der Geschichte.

Die Aussage der Geschichte ist das, was dem Publikum mitgeteilt werden soll. Jede Geschichte – sofern sie als sinnvolles Ganzes verstanden wird und alle Fragen, die sie aufwirft, beantwortet – trifft eine Aussage, vertritt also einen bestimmten Standpunkt zu den Themen, über die sie erzählt – ob die Autorin oder der Autor will oder nicht. Denn eine sinnvolle Geschichte ist ein kommunikativer Akt und jedem kommunikativem Akt liegt ein bestimmtes Thema zugrunde, zu dem Stellung bezogen wird.

JEDE GUTE GESCHICHTE VERTRITT EINEN BESTIMMTEN STANDPUNKT ZU DEN THEMEN, ÜBER DIE SIE ERZÄHLT – OB DIE AUTORIN ODER DER AUTOR WILL ODER NICHT.

In LITTLE MISS SUNSHINE geht es auf der Handlungsebene um das inhaltliche Thema Erfolg, um Gewinnen und Verlieren: Die Familie fährt nach Kalifornien, damit Olive den Wettbewerb gewinnt. Ihre Handlungen sind auf dieses Ziel ausgerichtet. Die Beziehungsebene erzählt von den emotionalen Themen Gemeinschaft, Familie, Zugehörigkeit: Zu Beginn der Geschichte ist die Familie kaputt. Nur Olive versteht sich mit allen gut, die anderen wollen nichts mehr miteinander zu tun haben, belügen sich, feinden sich an. Am Ende funktioniert die Familie wieder, ihre Mitglieder halten zusammen und stehen füreinander ein.

Die zentralen Fragen lauten „Was ist ein Gewinner?“ (inhaltliche Ebene), „Was macht eine gute Familie aus?“ (emotionale Ebene) und „Was macht glücklich: Erfolg oder Familie?“ (inhaltliche und emotionale Ebene, aus der sich die Zuspitzung des Wertekonflikts in Form eines Dilemmas ergibt). Die Aussagen des Filmes sind: „Ein Verlierer ist jemand, der so viel Angst vorm Verlieren hat, dass er es noch nicht einmal versucht. Ein Gewinner versucht es, egal ob er erfolgreich und der Beste ist oder nicht“, „Eine Familie funktioniert, wenn ihre Mitglieder zusammenhalten und füreinander einstehen“ und „Familie ist wichtiger als Erfolg“.

Wie hilft mir das alles nun in Sachen dramatische Relevanz? In der werteorientierten Dimension stellt man sich die Frage, ob ein bestimmtes Element die Themen, die zentrale Frage und die Aussage transportiert beziehungsweise spiegelt oder nicht: Transportiert dieses Element das inhaltliche oder das emotionale Thema? Stellt es einen Standpunkt dar? Zeigt es eine andere Perspektive auf? Trägt es zur zentralen Frage und ihrer Beantwortung bei? Lauten die Antworten auf diese Fragen „nein“, kann man auf dieses Element verzichten.

FIGUREN SIND TRÄGER THEMATISCHER STANDPUNKTE.

In der charakterorientierten Dimension helfen diese Werkzeuge (die zwei Themen, die zentrale Frage und die Aussage), die Figuren stimmig und effizient zu entwickeln. Und zwar, indem ihnen bestimmte Standpunkte zugeordnet werden und sie damit thematische Aspekte transportieren: Auf der Beziehungsebene in LITTLE MISS SUNSHINE steht die Mutter für das positive Bild einer funktionierenden Familie („Wir sind eine Familie, und was immer auch geschieht, wir lieben uns, und das ist das allerwichtigste“). Der Sohn steht für die Negation von Familie, indem er mit seinem anfänglichen Schweigegelübde seinen Hauptkanal für Kommunikation verschließt – bis er dann doch irgendwann lauthals zum Ausdruck bringt, was er denkt und fühlt: „Ihr seid nicht meine Familie, ich will überhaupt nicht zu eurer Familie gehören, ich hasse euch: Geschieden, Selbstmord, Bankrott. Ihr seid Verlierer, beschissene Verlierer.“ Womit dieser Dialog nicht nur das emotionale, sondern zugleich das inhaltliche Thema bedient. Das ist gute Dialogarbeit.

Auf der Handlungsebene steht der Vater für das Thema Erfolg: Er hat ein Neun-Stufen-Konzept entwickelt, das garantierten Erfolg verspricht, ist damit jedoch selbst erfolglos. Er denkt an nichts anderes als an Erfolg und er spricht von nichts anderem. Seine Weltsicht ist klar definiert und unterscheidet zwischen „zwei Arten von Menschen: Gewinnern und Verlierern.“ Der Opa und der Onkel stehen für das Thema Verlieren: Der Opa hat in seinem Leben nie etwas auf die Reihe bekommen und fliegt sogar aus dem Pflegeheim. Der Onkel hat seine Liebe, seinen Job, seine Wohnung und seinen sozialen Status verloren und wollte sich deshalb das Leben nehmen.

Dass die Figuren als Familie wieder zusammenwachsen müssen, um glücklich zu werden, ist nicht der Grund, warum sie aufbrechen, warum sie aktiv werden. Aber es ist das, was sie am Ende bekommen: Sie gewinnen sich als Familie wieder, nachdem jeder einzelne zuvor alles verloren hat. Auf diese Weise sind inhaltliches Thema und emotionales Thema, Handlungsebene und Beziehungsebene miteinander verknüpft.

Fehlt Figuren der Bezug zu den Themen, der zentralen Frage und der Aussage einer Geschichte, wirken sie willkürlich und bleiben oberflächlich – egal, wie detailliert ihre Biografie ausgearbeitet ist und ob die Autorinnen und Autoren sogar wissen, welche Zahnpasta ihre Figuren benutzen. Insbesondere hier – in der Figurenentwicklung – sind dramatische Relevanz und Erzählökonomie von großer Bedeutung. Eine Figur zu entwickeln – ihre physiologische, soziologische und psychologische Dimensionen und ihre Biografie – macht zwar Spaß. Es kann aber auch schnell zu einer perfiden Vermeidungsstrategie werden: Man wähnt sich produktiv, tatsächlich vermeidet man jedoch, die Geschichte weiterzuentwickeln. Mit den Kriterien der dramatischen Relevanz können sich Autorinnen und Autoren immer selbst hinterfragen, ob sie gerade produktiv sind oder nur so tun.

FEHLT FIGUREN DER BEZUG ZU DEN THEMEN, DER ZENTRALEN FRAGE UND DER AUSSAGE EINER GESCHICHTE, WIRKEN SIE WILLKÜRLICH UND BLEIBEN OBERFLÄCHLICH.

Inhaltliches Thema, emotionales Thema, zentrale Frage und Aussage sind außerdem wesentliche Elemente der sogenannten Erzählintention. Mit „Erzählintention“ sind folgende Fragen gemeint: Warum will ich dieses Thema bearbeiten, diese Idee entwickeln, diese Geschichte erzählen? Was interessiert mich daran? Welche gesellschaftliche Dimension und Relevanz hat das Thema? Was will ich dem Publikum oder den Lesenden mitteilen? Was sollen sie über das Thema lernen? Woran können sie sich reiben?

Story Molecule: Handlungswelt, Beziehungswelt und Innenwelt
Wie der Charakter einer Figur sich entwickelt ist nachvollziehbar, wenn ihre Entwicklung dynamisch gestaltet ist, sich also Schritt für Schritt vollzieht, und nicht lediglich am Ende behauptet wird. Schritt für Schritt heißt, dass sich Ereignisse in der Außenwelt auf die Innenwelt der Figur auswirken und diese Auswirkungen wiederum rückwirkend die Handlungen der Figur und ihre Beziehungen beeinflussen. Ein hervorragendes Werkzeug, um diese wechselseitige Beeinflussung der drei Welten und Konfliktebenen einer Figur – der äußeren Welt der Handlungen, der emotionalen Welt der Beziehungen und der inneren Welt der Identität – zu gestalten, ist das Story Molecule. Es führt Plot und Figur zu einer dramatischen Einheit zusammen.

GUTE GESCHICHTEN SPIELEN IN DREI WELTEN: DER HANDLUNGSWELT, DER BEZIEHUNGSWELT UND DER INNENWELT.

Visualisiert wird es als drei ineinander liegende Kreise, die jeweils für eine Welt stehen: Der äußere Kreis stellt die äußere Welt dar, der mittlere Kreis die Beziehungswelt und der innere Kreis steht für die innere Welt. Mit dem Story Molecule lassen sich diese drei Welten entwickeln und in Beziehung zueinander setzen. Autorinnen und Autoren können es nutzen, um die Entwicklung ihrer Figur nachvollziehbar und dynamisch zu gestalten. Außerdem können sie mit ihm überprüfen, ob eine Geschichte in allen Welten spielt, eine dieser Welten beispielsweise zu dominant ist oder eine überhaupt nicht erzählt wird, und sie können festlegen, welche Fragen sich in ihnen für das Publikum und die Lesenden stellen: In welchen Welten spielt die Geschichte? Welche Fragen stellen sich in der Außen-, Innen- und Beziehungswelt? Habe ich in einem dieser Bereiche zu viele oder noch keine Fragen? Erzählt meine Geschichte mehr im Äußeren, auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen oder im Inneren der Figur? In welchen Szenen werden diese Fragen thematisiert?

In jeder dieser Welten stellt sich zudem eine richtungsgebende Hauptfrage, die für die dramatische Relevanz von Bedeutung ist. In LITTLE MISS SUNSHINE geht es in der äußeren Welt um die Fragen, ob die Familie rechtzeitig in Kalifornien ankommt und Olive den Wettbewerb gewinnen wird. In der Beziehungswelt lautet die Hauptfrage, ob die Familie wieder zu einer funktionierenden Gemeinschaft wird. In der inneren Welt stellt sich die Frage, ob die Familienmitglieder ihre Abneigungen gegeneinander ablegen, sich wieder vertrauen et cetera. Im Idealfall wirkt sich ein dramatisches Element auf alle drei Welten aus. Denn in gut entwickelten Geschichten wird nicht nur von allen drei Welten erzählt, vielmehr beeinflussen sie sich gegenseitig.

SIND DIE DREI WELTEN STATISCH, GIBT ES IM GRUNDE NICHTS ZU ERZÄHLEN, DANN IST DAS, WAS ERZÄHLT WIRD, LANGWEILIG.

Die dramatische Relevanz kann entsprechend mit folgenden Fragen überprüft werden: Verändert ein Ereignis in der äußeren Welt die Beziehungen der Figur zu anderen Figuren und ihr Innenleben? Wirkt sich eine Veränderung in der Beziehungswelt auf das Innenleben der Figur aus und lässt sie in der äußeren Welt anders handeln? Beeinflusst eine Veränderung in der Innenwelt der Figur ihre Beziehungen zu anderen Figuren und ihr Handeln in der äußeren Welt? Positive Antworten auf diese Fragen verleihen diesen drei Welten Dynamik. Sind sie nicht dynamisch, sondern statisch, gibt es im Grunde nichts zu erzählen, dann ist das, was erzählt wird, langweilig.

Fazit
Erzählökonomie und dramatische Relevanz sind keine Gesetze, denen Autorinnen und Autoren folgen müssen, um am Ende des Tages eine gute Geschichte in Händen zu halten. Sie verbieten nicht, eine Geschichte beliebig auszuschmücken, Anekdoten aus der Vergangenheit einer Figur zu erzählen, Neben- und Umwege zu beschreiten. Allerdings sollte man vorher genau wissen, was die Geschichte tatsächlich braucht, um zu funktionieren und verstanden zu werden.

WENN SICH AUTORINNEN UND AUTOREN NICHT KLAR DARÜBER SIND, WAS SIE EIGENTLICH ERZÄHLEN WOLLEN (UND WARUM), WIE SOLLEN ES DANN DAS PUBLIKUM UND DIE LESERSCHAFT SEIN?

Und hierbei helfen die Kriterien der dramatischen Relevanz. Sie unterstützen Autorinnen und Autoren dabei, eine Geschichte effizient zu entwickeln und fokussiert zu erzählen. Vor allem aber können sie mit ihnen eine größere Klarheit über das gewinnen, was sie erzählen wollen. Und eine solche Klarheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gute Geschichte. Denn wenn sich Autorinnen und Autoren nicht klar darüber sind, was sie eigentlich erzählen wollen (und warum), wie sollen es dann das Publikum und die Leserschaft sein?

Dieser Text ist in leicht veränderter Form zuerst in der AutorInnen-Zeitschrift Federwelt Nr. 113, August / September 2015 erschienen.

Liebe Leute,

schön, dass Ihr euch auch heute wieder auf meinen Blog traut. Ich freue mich, euch inzwischen das achte Interview zu meiner Reihe „Augenschelm fragt“ begrüßen zu dürfen. Es hat sich viel getan. Mein Blog hat inzwischen ein bisschen an Fülle gewonnen. Marcus Johanus ist ein #BartBroAuthor geworden, Elyseo da Silva hat mit seinem Debüt „Mosaik der verlorenen Zeit“ einen fantastischen 16. Platz beim Leserpreis von Lovleybooks belegt, was für einen Selfpublisher und ein Debüt alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

Ich habe sehr viele, sehr tolle Rückmeldungen zu meinen Interviews bekommen. Die positiven Reaktionen auf meine Interviewanfragen von Marcus Johanus und Axel Hollmann haben mich immer mutiger werden lassen. Als schließlich Markus Heitz meine Fragen beantwortet hat, war ich völlig aus dem Häuschen und wagte es, an weitere namenhafte AutorInnen heranzutreten.

Darum freue ich mich über alle Maße, euch heute die nächste Vollblutautorin vorstellen zu dürfen. Zoë Beck hat sich viel Zeit genommen und meine Fragen ausführlich beantwortet. Viel Spaß beim Lesen!

Infos von Zoë findet Ihr auf Ihrer Wikipedia.

Alles über ihre Bücher und ihre sonstigen Tätigkeiten findet ihr auf Ihrer Homepage:

http://www.zoebeck.net 

oder auf allen gängigen Social Media Kanälen:

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Lest rein, folgt ihr – es lohnt sich.

Ich habe die Reihenfolge der Fragen im Vergleich zu meinen vorherigen Inerviews etwas abgeändert und neu gegliedert. Dabei sind einige Fragen auch leicht verändet worden.

Interview

Erster Teil – Über Dich

1. Zu Deiner Person: Kannst du vom Schreiben leben? Falls nicht, was
machst Du, außer zu schreiben?

Das erste, was meine Agentin zu mir sagte, war: „Hör bloß nicht mit deinem eigentlichen Job auf!“ Deshalb mache ich immer auch noch etwas anderes. Ich übersetze, und ich arbeite im Bereich Filmsynchronisation. Das verschafft mir zum einen die Sicherheit des „zweiten Standbeins“ und zum anderen die Luft, auch mal längere Pausen zwischen Büchern zu machen.

(c) Anette Göttlicher

2. Wie bist Du dazu gekommen zu schreiben und seit wann schreibst du?

Literarisches Schreiben: seit knapp über 10 Jahren. Vorher schrieb ich eher gelegentlich für Zeitungen oder Magazine, an der Uni hatte ich einen Creative Writing-Kurs, aber nie mit dem Ziel, später selbst zu schreiben. Das stand für mich nie auf dem Plan. Als ich beim Film arbeitete, rutschte ich so langsam ins Drehbuchschreiben.

Zum Bücherschreiben kam ich über eine Freundin, die bei derselben Filmproduktionsfirma gearbeitet hatte. Sie war mittlerweile bei einer Literaturagentur und rief mich an, ob ich nicht Lust hätte, ein Exposé für eine Kriminalromanreihe zu schreiben, sie könne sich das bei mir gut vorstellen. Ich sagte ihr, das sei Quatsch, ich könne das nicht, sie sagte, ich solle einfach mal machen. Wenig später saß ich da mit einem Vertrag über drei Bücher und dachte: Verdammt, was mach ich jetzt?

3. Seit wann schreibst du mit dem festen Vorsatz, zu veröffentlichten?

s.o.

4. Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Unterschiedlich. Ein paar wenige fanden das ganz toll, aber auf die meisten Menschen wirkte das eher befremdlich. Auf meine Eltern sowieso. Diejenigen, mit denen ich wirklich eng und gut befreundet war, glaubten allerdings an mich. Jetzt erst nach über zehn Jahren sind die Zweifler davon überzeugt, dass es doch nicht totaler Unfug ist, von Beruf Bücher zu schreiben.

5. In welchem Genre schreibst Du?

Hauptsächlich Kriminalroman.

Zweiter Teil: Publikation und Marketing

6. Ist Verlagspublikation oder Self-Publishing dein Weg?

Verlag. Definitiv.

7. Wieso hast du dich für diesen Weg entschieden?

Verlage nehmen einem sehr viel Arbeit ab und haben die größere Vertriebspower.

8. Wie lange musstest Du warten, bis ein Verlag ein Manuskript von Dir genommen hat?

Das ging immer sehr schnell. Wenige Wochen.

9. Was sind Deine besten Tipps, um auf einen Roman aufmerksam zu machen?

Meine Erfahrung ist: Wenn das Buch im Handel gut ausliegt, verkauft es sich. Tut es das nicht, kann das Marketing, kann die Presse noch so gut sein – Sichtbarkeit direkt im Handel ist sehr, sehr wichtig.

10. Wie findest Du Deine Zielgruppe?

Ich hoffe, sie findet mich.

Teil 3: Gewohnheiten

11. Wie sieht sein gewöhnlicher Schreibtag von morgens bis abends aus? 

Schwarzblende von Zoe Beck

Erstmal organisatorischen Kram wegschaffen, und dann schreiben. Deshalb wird es bei mir meist früher Morgen, bis ich „Feierabend“ mache und schlafen gehe. 

12. Auf welche Art entwickelst Du eine Idee zu einer Geschichte?

Ein Thema, das mich interessiert, und Figuren, die ich erzählen will. Von da aus entwickle ich den Plot. Die Figuren sind mir am Wichtigsten.

13. 3-Akte, 5-Akte, 8 Sequenzen. Wie strukturierst Du Deine Geschichte?

So, dass es zur Geschichte passt.

14. Wie viele Stunden arbeitest Du pro Woche an Deinem Buch?

In Schreibphasen wirklich die ganze Nacht, Wochenenden und Feiertage gibt es sowieso nicht.

15. Wie oft überarbeitest Du im Schnitt?

Vier-, fünfmal, glaube ich. Das sind die großen Überarbeitungen.

16. Wie motivierst Du Dich zum Schreiben?

Das macht meistens der Blick auf die Deadline, kombiniert mit dem Blick aufs Konto.

17. An wie vielen Projekten arbeitest du gleichzeitig?

Ich versuche, Projekte der Reihe nach abzuarbeiten, am Block. Dann komme ich schneller voran.

18. Was sind, aus Deiner Sicht, Deine 3 wertvollsten Gewohnheiten im Bezug auf das Schreiben?

Tee, Bewegung, Schlafen.

19. Wie viel der Zeit die Du schreibst macht dir Spaß und wie viel ist eher harte Arbeit?

Schreiben ist harte Arbeit und macht Spaß. Das ist für mich kein Widerspruch.

Teil 4: Inspirationen

20. Welches Buch über das Schreiben kannst du unbedingt weiterempfehlen?978-3-453-41042-8

Walter Mosley hat ein schönes kleines Büchlein geschrieben, mit dem Titel „This Year You Write Your Novel“. Stephen Kings „On Writing“ ist interessant. Was sich auch unbedingt lohnt, ist von David Mamet „On Directing Film“, weil er dazu aufruft, gegen die ersten Einfälle anzugehen und neue Perspektiven zu finden.

21. Was war der beste Ratschlag, den du im Bezug auf das Schreiben erhalten hast?

Der kam von meiner Agentin. Die Top 3 der Schreibratschläge: Lesen, Lesen, Lesen.

Und zwar, das ist ganz wichtig und meine Ergänzung, immer das lesen, was man ganz grandios findet. Keine Zeit verschwenden mit etwas, das eher durchschnittlich oder gar schlecht ist – egal, wie erfolgreich es sein mag. Immer neue Inspiration suchen. Am besten sind die Bücher, bei denen man denkt: „Ich wünschte, ich könnte auch so schreiben.“

22. Welche drei Romane haben dich am meisten inspiriert und warum?

Ich weiß nicht, ob man von „Inspiration“ reden sollte. Und beeindruckt haben mich eine ganze Reihe Bücher und Autor*innen. Ich nenne bei der Frage nach dem „Lieblingsroman“ am liebsten „Pale Fire“ von Nabokov, allein schon wegen der grandiosen Form. Ich lese auch sehr gern Kurzgeschichten oder eben Erzählungen, die keine Romanlänge haben. Eine Geschichte, die mich umgehauen und sehr, sehr tief beeindruckt hat, ist „The Yellow Wallpaper“ von Charlotte Perkins Gilman. Und wer mich als Kind schon begleitet hat – mehr noch als Roald Dahl und E.T.A. Hoffmann (ich war ein eher düsteres Kind) – war E.A. Poe.

23. Mit welchem Romanhelden möchtest Du gerne einen Tag verbringen?

Ich weiß nicht. Ich schaue den Figuren lieber zu, was sie so machen.

Fünfter Teil: Organisation und Persönlichkeit

24. Welche fünf Eigenschaften sollte ein Autor unbedingt besitzen?

Disziplin, Selbstzweifel, Hang zum Chaos, krankhafte Neugier, Sprachgefühl … Und viele Widersprüche. Ich sich selbst und um sich herum.

25. Welchen Ratschlag möchtest du jemandem mitgeben, der gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat?

Schreib es fertig. Überarbeiten kommt dann später.

26. Familie, Arbeit, Studium, Schreiben, Vertrieb der Bücher, Social Media. Der Kalender ist voll, was tust du, um nicht auszubrennen dabei?

Aufs Wasser schauen.

Teil 6: Ausblicke und Einblicke

27. Glückwünsch! Du hast eine Fee gefunden und sie erfüllt Dir einen Wunsch. Einzige Einschränkung, es muss etwas mit Büchern zu tun haben. Was wünschst du dir?

Zeit, um ganz viele Bücher zu lesen.

28. Wenn Du eine Sache am Buchmarkt ändern könntest, was wäre das?

(c) Anette Göttlicher

(c) Anette Göttlicher

Weniger vom Immergleichen, mehr Platz für Außergewöhnliches, aus allen Ecken der Welt.

29. Zum Schluss was Handfestes: Welche Workshops, Lehrgänge, Coverdesigner, Lektoren und Korrektoren kannst du aus deiner bisherigen Arbeit empfehlen?

Bei Workshops empfehle ich grundsätzlich solche, die über einen längeren Zeitraum ein Projekt begleiten. Es gibt immer wieder auch Stipendien, das ist nicht nur sinnvoller, sondern auch seriöser als „An einem Wochenende zum eigenen Buch, nur 500 Euro!“-Angebote. Schreiben braucht Zeit. Wer da im einzelnen was anbietet, weiß ich nicht, muss man auch selbst schauen, mit wem man klarkommt. Coverdesignerin:  Hanka Steidle hat einige meiner Cover gemacht, die ich toll fand. Sehr gute Arbeiten sehe ich immer wieder auch zum Beispiel von Claudia Toman. Ich selbst habe kaum Einfluss auf das Cover, das machen die Verlage, aber für meinen eigenen Verlag Culturbooks  arbeiten wir mit der Grafikerin Magdalena Gadaj zusammen, und bei Weyward Sisters hat Arne Kirschenberger  mein Cover gemacht, der für mich auch z.B. Visiten- und Autogrammkarten und ähnliches oder für Culturbooks Werbeanzeigen, Lesezeichen etc. entwirft.

Sehr gute Fotografinnen sind Victoria Tomaschko (Berlin) und Anette Göttlicher (München) .

Ich liebe meine Lektorin Catherine Beck, der ich wirklich sehr vertraue. Sie hat leider keine Homepage. Aber ansonsten kann ich noch alle im Team von Autorendienst empfehlen.

Und ganz besonders toll ist immer die Zusammenarbeit mit der unglaublich strengen und überaus genauen Dörte Karsten als Korrektorin, die auch alle unsere Texte bei Culturbooks abschließend bearbeitet.

Liebe Zoë, ich danke Dir sehr dafür, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast. Mir hat es viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass viele meiner Leser Deine Antworten genauso erhellend und unterhaltsam finden, wie ich.

Alle bisherigen Interviews von Augenschelm fragt findest Du hier.

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Hier findest Du die Liste aller bisher geführten Autoreninterviews.

Staffel 1

26.07.2016 Augenschelm fragt: Elyseo da Silva

08.08.2016 Augenschelm fragt: Marcus Johanus

26.08.2016 Augenschelm fragt: Nike Leonhardt

09.09.2016 Augenschelm fragt: Markus Heitz

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26.01.2017 Augenschelm fragt: Sonea von Delvon

08.03.2017 Augenschelm fragt: Alessandra Reß

30.03.2017 Augenschelm fragt: Nina C. Hasse

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18.05.2017 Augenschelm fragt: Anja Kiel

31.05.2017 Augenschelm fragt: Sebastian Fitzek